Flaming Bess: Das ist
ziemlich gut beobachtet. Nun ja es stellte sich historisch gesehen ein wenig
anders dar. Wir hatten ja, nachdem wir „Tanz der Götter“ im Eigenvertrieb in
die Schallplattenläden der Republik getragen hatten und ziemlich gute
Verkäufe erzielten, für „Verlorene Welt“ einen Deal mit der „Major
Industrie“ abgeschlossen. Im Jahr 1983 kam dann ein findiger Labelmanager
auf die Idee - die 3. LP nicht unter unserem angestammten Namen „Flaming
Bess“ - sondern unter „Key - Verschlüsselt“ auf den Markt zu bringen. Von
diesem Album wurden dann gerade mal 1.500 Stück verkauft - „Key“ kannte halt
keiner - und auch damals war es für die Industrie leichter in die
etablierten Acts zu investieren, als eine neue Band aufzubauen. Es lief
keinerlei Promotion - mal von einem Radioauftritt bei RTL abgesehen. Damals
war gerade die Hochzeit der Neuen deutschen Welle - „Flaming Bess Musik“
wurde als zu anspruchsvoll für den damaligen deutschen Zeitgeist gesehen -
wo man „im Sauseschritt düste“, „Gas gab“ oder „Da Da Da“ nicht geliebt
wurde. Plötzlich war unsere Art von „deutschen Fantasy Texten“ und
komplexeren Stücken völlig out. Aber zurück zu „Fata Morgana“. In der Tat
ist beispielsweise der Song „Hoffnung“ bereits 1981 als eines der ersten
Stücke für eine 3. Flaming Bess LP komponiert worden. Wir hatten dann nach
dem enttäuschenden Kontakt mit der Plattenindustrie erst einmal die Nase
voll. Flaming Bess existierte nur noch als ein Hobby für uns, wir alle
konzentrierten uns mehr auf unsere berufliche Karriere – von irgendetwas
muss man schließlich leben. So entstanden über die Jahre viele verborgene
Juwelen an einzelnen Songs, die wir mit unserem damaligen 8-Track Studio im
Proberaum aufnahmen und 1996 in einer kleinen Erstauflage unseren Fans
offerierten, 2001 dann quasi als Abschluss einer langen Periode noch einmal
um einige Bonus Tracks verstärkt neu auflegten. „Fata Morgana“ entstand
durchgängig auf lediglich 8 Spuren, „Tanz der Götter“, „Verlorene Welt“ und
unsere neue CD „Finstere Sonne / The Black Sun“ sind hingegen aufwändige
Studioproduktionen.
Stephan: Gibt es noch
Exemplare der Key-Albums? Wenn nicht, habt ihr über eine remasterte CD
nachgedacht?
Flaming Bess: Das ist
leider nicht so einfach, da wir die Rechte an dieser Produktion nicht
besitzen. Diese Musik wird wohl noch lange Zeit in den Archiven der
Industrie verstauben, wahrscheinlich bis sich die Masterbänder in nicht mehr
abspielbare Brösel verwandelt haben.
Stephan: Anfang 2005
erscheint mit „Finstere Sonne / Black Sun“ euer viertes Album. Hier finden
sich nicht einzelne Stücke sondern ein kompaktes Werk wieder. Für mich ist
dies musikalisch direkt an den beiden ersten Alben dran und stellt für mich
den wahren Nachfolger von „Verlorene Welt dar“. War das so geplant?
Flaming Bess: Mmh -
einerseits ja - denn wir wollten wieder ein Flaming Bess- Fantasy Album
machen, einerseits aber auch ein klares nein, denn wir wollten Flaming Bess
auf das nächste Level bringen. Flaming Bess, bis auf den Claas Reimer
unseren „Jüngsten“, ist mit Progressive Rock in all seinen Spielarten
aufgewachsen. Wir lieben die alten Genesis Platten, ebenso wie Camel, Yes,
Nektar, Gentle Giant, It Bites, Pink Floyd, etc. etc. ! Es gibt auch einige
wirklich gute neue Epigonen die diese Tradition Gott sei dank sehr
professionell weiter fortsetzen. Porcupine Tree, Dream Theater und Spock's
Beard sind wirklich großartig. Dennoch vermissen wir als Musiker die in
ihrem Leben eigentlich immer weiter wachsen möchten, etwas die Originalität
der neuen Proggies. Wer hat's erfunden? Die Urväter sind die wahren
progressiven, sie haben damals - genau wie wir 1979 - etwas wirklich Neues
geschaffen. Immer wieder kommen mir bei den heutigen Prog Bands Vergleiche
wie - hey - das klingt ja geil - wie die frühen Genesis, - super ist ja wie
Gentle Giant, etc. - es ist halt sehr deutlich wo die neuen Proggies ihren
Most holen. Versteh uns bitte nicht falsch - es ist immer noch wirklich
tolle Musik und wir mögen sie - aber ist das noch progressiv im eigentlichen
Wortsinn?
