Achim Reichel's A.R. & Machines
(Konzerthaus Dortmund, 12.04.2018)


    

Wer den Namen Achim Reichel hört, der denkt meist an seine große Hits wie „Aloha Heja He“, „Der Spieler“ oder „Kuddel Daddel Du“. Vielleicht erinnern sich einige auch noch seine Phase, in der er Shantys in Rockmusik kleidete und dass er lange Mitglied der deutschen Band The Rattles war. Wer sich noch ein bisschen besser auskennt, der weiß auch das er 1968 die Band Wonderland gründete, in der auch ein gewisser Les Humphries (später Kopf der Les Humphries  Singers) Mitglied war. Die wenigsten Musikfreunde werden aber seine psychedelische Phase kennen, in der er unter dem Pseudonym A.R. & Machines in den 70’er Jahren sechs Alben veröffentlichte.

    

Gegen Anfang 1970 hatte sich Achim Reichel ein Akai X-330D Bandgerät gekauft und stöpselte eines Abends seine Gibson Firebird-Gitarre in das Gerät. Er hatte eine Melodiefolge im Kopf, die er nicht vergessen und sie daher aufnehmen wollte. Während er eine Hand am Griffbrett seiner Gitarre hatte, fingerte er mit der anderen am Bandgerät herum und betätigte einen Knopf am Gerät um die Aufnahme abzuspielen. Plötzlich hörte er, nachdem die aufgenommene Passage zu Ende war, eine exakte Wiederholung der von ihm gespielten Sequenz. Achim hatte das Gefühl sich wiederholende Echos seiner eingespielten Sequenz zu hören. Diese nutzte er dann um weitere Takes dazu zu spielen. Er hatte damit eine Loopsequenz erstellt, ohne zu wissen wie es ging und noch bevor andere Musiker mit diesem Stilmittel arbeiteten bzw. experimentierten. Das war der Beginn von A.R. & Machines.

    

    

Achim nahm insgesamt sechs Alben zwischen 1970 und 1974 zusammen mit weiteren Musikern als A.R. & Machines auf (unter anderem wirkten musikalisch Dicky Tarrach, Hans Lampe, Frank Dostal und Conny Plank mit). Die Alben sind seit Jahren vergriffen und nur für teures Geld auf Plattenbörsen oder im Internet zu erstehen.

                       

Viele Jahre tat Achim diese musikalische Phase als Jugendsünde ab und wollte nichts mehr davon wissen. Doch dem Internet sei Dank, wurde er von zahlreichen Musikfreunden auf der ganzen Welt, vor allem von Fans aus England und Japan, nach dem Material gefragt und so kramte Achim nicht nur in seinen Erinnerungen, sondern auch in seinen musikalischen Archiven. Das Ergebnis war dann eine 10 CDs umfassende Box unter dem Titel „The Art Of German Psychedelic“, die alle Alben sowie weiteres, umfangreiches, bisher unveröffentlichtes Bonusmaterial enthielt. Diese erschien im Jahr 2017.

    

Es kam dann am 15.09.2017 zu einem Auftritt in der Hamburger Elbphilharmonie, der ein großer Erfolg war. Das bewegte Achim dazu, noch weitere Konzerte zu spielen und so trat er mit seinem Projekt A.R & Machines am 12.04.2018 live im Dortmunder Konzerthaus auf, das hierfür eine würdige Location darstellt, denn sowohl der Saal als auch die Akustik ist hervorragend.

    

Schon beim Betreten des Konzerthauses war zu erkennen, dass an diesem Abend vorwiegend Musikfreunde des gesetzten Alters das Publikum ausmachen, denn der Altersdurchschnitt wird bei ca. 60 Jahren gelegen haben. Das zeugt aber auch vom Musikverständnis der Besucher, die wussten, dass an diesem Abend keine Gassenhauer auf dem Programm standen sondern eher psychedelische Sounds der Extraklasse.

    

Pünktlich um 20 Uhr begann das Konzert in dem Achim Reichel (Gitarre, Elektronik), Nils Hoffmann (Keyboard, Gitarre, Elektronik), Achim Rafain (Bass), Olaf Casalich (Perkussion) und Yogi Jockusch (Perkussion) die Bühne betraten und sich in einem Halbkreis formierten. Dann richtete Achim zunächst einige Worte an die Zuschauer, in dem er ihnen erklärte, wie damals alles mit der Akai X-330D Bandmaschine anfing - ein Exemplar stand mitten vor den Musikern dekorativ auf der Bühne. Größen wie Brian Eno feierten ihn damals als Erfinder des Loops.

