Im
Juni 2023 habt ihr, zehn Jahre nach dem wunderbaren Album „Der gefallene
Stern“ ein neues Album herausgebracht. Warum habt ihr euch so lange Zeit
gelassen? Hat euch – wie so vielen anderen Musikern – da auch Corona
einen Strich durch die Rechnung gemacht?
Peter
(Figge):
Eigentlich wollten wir unser neues Album im Winter 2020 herausbringen.
Seit März des gleichen Jahres waren aber wegen Corona keine Proben oder
Treffen mehr möglich. Zu dem Zeitpunkt fehlten zu einigen Stücken noch
wichtige Einspielungen. Erst Mitte 2022 konnten diese dann erstellt
werden. Die verbleibende Zeit waren wir dann mit dem Abmischen und
Mastern, sowie mit der graphischen Gestaltung beschäftigt.
Im
Booklet steht, dass euer Bandstudio in den Regenfluten versunken ist. War
das während der Flutkatastrophe im Jahr 2021? Wie groß waren die Schäden,
waren auch Teile eurer Produktion betroffen?
Peter:
Produziert wurde zum Glück im Mindmovie-Studio von Achim. Aber der
Wasserschaden erforderte unsere ganze Aufmerksamkeit. Das Wasser stand ca.
5 cm in unserem Proberaum. Die Technik und unsere Instrumente konnte
vollständig gerettet werden, weil wir sofort vor Ort waren. Anschließend
musste der Raum mehrere Wochen mit Entfeuchtungsgeräten trocken gelegt
werden. Auch neue Fenster mussten eingebaut werden. Etwa 6 Monate hat das
in Summe gedauert.
Wie
sah der Kompositionsprozess aus, der ja aufgrund Corona nicht einfach war?
Achim:
Ja das war ganz und gar nicht einfach! Zu Beginn arbeiteten wir alle
gemeinsam an den neuen Songs im Proberaum. Es entstanden so die Blaupausen
für die Songs „Cold Comes The Night“ und „Dreamfall“ sowie einige
weitere Songs die es im Endeffekt dann nicht auf das Album geschafft
haben. Dann gab es einen Todesfall im direkten Bandumfeld, der uns zu
einer traurigen Pause zwang. Danach wurde unser gerade neu renovierter
Proberaum durch Starkregen gleich zweimal geflutet.
Wir
mussten von vorne anfangen, und erst einmal wieder handwerklich tätig
werden bevor es mit der Produktion überhaupt weiter gehen konnte. Dann
kam Corona und der damit verbundene Lockdown, der uns die Arbeit merklich
erschwerte. Als die Treffen wieder möglich wurden trafen wir uns hauptsächlich
in meinem Mindmovie Tonstudio, erarbeiteten weitere Songs und spielten
gemeinsam mit unseren Gästen „Wrinkle Of Time“ ein. Retrospektiv eine
wirklich lange Zeit, allein wir haben es anders empfunden.
Das
Debütalbum „Tanz der Götter“ war nicht nur musikalisch ein
grandioses Album, den Reiz machte vor allem auch die Fantasystory aus, die
Radiosprecher Wolfgang Neumann beigesteuert hat. War euch damals schon
klar, dass diese Story, die auf den nachfolgenden Alben fortgeführt
wurde, weiterzuführen?
Peter:
Ja – dennoch haben wir stets Verschiedenes ausprobiert. Auf „Fata
Morgana“, unserem dritten Album, befindet sich nur eine kurze
Sprachpassage, die sich auch außerhalb der Flaming Bess Welt bewegt. Erst
auf „Finstere Sonne“ wurde die Geschichte wieder fortgesponnen.
Wer
ist für die Story zuständig? Entwickelt ihr die gemeinsam?
Achim:
Die Fantasystory bei „Finstere Sonne/Black Sun “ haben wir gemeinsam
entwickelt. Seit „Wächter des Lichts“ haben wir die Geschichten und
deren sprecherische Umsetzung in die Hände meines Sohnes Dr. Markus
Wierschem gelegt und sind ihm sehr dankbar. Er hat ganz klar eine tiefere
Ebene mit seinen Texten erzeugt.
