Tassenschrank – Vom Erfolg verfolgt
Pretty Noice Records / Edel (2022)
(13 Stücke, 42:07 Minuten Spielzeit)

Die Schweizer Band Tassenschrank bezeichnet sich selbst als „irrste Band Europas“. Doch wie irr kann eine Band sein, die aus einem studierten Psychologen und vier studierten Musikern besteht? Pascal Hiltbrand, Sänger der Band, ist vielen Schweizern durch sein aberwitziges Duo „Hi Jo“ bereits ein Begriff. Der Sound der Band ist eingängig und trotzdem originell. Irgendwo zwischen Funk, Punk, Urban Metal und Balladen, mit Texten, die auch von Element of Crime stammen könnten.


„Vom Erfolg verfolgt“ ist das Debütalbum von Tassenschrank und erschien bereits am 22.02.2022. Musikalisch wollen die Songs - obwohl das Cover recht punkig aussieht - nicht wirklich in eine Schublade passen. Die Band besteht aus Pascal Hitlbrand (Gesang), Anton Brüschweiler (Gitarre), Ueli Kempter (Keyboards), Andreas Aeberhard (Bass) und Dustin Persson (Schlagzeug). Die 13 Songs des Albums bewegen sich zwischen 2:04 und 5:27 Minuten Spielzeit.

Hier zunächst die sehr humorvolle Bandbiografie:

Der Songwriter, Gitarrist und Schriftsteller Anton Brüschweiler ist anfangs 2020 wie wir alle im Lockdown. Er verschanzt sich nur mit seinem Notizheft und seiner Gitarre monatelang in einem Kellerloch ohne Tageslicht und beginnt Songs zu komponieren. Er gerät in einen Sog der Kreativität, rutscht in eine noch nie dagewesene Kompositionsmanie. Doch die monatelange, pausenlose Arbeit im fensterlosen Raum nagt stark an Anton’s psychischer Gesundheit. Er bringt kein Wort mehr über die Lippen und hat seine Identität verloren – er hat nicht mehr alle Tassen im Schrank. Deshalb ist er beim Psychologen Pascal Hiltbrand in Behandlung. Während einer Therapiesitzung zeigt Hiltbrand Interesse an Anton’s Songs und bietet ihm an, da Anton nicht mehr sprechen, geschweige denn singen kann, die Songs selbst zu performen. Zusammen mit dem genialen Keyboarder Ueli Kempter, Dustin Persson an den Drums und Andreas Aeberhard am Bass entsteht dann „Tassenschrank“ - die irrste Band Europas.

Von albernem, pubertärem Humor, bis hin zu wirklich tiefgründigen und poetischen Zeilen, von Klavier begleiteter Rock/Pop Ballade, bis hin zu jazzig-funky-esken Gitarrensoli, wer sich mit Musik beschäftigt, wird egal welche Musikrichtung er präferiert, mit dieser Platte definitiv seinen Spaß haben. Tassenschrank experimentieren mit Grenzen, loten aus was geht und nehmen sich selbst dabei nicht ernst – was nicht heißt, dass man nicht durchaus auch ernstere Töne auf der Platte findet.

Da mir die Texte nicht vorliegen, kann ich aufgrund des oft recht schwer zu verstehenden Textes keine Aussagen dazu machen. Recht funky geht es im ersten 4:12minütigen Song „Chicken“ zu. Im Mittelteil wird es dann auch ein bisschen schräg und auch verrückt, was aber gut ins Gesamtkonzept passt. Im letzten Drittel werden dann noch sphärisch/elektronische Elemente mit eingebaut. Scratching wird dann im nächsten Song, dem 2:43minütigen „Zwei Gesichter“ mit rockigen Schlagzeug, Gitarreneinschüben und fettem Basslauf vermischt. Dazu singt Pascal in einer sehr ruhigen Form, was einen außergewöhnlichen Mix darstellt.

Jazzig/rockig, mit einer Spur überdrehtem Witz, geht es dann in dem Dreiminüter „Ich habe Geld“ zu. Hier schreit Pascal den Text förmlich raus. Mit treibendem Schlagwerk und minimalistischen Elektroniksounds, die ein wenig an Kraftwerk erinnern, starten Tassenschrank dann in den Song „Fieberschuebe“. Ein ungewöhnlicher aber fesselnder, perkussiver Song. Funky mit leichtem Punkfeeling wird es dann wieder im Titelsong. Richtig funky geht es in „Sex“ zu. Das Album endet mit einer leicht bluesigen Gitarrenballade, dem 5:27minütigen „Der Wald“.

Tassenschrank liefern auf ihrem Debüt „Vom Erfolg verfolgt“ eine sehr abwechslungsreiche Mischung verschiedenster Musikstile ab. Dabei zeigt Sänger Pascal Hitlbrand sehr vielfältige Stimmlagen, die er je nach Situation im Song verändert. Ein Scheibe die Spaß macht.

Stephan Schelle, März 2022

   

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