Also „was tun“ sprach
Flaming Bess im Jahre 2001? Als wir uns vor vier Jahren in der Band über das
neue Konzeptalbum und dessen musikalischer Ausrichtung einigten, war uns
allen klar, dass wir nicht mehr mit den Größen des Genre's verglichen
werden, sondern etwas für uns wirklich neues erschaffen wollten. Wir wollten
nicht mehr nur so klingen wie unsere alten großen Lieben Genesis oder Camel.
Wir wollten musikalisch weiter wachsen, neues erlernen, die Unbekümmertheit
der neuen Electrogeneration mit den alten Strukturen verbinden und
zeitgemäßer klingen. Es war uns klar, dass dies unseren angestammten Fans
einiges an Zugeständnissen abverlangen würde, da sie nicht nur auf die von
uns bislang gewohnten Trademarks treffen würden. Wir wollen natürlich unsere
treuen Fans nicht verprellen, aber es musste für uns als Band weitergehen.
Wir sind sehr stolz auf dieses neue Album, denn wir glauben es ist uns
geglückt etwas wirklich einzigartiges, erfrischend anderes zu erschaffen –
zumindest haben wir noch nichts durchgängig Vergleichbares gehört. Gibt man
„Finstere Sonne / The Black Sun“ eine Chance - entwickelt sich dieses neue
Fantasyalbum bei jedem Hördurchgang weiter, es gibt unglaublich viele kleine
und große Details die es zu entdecken gilt. Am besten mit einem guten
Kopfhörer, geschlossenen Augen und einer noch besseren Flasche Wein. Das
Album klingt übrigens wesentlich fetter und druckvoller als seine Vorgänger.
Stephan: Da hast du
absolut recht, die neue CD klingt unwahrscheinlich frisch und kombiniert
dies mit der Progelementen der beiden ersten Alben. Aber warum hat es so
lange gedauert, bis das neue Album entstanden ist?
Flaming Bess: Ja vier
Jahre kamen uns auch endlos lang vor, aber wir haben die Zeit benötigt um
diesen neuen Stil für uns zu finden. Claas Reimer kam als „Techno Jünger“
neu in die Band. Wir mussten von ihm erst einmal lernen wie moderne Grooves
funktionieren, er wiederum lernte von der Ursprungsbesetzung (uns alten
Säcken), wie stark gerade die modernen Kompositionen durch komplexe
Harmonien und Arrangements aufgewertet werden. In der langen Zeit und
nachdem wir einmal unseren gemeinsamen Stil gefunden hatten, haben wir
insgesamt Musik für drei Alben komponiert. Es wird daher sicherlich keine
weiteren vier Jahre dauern bis das nächste Flaming Bess Album erscheint.
Insgesamt denken wir - es hat sich gelohnt so lange an unserem Stil zu
feilen.
Stephan: Die Songs
auf „Fata Morgana“ klingen kommerzieller als eure anderen
Veröffentlichungen. Jetzt mit der neuen CD seid ihr wieder proggiger und
rockiger geworden. Was hat euch zu den beiden unterschiedlichen Alben
bewogen?
Flaming Bess: „Fata
Morgana“ stand deutlich unter dem Zeichen der Plattenindustrie, die von uns
kommerziellere Songs forderte, auch wenn sie dann letztendlich nach den
schlechten Verkäufen des Key Albums das Interesse an uns verloren. Wir
beschlossen dann wieder als Flaming Bess zu arbeiten und haben aus dem
vorhandenen Material dann „Fata Morgana“ selbst und mit sehr bescheidenen
Mitteln auf 8 Spuren zu Ende produziert. Ich denke auch „Fata Morgana“ hat
einige wirkliche Perlen von Flaming Bess zu bieten, beispielsweise den
Titelsong, oder Regenkind und Hoffnung. Im Vergleich zu „Tanz der Götter“,
„Verlorene Welt“ und auch zu unserem neuen Album „Finstere Sonne / Black
Sun“, ist die Musik im Nachhinein betrachtet - mmh - wie soll ich's
beschreiben - vielleicht weniger komplex und daher auch kommerzieller. Wir
sind als Band seit 2001 Gott sei dank in der Lage uns nicht mehr in unsere
Musik reinreden zu lassen, ich glaube diese Freiheit hat uns sehr, sehr gut
getan und dazu geführt mit „Finstere Sonne / The Black Sun“ ein wirklich
großartiges Album abzuliefern, welches moderner, komplexer, rockiger und
auch progressiver im eigentlichen Wortsinn ist.
