The Perc – Koto Funk
Tribal Stomp Records / Cargo Records (2016)
(8 Stücke, 35:39 Minuten Spielzeit)

Es ist doch erstaunlich, dass manche Dinge, die lange verschollen galten, durch Zufall das Licht der Welt erneut erblicken, wenn man es gar nicht erwartet. So ähnlich muss es Tom Redecker ergangen sein. Aufnahmen die The Perc aka Tom Redecker Mitte der 90’er Jahre für eine Theaterproduktion begonnen hatte, verschwanden im Archiv und wurden von ihm Ende 2016 bei Recherche-Arbeiten wiederentdeckt und erscheinen am 10.03.2017 auf der CD „Koto Funk“.


Zur Historie: Im Jahr 1995 hatten The Perc Meets The Hidden Gentleman, das waren Tom Redecker und Emilio Winschetti, die Musik zu einer Theaterinszenierung von Peter Turrini’s „Die Schlacht um Wien“, die vom Regisseur Günther Gerstner am Staatstheater Stuttgart inszeniert wurde, erstellt. Gerstner war von ihrem Beitrag so angetan, dass er sie für seine nächste Produktion, der Umsetzung von Rainald Goetz’ Werk „Festung“ erneut verpflichten wollte. Nachdem Tom Redecker das Skript bekam, begann er umgehend mit der Ideensammlung für die Musik zu dem Stück.

Den Entwurf des Titels „Birth To The Day“ spielte Redecker allein am Synthesizer ein, dieser sollte später im Studio von Gastmusikern zu Ende entwickelt werden. Auch fünf weitere Titel existierten bereits als experimentelle Industrial/Punk-Versionen und waren geplant als Grundlage für Neueinspielungen, die dann Bestandteil der Theatermusik werden sollten. Dazu kam es jedoch leider nicht mehr, da das ganze Projekt abgesagt wurde.

Als Tom dann Ende 2016 die Aufnahme von „Birth To The Day“ im Archiv wiederentdeckte, kamen die Erinnerungen an das abgesagte Theaterprojekt wieder hoch und er kam zu der Erkenntnis, das Stück zusammen mit den anderen fünf alten Tracks auf einem Album zu veröffentlichen. Vervollständigt wurden die Stücke dann noch vom Single-Edit des Stückes „Head In The Air“ und dem Track „Cuppa Mocha“, die bisher nur auf einer gleichnamigen, längst vergriffenen Vinylsingle herausgekommen sind. Verpackt ist die CD in einem sechsseitigen Papersleeve.

Mit Ausnahme von „Flesh & Blood Society“ (8:33 Minuten) befinden sich kürzere Stücke mit Laufzeiten zwischen 2:39 und 4:35 Minuten auf dem Album.

Leich spacig beginnt es mit „Whaler“, das zunächst von ruhigen Syntie-Harmonien bestimmt wird. Nach gut anderthalb Minuten setzt dann ein Rhythmus aus dem Drumcomputer ein und der Track gewinnt an Fahrt. Aufgrund der minimalistischen Klänge, die an die 80’er Jahre erinnern und leicht punkig wirken, strahlt das Stück einen gewissen Charme aus.

Ganz anders zeigt sich „Head In The Air“, das mit Akustikgitarre beginnt und später in einen rockigen Part übergeht. Hier kommt Feeling im Stile von Tom’s Band The Electric Family auf. Ein sehr schöner Rocksong mit herrlicher Gitarre, der leicht proggig klingt. „Flesh & Blood Society“ ist dagegen wieder sehr Synthielastig und klingt leicht verschroben und nostalgisch experimentell. Das erinnert mich so ein bisschen an Computerspiele in den 80’ern, garniert mit einer Mixtur aus Elektronikmusik und Punk. Da wird ganz schön an den elektronischen Geräten gelärmt.

„Heartbeat“ klingt wie in einer alten Industrieanlage aufgenommen. Sehr rhythmisch zeigt sich der Track und bietet Industrial ohne Melodien. Sehr rhythmisch und fast tanzbar zeigt sich dann das Titelstück. Auch hier gibt es eine Spur Punk vermischt mit Wave, Electropop, Industrial und NDW. Zum Ende hin wird es dann recht ekstatisch. „Cuppa Mocha“, der zweite Track von der vergriffenen Single, bietet dann wieder Rock der Marke The Electric Family.

Mit dem leicht verstörenden „Dwarf“ (Punk/Industrial/Noise-Mix) und dem durch die Orgel leicht sakralen, sehr schönen „Birth To The Day“ endet dann die CD.

Tom Redecker alias The Perc zeigt sich auf „Koto Funk“ von einer eher experimentellen Seite, bei der er Punk und Industrial mit weiteren musikalischen Ingredienzien vermischt. Neben den sechs Theatermusiken gibt es aber auch noch zwei Stücke, die an The Electric Family erinnern. Vor dem Kauf sollte man zunächst Probehören.

Stephan Schelle, Januar 2017

   

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