Syrinx Call - Mirrorneuron
Flat Earth Music / Timezone(2020)
(14 Stücke, 62:19 Minuten Spielzeit)

„Mirrorneuron“ ist das dritte Album des Musikprojektes um Volker Kuinke (Sopranino-, Sopran-, Alt-, Tenor-, Bass- und Großbassflöte, Gesang), zu dem noch Jens Lueck (Keyboards, Piano, Percussion, Schlagzeug, Gesang), Isgaard (Gesang) und Doris Packbiers (Gesang) gehören. Volker Kuinke sollte den Freunden deutscher Rockmusik ein Begriff sein, gehörte er doch zur deutschen Rockband Eloy. Das Album erscheint am 29.01.2021 in einem vierseitigen Papersleeve mit 20seitiigem Booklet.

 

Fans von Eloy sollten ein besonderes Augenmerk auf dieses Album legen, konnte Volker doch mit Frank Bornemann (E-Gitarre), Klaus-Peter Matziol (Bass-Gitarre) und Hannes Arkona (Akustik- und E-Gitarre, Keyboards) drei weitere Eloy’er für seine drittes Album als Gäste gewinnen. Darüber hinaus waren noch als weitere Gäste Jürgen Osuchowski (6- und 12-saitige Akustikgitarre), Katja Flintsch (Violine und Viola), Annika Stolze (Violoncello) ex-Sylvan-Gitarrist Jan Petersen (E-Gitarre), Georg Gresimon (Bass-Gitarre), Babis Nikou (E-Gitarre, Langhalslaute) sowie Monika Lewis, Shaun Geraghty, Kai Ritter, John Turner (Stimmen) beteiligt.

„Mirrorneuron“ erzählt die Geschichte einer Künstlichen Intelligenz namens Kai, die den Auftrag hat, in der Arktis nach Öl zu bohren. Bei der Berechnung von Nachhaltigkeit stellt Kai jedoch Widersprüche und Dissonanzen zwischen Theorie und Praxis fest, was bei ihm eine schwere existenzielle Krise auslöst. Die Psychotherapeutin Mara soll den humanoiden Roboter wieder in die Spur bringen, jedoch entgegen aller Erwartungen rührt Kai etwas in ihr an. Sie erfährt zum ersten Mal tiefes Mitgefühl, wovon sie feststellen musste, dass sie es bisher in ihrem perfekt organisierten Leben kaum kannte. Aber auch Kai selbst entwickelt eine Funktion, die ihn befähigt, sich in Mara hineinzuversetzen. Diese Fähigkeit schreibt man den Spiegelneuronen, englisch: mirror neuron, zu. Diese Nervenzellen im Gehirn machen uns Menschen zum emphatischen Wesen, indem wir das Erleben anderer nachempfinden können.

Leitmotiv dieser Geschichte ist eine bestimmte Akkordverbindung, die mit „Bit By Bit“ beginnt, sich durch fast alle Stücke zieht und in ein weiteres Album führen soll. Die musikalische Wegstrecke dorthin füllt sich mal mit sphärischen und orchestralen Klängen, mal mit choraler Begleitung oder treibend-dynamischen Rhythmen, ist aber auch verspielt oder melancholisch – hier ein zerbrechlicher Gesang, da eine gezupfte Konzertgitarre, dann wieder ein harter Rockriff. Fast durchweg eingängige Melodien zwischen Folk, Melodic Rock, Progressive und Weltmusik.

Mit der 5:29minütigen Ouvertüre „Bit By Bit“ startet das Album. Es beginnt mit einem Pianomotiv zu düsteren Untergrundsounds, doch schnell entwickelt sich ein knackiger Rocksound, bei dem in weiten Teilen die Flöte im Vordergrund steht. Sobald dann der Gesang von Jens Lueck aufkommt wird es sehr proggig und bietet frühes Genesisfeeling.

Das 4:59minütige „Deceptive Illusion“ schließt nahtlos an. Bestimmt wird dieser sehr melodische Neo-Prog-Song von einer markanten Basslinie von Volker’s Eloy-Kollegen Klaus-Peter Matziol und Doris wunderbarem Gesang. Volker setzt aber immer wieder mit seinem Flötenspiel Akzente, die der Musik ein Alleinstellungsmerkmal geben.

Melancholische Töne werden dann im 4:19minütigen „The Arctic Will Die“ angeschlagen, bei dem Isgaard ihre Stimme als Instrument einbringt und sich so ein Duett mit Volker an der Flöte liefert. Ein Song der aktueller nicht sein könnte, sterben doch unsere Pole unaufhaltsam, wenn wir nicht endlich was unternehmen.

Proggig zeigt sich darauf das 6:12minütige „Breakdown“, während das sanfte, 3:13minütige „Perfect Shine“ von Doris Gesang getragen wird und auch gut auf eines ihrer Alben gepasst hätte. „Merging Influences“ ist eines von zwei Instrumentals. Piano und Flöte sowie Doris Packbiers Stimme bestimmen hier die Melodie, die von herrlichen Percussion- und Bassmotiven unterfüttert wird.

„Big Data“ ist so ein weiteres großes Thema der heutigen Zeit. Der Konzeptcharakter wird hier durch die Sprecher Shaun Geraghty, Kai Ritter und John Turner verstärkt. Diese sehr technologischen Stimmen stehen im starken Kontrast zu Isgaard’s  und Doris arienhaftem Gesang. Im vierminütigen Titelstück kommt dann Frank Bornemann mit einer unvergleichlichen Gitarrenpassage ins Spiel (Gänsehaut garantiert), die sofort an Eloy erinnert. Hannes Arkona (Gitarre) und Klaus Peter-Matziol (Bass) machen das Eloy-Quartett perfekt. Ein Stück aus der Feder von Lueck/Kuinke, das auf jedem Eloy-Album eine gute Figur machen würde.

Für den besonderen Kick im 4:41minütigen „Sweetness“ sorgt dann Babis Nikou, der dem Song mit seiner Langhalslaute ein mediterranes Flair verleiht. Das 1:16minütige letzte Stück „Silent Echoes“ hat dann Hannes Arkona beigesteuert. Ein atmosphärischer Ausklang aus diesem Album, der mit einer wunderbaren floydigen Gitarrenpassage endet. Einziger Kritikpunkt: das Stück ist einfach zu kurz. Aber vielleicht haben es Syrinx Call ja extra so aufgebaut, das es wie ein Cliffhanger für den folgenden zweiten Teil des Konzeptwerkes wirkt. Mich haben sie jedenfalls damit gepackt und kann es kaum abwarten, bis die nächste Folge ausgestrahlt wird.

Syrinx Call zeigen eine sehr positive Entwicklung mit dem Konzeptalbum „Mirrorneuron“. Es ist klar eine Weiterentwicklung festzustellen, denn mit dem Album katapultieren sie sich in die obere Etage der deutschen Artrock/Neo-Prog-Gefilde. Das Album strotzt nur so voller herrlicher Melodien und Instrumentalpassagen in denen Volker immer wieder mit seinem Flötenspiel Akzente setzt, die der Musik ein Alleinstellungsmerkmal geben. Darüber hinaus überzeugt der abwechslungsreiche Gesang den sich Jens Lueck, Isgaard und Doris Packbiers teilen. Ein tolles Album und ein musikalisches Ausrufezeichen zu Beginn des Jahres, das auch in der Etage der Eloy-Fans Beachtung finden sollte.

Stephan Schelle, Januar 2021

   

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