Stephan: Die CD
erscheint als Doppelalbum. Auf CD 1 wird die Geschichte, die in vier Teilen
erzählt wird, in deutscher Sprache geboten, während sie auf CD 2 in Englisch
vorgetragen wird. Warum diese zweisprachige Version? Wird sie als DoppelCD
nur in der Erstauflage erscheinen?
Flaming Bess: Ja,
diese Version ist streng limitiert auf 600 Exemplare - d.h. man sollte sich
beeilen - es handelt sich um eine echte Rarität. Die Idee, die CD
zweisprachig zu produzieren kam uns durch die Tatsache, dass Flaming Bess
auch in UK und in USA eine eingesessene und treue Fangemeinde hat. So haben
die Brüder Freeman beispielsweise dem deutschen Krautrock das Buch „The
Crack in the Cosmic Egg“ gewidmet, in dem u. a. auch Flaming Bess erwähnt
wird. Also lag es für uns nahe auch eine englische Version des Projektes für
diesen Markt zu produzieren. Deutsche Rockmusik hat im Ausland teilweise
einen höheren Stellenwert, als im eigenen Land. Schau Dir nur unsere
Radioprogramme an, oder die jetzt startenden Diskussionen über eine deutsche
Quote im Rundfunk. Peter Gabriel hat das, was wir hier tun mal mit der
Veröffentlichung eines deutschen Albums andersherum ausprobiert - verkauft
wurde in Deutschland aber dann doch eher die englische Version. Eigentlich
ist das unglaublich - oder?
Stephan: Gibt es
außer der gesprochenen Geschichte noch einen Unterschied zwischen den
Versionen?
Flaming Bess: Es gibt
marginale Unterschiede sowohl in den Mischungen, als auch im Mastering -
aber nichts wirklich Offensichtliches.
Stephan: Bei „Fata
Morgana“ wart ihr ein Quartett, jetzt seid ihr durch den Zugang eures
jüngsten Mitglieds Claas Reimer zum Quintett angewachsen. Wie kam es dazu?
Flaming Bess: Wir
kannten den Claas schon viele Jahre, er ist in der Düsseldorfer Drum & Bass,
Breakbeat und Technoszene übrigens kein Unbekannter. Darüber hinaus legt er
auch als DJ in diversen angesagten Düsseldorfer Locations richtig geile
Musik auf. Claas arbeitete mit Hans Wende zusammen in dessen Werbeagentur.
Irgendwann haben wir dann angefangen gemeinsam zu jammen und daraus ist dann
seine feste Bandmitgliedschaft entstanden. Ehrlich gesagt gab er uns einige
wirklich entscheidende musikalische Impulse.
Stephan:
Welchen
Einfluss hat Claas auf die neue Musik von Flaming Bess im Einzelnen
genommen?
Flaming Bess:
Nun da
ist zunächst einmal der wesentlich modernere Groove-Ansatz zu nennen, hier
war Claas und sein Kompositionsstil sicherlich der Auslöser für den neuen
Flaming Bess Sound. Die Grundideen für Kapitel 1 stammen samt und sonders
von Claas. Kapitel 2 war eher Achim's Baby und Kapitel 3 ist aus
Jam-Sessions der kompletten Band entstanden. Letztendlich sind aber alle
Stücke gemeinschaftliche Kompositionen der Band, da jeder seine Ideen
eingebracht hat. Wir sind halt ein Bandprojekt, die Summe ist größer als die
einzelnen Teile.
Stephan: Als Gäste
habt ihr nicht nur die beiden Sprecher, die die Story für meinen Geschmack
um Längen besser rüberbringen als das bei der „Fata Morgana“ der Fall war.
Warum wurden drei Sängerinnen verpflichtet?
