Thomas Glönkler - Goldstadt

Thomas Glönkler - Goldstadt
quixote music / www.Weltenblau.de (2010)
(15 Stücke, 63:24 Minuten Spielzeit)

Der deutsche Musiker Thomas Glönkler hat neben Veröffentlichungen mit der Band ICU auch bereits ein Soloalbum herausgebracht („Auszeit“). Mit „Goldstadt“ legt der 39jährige, der im Hauptberuf Pädagoge ist, ein Konzeptalbum vor, das eine Mixtur aus Art-, Progressive und Krautrock mit klassischen Tupfern darstellt. Mit diesem Album betrete ich Neuland, denn bisher waren mir die Veröffentlichungen von Thomas und seiner Band nicht bekannt.


Thomas hat aufgrund seines Alters den 2. Weltkrieg zwar nicht miterlebt, doch lassen ihn die noch ersichtlichen Male dieser schrecklichen Zeit nicht los, denn die Versehrtheit der Städtelandschaft, die Auswirkungen des Krieges sind, waren ihm immer schmerzhaft bewusst, vor allem wenn er durch Pforzheim ging.  Und so verarbeitete er dieses Thema musikalisch im Album „Goldstadt“. Dabei geht Thomas aber nicht vorwurfsvoll mit dem Thema ins Gericht sondern verarbeitet es nachdenklich, erstaunt und mit einem Gefühl von Traurigkeit.

Thomas schreibt im Booklet: „Jedes Jahr am Abend des 23. Februar läuten in der Stadt Pforzheim für 20 Minuten die Kirchenglocken der Stadt. Sie erinnern damit an den alliierten Luftangriff, der die Stadt an eben diesem Tag im Jahre 1945 traf. Es war ein für die Jahreszeit warmer Tag. In den Gärten der Friedensstraße blühte bereits der erste Flieder. 369 Flugzeuge der Royal Air Force flogen am Abend einen der präzisesten Luftangriffe des 2. Weltkriegs und machten Pforzheim in nur 17 Minuten zu einem flammenden Inferno. Diese CD handelt von Pforzheim, einer Stadt, deren Menschen in einer Nacht vor 65 Jahren die Hölle auf Erden erlebten.“

In 15 Teilabschnitten beschreibt Thomas, der Gitarren, Bass und Keyboards bei dieser Produktion eingespielt hat, das grauenhafte Geschehen, über das er lange Zeit recherchiert hat, was die lange Produktionszeit von vier Jahren erklärt. Als Mitstreiter hat er sich Ralf Großmann (Gesang), Patrick Fiedler (Schlagzeug) und Eva-Maria Baumann (Flöte) hinzugeholt. Als weitere Gäste wirken Christoph Wieland (er hat bei zwei Stücken ein Gitarrensolo beigesteuert), Elias Baumann (Röhrenglocke) und als Zeitzeuge Karl Baumann mit.

Die CD ist dramaturgisch gut aufgebaut, fängt sie doch in den ersten beiden kurzen Stücken (beginnend mit einem melancholischen, klassischen „Intro“) eine eher friedvolle und unschuldige Szenerie ein. Das wird besonders in „Fliederblütenduft (Teil 1)“ deutlich. In diesem ersten Song kommt Ralf’s Stimme sehr gut rüber, was in einigen der anderen Stücke leider nicht ganz so überzeugend wirkt, da hätte ich mir eine kräftigere bzw. ausdrucksstärkere Stimme gewünscht. Das ist aber auch das einzige Manko des Albums.

Nach diesem kurzen Einstieg kommt mit dem 17minütigen „Inferno (Wo der Tod das Leben sucht)“ dann bereits eines der zentralen Stücke des Albums. Mit einem dröhnenden Synthie, der stimmungsmäßig die nahenden Bomber darzustellen scheint, beginnt dieser Longtrack, der die ganze Gewalt des Angriffes und auch die Hilflosigkeit der Menschen gut einfängt. Nach wenigen Momenten schildert Karl Baumann, ein Zeitzeuge, seine Kriegseindrücke von damals. Durch diverse Geräusche, wie Sirenen (dazu stehen sanfte Akustikgitarren im krassen Gegensatz), wird diese bedrückende Stimmung noch verstärkt. Musikalisch werden unterschiedliche Melodien, Rhythmen und Stimmungsbilder geboten. Ralf’s Gesang sowie einige musikalische Passagen erinnern mich dabei ein wenig an Krautrock der Marke Novalis.

Neben den gesungenen Stücken gibt es aber auch noch eine ganze Reihe an Instrumentalstücken, die Thomas sehr stimmungsvoll angelegt hat. Mal geht er nur mit Piano, wie in „Abgeräumt“ ans Werk, dann streut  er eine verträumte Nummer aus Keyboard, Gitarre und Perkussion wie in „Ödland“ ein, die auf eine Weise melancholisch und doch warm klingt. Weitere Eindrücke schildert Karl Baumann dann noch in „Spuren“, einem Instrumental, bei dem es dann um das Bild, das sich den Menschen nach dem Angriff bot, geht. Mit „Fliederblütenduft (Teil 2)“ nimmt Thomas den Faden vom ersten Teil auf und in „194 – 200“ wird quasi ein Vergleich des Stadtbildes in den 40’er Jahren zu heutigen Aussehen (inklusive seiner verbliebenen Narben) gezogen. Und mit den gleichen zarten Melodien, mit denen das Album begann, lässt Thomas es im abschließenden „Requiem“ enden.

Die CD, die im Jewelcase ausgeliefert wird, enthält ein zwölfseitiges Booklet, in dem alle Texte abgedruckt und Archivbilder aus der Zeit nach dem Bombenangriff zu sehen sind. Das ist sehr stimmungsvoll aufbereitet worden und rundet das Gesamtbild ab.

Dass ein Konzeptalbum in deutscher Sprache und mit sehr ernstem Hintergrund funktionieren kann, das beweist Thomas Glönkler auf dem Album „Goldstadt“ in eindrucksvoller Weise. Ein sehr gutes Album das man nicht nur wegen der Musik unterstützen sollte, sondern auch wegen der schrecklichen Ereignisse (ohne Anklage an irgendeine Seite), die wir nicht vergessen dürfen, in jede gute Plattensammlung gehört.

Stephan Schelle, April 2010

   

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