    

Dann legten Achim und Band los und starteten in ein Set das von treibenden Beats, elektronischen Klängen, organischen Perkussion, hypnotischen und rockigen Gitarrenlicks durchzogen war. Dabei klang die Musik streckenweise auch wie der Sound, den Manuel Göttsching mit Ashra bzw. Ash Ra Tempel live spielt. Die Stücke hatten einen unglaublichen Groove was vor allem durch die aus dem Rechner kommenden, teils pumpenden Beats hervorgerufen wurde. Der Einsatz von zwei Perkussionisten verlieh dem Ganzen darüber hinaus eine organische Note.

    

Die Stücke durchzogen aber auch immer Harmonien, so dass die Musik nicht verkopft wirkte sondern eine hypnotische Ausstrahlung hatte, in die man als Zuschauer unweigerlich hineingezogen wurde. Dazu wurden grafische Elemente, die auf einer aus 30 Quadraten bestehenden Leinwand im Hintergrund projiziert wurden sowie eine dezente Lightshow eingesetzt und rückten das musikalische Programm ins rechte Licht. Das war sehr ansprechend gemacht.

    

Das Set, bei dem Achim nur an wenigen Stellen die Titel ansprach wie z.B. „Echo Boogie“, „This Is Your Wake Up Call“ oder „Schiwago Shankar“, bestand auch aus Titeln der „Grünen Reise“, die in ein modernes Gewand gekleidet wurden. So kamen in einem Stück tribalartige Rhythmen auf, die den Eindruck erweckten, als würden uns Achim und seine Mitstreiter direkt mitten in den Dschungel entführen.

     

Achim spielte auf seiner Gitarre die unterschiedlichsten Elemente, die mal psychedelisch, rockig, ambient, rhythmisch, funkig und sogar Reggae-like klangen. Dabei unterstützten er und Nils Hoffmann sich an den Gitarren perfekt. Aber es kamen auch einige Sounds aus dem Rechner und vervollständigten so das Gesamtbild.

    

Die fünf Musiker hatten so richtig Spaß bei ihrem Gig, allen voran Achim Reichel selbst, denn sie schienen sich in ihre Klanglandschaften und den treibenden Rhythmen förmlich zu verlieren und mit ihnen zu verschmelzen. Während eines Stückes legten die beiden Perkussionisten Yogi Jockusch und Olaf Casalich ein tolles Solo hin, bei dem sie an ihren Instrumenten eine Konversation eingingen, bei der jeder auf den jeweils anderen rhythmisch zu antworten schien. Achim Reichel legte währenddessen bei diesem Solo ein kleines Tänzchen ein, was den Spaß am Gig und der Musik deutlich machte.

     

Das Stück „Schiwago Shankar“ ist, laut Achim eine Mischung aus Musik des Films „Dr. Schiwago“ und des indischen Sitarvirtuosen Ravi Shankar, den Achim Reichel, wie er selbst sagte, sehr verehrt. In diesem Stück drehten die Musiker dann die Rhythmusschraube etwas herunter. Dieses sehr atmosphärische Stück verzierte Achim dann mit Sitarklängen sowie Reggae-Elementen an der E-Gitarre während die Rhythmussektion weitere ethnisch/arabische Elemente einbaute.

    

Auf der 10CD-Box „The Art Of German Psychedelic“ hat an den beiden Bonus-CDs „Pieces For Guitar And Echo Chamber“ und „Virtual Journey“ Nils Hoffmann mitgewirkt, der den Stücken in den Remixen sowie dem aktuellen Livesound einige Impulse hinzugefügt zu haben scheint. Mit den treibenden elektronischen Beats hat er die Musik aus den 70’er Jahren in die heutige Zeit transformiert. Dieser Eindruck wurde dadurch verstärkt, das Nils während des Konzertes mehrfach Signale für Einsätze oder die Beendigung von Sequenzen gab.

    

    

Nach gut 75 Minuten verließen Achim und seine Mitstreiter dann die Bühne, um kurz darauf für eine 15minütige Zugabe zurückzukommen. In dieser Zugabe waren dann auch deutlich loopartige Gitarrenparts zu vernehmen die zusätzlich mit Echoeffekten ausgestatte waren. Zum Abschluss erhielten Achim & Co. dann Standing Ovations. Es zeigte sich, dass Achim Reichel’s A.R. & Machines durch die Transformation der psychedelischen Sounds unter Zuhilfenahme moderner Klänge und Rhythmen ins Hier und Jetzt sehr gut beim Publikum ankam.

    

Achim Reichel’s A.R. & Machines war ein unglaubliches Klangerlebnis, das von Soundexperimenten, treibenden Beats und Rhythmen sowie herrlichen Harmonien durchzogen war.

    

Stephan Schelle, April 2018