The Radio - Live In Haldern 1985 & 1986
Sireena Records / Broken Silence (2022)
(14 Stücke, 54:35 Minuten Spielzeit)

The Radio wurde im Jahr 1981 von Jennifer Kowa, Win Kowa und Jürgen Blömke gegründet. Die Konstante der Band war das Ehepaar Kowa, das mit wechselnden Besetzungen noch bis ca. 1986 unter dem Bandnamen spielte. Eine EP unter dem Titel „The Radio active“ mit sechs Stücken sowie die Single „Life Is A Game Of Art“ wurden 1983 veröffentlicht. Sireena Records hat mit „Live in Haldern 1985 & 1986“ einen Schatz gehoben, der am 14.10.2022 erscheinen wird. 


Jennifer Kowa, geboren in Frankfurt am Main steht bereits mit 13 Jahren auf der Bühne. Sie pendelt zwischen London, der Heimatstadt ihrer Mutter und Frankfurt am Main. 1973 ist sie Gründungsmitglied der deutschen Band Octopus (damals Jennifer Hensel, verheiratet mit dem Gitarristen Pit Hensel). Mit Octopus spielt sie 3 viel beachtete Alben für Sky Records ein. Insgesamt sieben Jahre hält sie der Band die Treue, obwohl mehrere internationale Acts versuchen, Jennifer abzuwerben. Viele Journalisten sind begeistert von der Performance und der Stimme von Jennifer und zählen sie schon früh zu den besten Sängerinnen Deutschlands. Jennifer war Endorser für Sennheiser, Roland Bass Synthesizer, Paiste und Slapper-Bässe.

Winfried „Win“ Kowa, ist gebürtiger Düsseldorfer. Er gründet zusammen mit seinen Freunden, dem Künstler Klaas K. und Ralf Benninghaus, heute Europa Sales Manager der Cordoba Music Group, 1972 die Band Zoom. Der erste große Auftritt findet im Rahmen einer Vernissage mit Joseph Beuys statt, bei der Zoom ihre avantgardistische, elektronische Jazz-Musik präsentiert. 1976 wechselt er erst zu Straight Shooter und 1977 zu Streetmark, mit denen er eine Deutschland-Tour spielt, um dann 1978 bei Octopus einzusteigen. Er war Endorser für den Gitarrensynthesizer GR-700 von Roland, nachdem ihn Ikutaro Kakehashi persönlich gebeten hat, seine Produkte zu promoten.

Ein Highlight für The Radio war neben vielen großen Festivals mit Joe Cocker, Eric Burdon, Mother’s Finest etc. ein Auftritt beim 2. Haldern Pop Festival 1985, der zur Folge hatte, das die Band Headliner beim 3. Haldern Pop Festival 1986 wurde. Die beiden Konzerte wurden damals mitgeschnitten und Auszüge davon sind auf „Live in Haldern 1985 & 1986“ zu finden. Das Konzert beim Haldern Pop Festival am 03.08.1985 wurde von Kurt Mitzkatis, 1. Vorsitzender von German Rock e.V. auf S-VHS und Kunstkopf aufgenommen. Das Konzert von 1986 wurde von Wolfgang „Schabbach“ Neumann direkt vom FOH-Mischpult plus 2 Mikrofonen im Publikum aufgenommen.

Die CD beginnt mit sieben Stücken vom 1986’er Konzert, gefolgt von vier Stücken des 1985’er Auftritts sowie drei Studiotracks. Die Musik von The Radio bestand aus einer Mischung aus straightem Rock, NDW, Elektronik, britischem Gitarren-Pop der 80er und Neo-Prog. Das war eine äußerst gelungene Mischung und hätte in den 80’ern richtig Erfolg haben können. The Radio spielten die beiden Konzerte als Trio in der Besetzung Jennifer Kowa (Gesang, Bass, Keyboards), Win Kowa (Gitarrensynthesizer, Keyboards, Moog Taurus Pedal), 1985 Wolfgang „Mu“ (Simmons Schlagzeug) und 1986 Romano Cunsolo (Dynacord ADD, Simmons Schlagzeug).

Der Mitschnitt beginnt mit dem zweiminütigen, sehr atmosphärischen, proggigen Intro „Opening“, das dann nahtlos in den ersten Song, dem 3:45minütigen „Dance“ übergeht. Der Song hat Melodie und geht richtig gut los, enthält aber auch die typischen 80’er Jahre Sounds (inkl. Schlagzeug). Das tut dem guten Eindruck aber keinen Abbruch.

„Hold Me“ glänzt durch tolle, geschmeidige Gitarrenparts (erinnern u. a. an Marillion), eingängige Keyboardmelodien und Jennifers kräftige Stimme. „Icebox“ ist ein Rocksong im 80’er Popgewand.

Klanglich fügen sich die Stück von 1985 perfekt an die 86’er Aufnahmen, so dass kein Bruch entsteht. Das Stück „Winners & Loosers“ klingt wie eine poppige Variante von Grobschnitt & Co. und „Money“ geht richtig ab. Das Fachblatt Musik Magazin schrieb 1983: Der meiner Meinung stärkste Titel heißt Money. Da geht’s richtig los. Bleibt nur zu hoffen, daß The Radio mit Active auch ein wenig Money machen. Verdient hätten sie es. Das scheint aber nicht geklappt zu haben, da sie unter dem Radar flogen.

Das letzte Livestück ist der fast sechsminütige Song „New York“, der nochmal die beste Seite der Band nach vorne kehrt. Ein knarziger Bass, Jennifers Stimme, dezentes Schlagwerk und wundervolle Gitarrenlicks und -harmonien bzw. -melodien sorgen für Gänsehaut.

Da hier nur zwei Stücke der EP und ein Stück von der Single gespielt wurden, ist zu hoffen, dass noch Studioaufnahmen vorhanden sind und diese ebenfalls auf CD gebannt werden.

Es gibt als Bonus aber noch drei Studiotracks, die es Besetzungstechnisch in sich haben. Neben Jennifer (Gesang) und Win (Gitarrensynthesizer, Keyboards) sind mit Hellmut Hattler (Bass, Fretless Bass) und Fritz Randow (Schlagzeug) zwei echte Größen des deutschen Rock mit dabei. Die Drei spielen Versionen von „Hold Me“, „Red Light Sister“ (beide auch im Liveset vorhanden) sowie „Summertime“, das nur in dieser Studiofassung vorliegt.

„Live in Haldern 1985 & 1986“ zeigt eine spielfreudige und frische Band, die nur so vor Elan strotzt. Es gibt keinen Ausfall auf dem Album. Das macht richtig Spaß und man kann kaum glauben dass sie damit keinen nennwerten Erfolg hatten. Umso schöner ist es, dass Sireena Records nun diesen Livemitschnitt veröffentlicht.

Stephan Schelle, Oktober 2022

   

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