Flaming Bess: Flaming
Bess ist und war eigentlich immer ein Bandprojekt. Wir haben bis auf die
Zeit in der wir unter „Key“ verdingt waren, immer darauf geachtet, dass die
Band der eigentliche „Star“ ist, nicht irgendein klassischer Frontmann /
oder Frontfrau. Auf „Finstere Sonne / The Black Sun“ wollten wir unbedingt
unterschiedliche „Feelings“ mit den Vocaltracks erzeugen, die zu der
Grundstimmung der jeweiligen Stücke perfekt passten. Lucy Wende's Stimme im
Song „Shelter From The Storm“ verbreitet ein eher klassisches Soul Feeling -
wenn man einen Vergleich heranziehen muss - dann am ehesten dem Song „The
Great Gig in the Sky“ von Pink Floyd, obwohl „Shelter“ ein völlig anderer
Song ist. Jenny K. verströmt ein völlig unverbrauchtes Wave- und
Rock-Feeling. Sie kann losröhren, aber gleichzeitig auch sehr sexy klingen.
Mela Halbauer ist die Frau fürs experimentelle und jazzige. Ihre Stimme hat
einerseits einen sehr naiven Touch, andererseits entwickelt sie völlig
abgedrehte und geniale neue Ideen. Dies ist am besten auf „Iganu“ unserem
Bonustrack zu hören. Wir sind sehr glücklich, dass wir drei so
außergewöhnliche und unterschiedliche Sängerinnen für „Finstere Sonne / The
Black Sun“ gewinnen konnten.
Stephan: Als weiterer
Gastmusiker ist der Japaner Tatsuya Nishiwaki zu hören. Achim, du hast mir
mal gesagt, dass du ihn im Urlaub kennen gelernt hast. Wer ist dieser
Musiker und wie kam die Zusammenarbeit zustande?
Achim: Ich habe
Tatsuya 1992 auf den Malediven kennen gelernt. Er saß mit seinem
Batteriebetriebenen Minitasten-Keyboard am Strand und spielte die
göttlichsten Sachen. Ich saß zwanzig Meter weiter mit meiner Acoustic
Gitarre und komponierte gerade „Veligandu“ für „Fata Morgana“. Wir haben
dann den ganzen Urlaub über zusammen gejammt und uns nie aus den Augen
verloren. Tatsuya ist in Japan ein gefragter Produzent und Musical Director
von diversen Livebands und lokalen Acts. Er hat schon mit sehr vielen
internationalen Größen des Musicbusiness zusammengespielt, z. B. mit Lenny
White von Return to Forever, oder mit Richard Marx. Als er im Jahr 2003 und
2004 auf der Frankfurter Musikmesse den von ihm mitentwickelten V-Synth für
Roland vorstellte, haben wir die Gelegenheit genutzt und sind ins Studio
gegangen. So kam es zu seinen Beiträgen auf „Battle of Dig“ und „Silent
Melodies“. Für mich ist Tatsuya Nishiwaki einer der genialsten Keyboarder
und Musiker weltweit. Es gibt kaum ein Instrument, das er nicht beherrscht,
egal ob es Tasten, Saiten, Felle hat, oder ob es eine Mundharmonika ist.
Stephan: Die CD wird
mit dem Bonustitel „Iganu“ abgeschlossen. Dieser Song passt mit seinem Latin
angehauchten Stil so gar nicht ins Gesamtkonzept. Wie kam es zu dem Bonus
und warum ist er kommerzieller gehalten als der Rest?
Flaming Bess: Nun,
wenn Du so willst ist „Iganu“ der Abschluss der Story nach dem Happy End in
„A New Dawn/ Ein Neuer Tag“. Flaming Bess feiert mit Arkana und den
Gefährten die Vertreibung der dunklen Sonne. Davon abgesehen wollten wir
zumindest einen potentiell radiotauglichen Song auf der CD haben, etwas das
nicht nur in „special interest“ Programmen, sondern auf allen Sendern laufen
könnte. Es ist immer noch Flaming Bess-Musik mit schönen abgedrehten Ideen -
hat aber durchaus Singlepotential.
Stephan: Wie sehen
eure weiteren Pläne aus? Wird es auch mal Flaming Bess live geben?
Flaming Bess: Es wird
irgendwann im Frühjahr zunächst einmal eine Releaseparty für unsere
treuesten Fans, Presse, Rundfunk, Vertriebe und Labels stattfinden. Ob es
Flaming Bess live geben wird hängt stark davon ab, welche finanziellen
Mittel uns zur Verfügung stehen - Touren machen zwar sehr viel Spaß, da man
Reaktionen auf die eigene Musik sicherlich nicht direkter bekommen kann,
sind aber auch extrem teuer. Außerdem freut sich die Band nun auf die
kreative Phase beim komponieren der nächsten Flaming Bess-CD, die irgendwann
im zweiten Quartal nach Abschluss der Promotionaktivitäten für „Finstere
Sonne / The Black Sun“ starten werden; sozusagen unsere nächsten
musikalischen Baby's.
Stephan Schelle,
Januar 2005
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