Das
Coverbild auf dem neuen Album „Wrinkle Of Time“ ziert das Gesicht von
Flaming Bess, das auch schon auf dem Debütalbum „Tanz der Götter“
abgebildet war. Habt ihr das Gesicht in eurem Studio an die Wand gemalt
und dann für das Cover fotografiert?
Hannes:
Wir hatten sowieso vor, das Gesicht, der Flaming Bess, was uns so lange,
durch unsere gemeinsame musikalische Reise mit ihr, begleitet hatte, an
unsere Proberaumwand zu malen. Sie gehörte einfach dazu.
Habt
ihr das Cover bewusst gewählt und soll sich so der Kreis zum Debütalbum
schließen?
Hannes:
Ja, aber die Idee kam erst später. Durch den Wassereinbruch in unserem
Proberaum blätterte nach und nach die Farbe von dem Flaming Bess Kopf ab,
den wir an die Wand gemalt hatten. Bei einer Diskussion der Band, was wir
als Cover für die CD nehmen könnten, kamen wir spontan auf diese Idee.
Sofort waren alle einverstanden. So schließt sich der Kreis.
Auf
der Bookletrückseite ist eine sehr schöne Grafik von Flaming Bess zu
sehen, die eine Sanduhr in der Hand hält. Warum habt ihr dieses tolle
Motiv nicht benutzt bzw. in größerem Format abgedruckt, das perfekt zum
Titel gepasst hätte?
Achim:
Du wirst lachen, aber das war sogar einmal ein früher Coverentwurf. Wir
haben uns dann allerdings für unser Proberaumbild entschieden. Die
Regenfluten hatten dem Bild stark zugesetzt und es blätterte zusehends
die Farbe ab. Wir sind ja alle vier nicht mehr die Jüngsten, sprich auch
an uns ist
der Zahn der Zeit nicht spurlos vorüber gegangen. Diese Analogie war im
Endeffekt der ausschlaggebende Punkt unser „altes Trademark“, den
Frauenkopf für das Frontcover zu nutzen.
Mit
den Stücken „Wind Of Hope“ und „Now I Regret“ habt ihr aus meiner
Sicht auch Einflüsse aus der aktuellen Poplandschaft mit in die Musik
integriert. Wie kam es dazu?
Peter:
Gegen gut gemachte Popmusik hatten wir nie Einwände. Und auch auf
verschiedenen anderen Alben von Flaming Bess befinden sich Titel mit einer
gewissen Nähe zu dem von Dir angesprochenen Genre. Interessanterweise
haben sich von ca. 20 Kompositionen für diese Album „Wind of Hope“
und „Now I regret“ letztendlich durchgesetzt. Wir machen das
demokratisch per Abstimmung.
Ihr
habt auch einige Gastmusiker an Bord geholt, die einige Soli beigesteuert
haben. Wie kam der Kontakt zu Stande und wie haben sie sich eingebracht
bzw. wie war die Zusammenarbeit?
Achim:
Dank Internet ist die Welt heute sehr klein geworden und bietet die Möglichkeit
mit tollen Musikern zusammen zu arbeiten, die man im realen Leben niemals
treffen würde. Immer wenn mich ein Musiker mit seinen Werken besonders
berührte habe ich Kontakt aufgenommen und so sind die Kollaborationen mit
Andres Rexach, Martin Kuna, Markus Roth und Peter Allion entstanden, wofür
wir sehr dankbar sind, denn ihre Beiträge haben „Wrinkle Of Time“
veredelt und zusätzliche Ebenen eingezogen.
Auch
gibt es dieses Mal mit Aurora Ferrer eine Sängerin und mit Mike Hartmann
und Kevin Symonds zwei weitere Sänger. Warum habt ihr verschiedene Gastsänger/in
für die Produktion gewählt? Hatten sie auch Einfluss auf die Stücke?
Achim:
Alle Gäste haben einen hervorragenden Beitrag zu der CD geleistet. Bei
Flaming Bess waren von Anfang an Gastsänger:innen im Einsatz. Die Antwort
ist eigentlich sehr ähnlich wie auf die vorherige Frage. Für Kevin und
Aurora haben wir Texte und Melodien vorgegeben, Mike, der ja auch schon
bei „Der Gefallen Stern“ als Gast mitwirkte schreibt nach einer kurzen
Abstimmung zur Songthematik als „native Speaker“ seine Texte selbst
und entwickelt die dazu passenden Melodien. Das Konzept von Flaming Bess
in all den Jahren ist eigentlich immer gleich geblieben: „Let The Music
Be The Star - Not The Singer“.
Meine
Highlights des neuen Albums sind die Longtracks „Wrinkle Of Time“,
„Universal Mind“, „On The Edge“ und „Cold Comes The Night“,
das für mich eure deutliche Handschrift trägt. Gibt es für euch ein
bzw. mehrere Lieblingsstücke?
Peter:
Der Song „Cold Comes The Night“ war praktisch die Wiederaufnahme der
musikalischen Aktivitäten von Flaming Bess nach dem Album „Der
gefallene Stern“. Ein strategisch wichtiger Moment in unserer
Bandgeschichte und deshalb auch ein ganz wichtiger Song für uns. Darüber
hinaus repräsentieren die von Dir genannten Longtracks sehr stark den
Stil und Geschmack von Flaming Bess. Deine Aufzählung möchte ich aber
gerne noch um den Titel „Distance“ erweitern.
Es
gibt Hinweise im Text des Titelstücks, die auf eure Bandgeschichte und
das mögliche Ende von Flaming Bess hindeuten. Wie sieht die Zukunft von
Flaming Bess aus?
Peter:
Wir wünschen uns sehr, dass die Musik von Flaming Bess ewig leben werde.
Für uns Musiker selbst ist dieser Anspruch jedoch unrealistisch. Wir
befinden uns alle in einer weit fortgeschrittenen Lebensphase. Sowohl im
Titelsong als auch im Booklet zu der CD haben wir dies an mehreren Stellen
zum Ausdruck gebracht. Gerade deshalb ist das Booklet auch so umfangreich
geworden.
Wie
in dem Booklet zu erkennen ist (es ist eine Eintrittskarte zu sehen), seid
ihr nach der Veröffentlichung des 2013’er Albums „Der gefallene
Stern“ auch live aufgetreten. Das habe ich leider verpasst. Wieviel
Konzerte habt ihr gegeben und wie war die Resonanz?
Achim:
Es gab einige Konzerte in kleine Clubs und im privaten Rahmen. Eine Tour
hat es allerdings nicht gegeben.
Gibt
es Mitschnitte von den Konzerten in Bild und Ton?
Achim:
Ja es gibt einige private Videos und Tondokumente, allerdings nichts das
wir wirklich veröffentlichen möchten.
Könnt
ihr euch vorstellen noch einmal live aufzutreten?
Peter:
Diesen Wunsch tragen wir alle in uns. Doch wie sieht die Realität aus?
Wir haben mehrfach begonnen, ein Programm auf die Beine zu stellen. Dann
kamen gesundheitliche Probleme, Corona, die Überflutung des Proberaumes
und andere Schicksalsschläge. Umso erstaunlicher ist es, dass wir immer
noch da sind.
Das
Album der Formation Key „Verschlüsselt“, das in der Formation Hans
Wende, Peter Figge, Achim Wierschem und Gudrun Derichs eingespielt wurde,
wird in der Bandbiografie mitgezählt. Warum wurde damals ein anderer
Bandname gewählt und wie passt das Album thematisch in die Flaming
Bess-Veröffentlichungen?
Achim:
Das Album erschien 1983 zu Hochzeiten der NDW. Da Flaming Bess laut
Ansicht der damaligen Plattenfirma konzepttechnisch nicht ins aktuelle
Zeitgeschehen passte, wählte man „Key“ als Bandnamen und sang
ausschließlich in Deutsch. Retrospektiv würde ich sagen das die Musik
durchaus viele Flaming Bess typische Momente enthält, sich aber textlich
und gesanglich deutlich von der Götttin des Lichts entfernt. Letztlich
floppte das Album, da es immer noch nicht kommerziell genug war. Dies war
übrigens der letzte Ausflug in die Musikindustrie für uns, wir
beschlossen zukünftig wieder alles selbst in die Hand zu nehmen.