Sun Temple Circus - Same
Tribal Stomp Records / Cargo Records (2015)

(4 Stücke, 35:55 Minuten Spielzeit)

Der Sireena Records-Labelchef und Ex-Taras Bulba-, The Perc- und Electric Family-Mitglied Tom Redecker traf Anfang 2014 in Bremen auf seinen Weggefährten Harry Payuta (Electric Family). Beide reizte die Vorstellung zusammen wieder auf die Bühne zu gehen und dabei bekannte Stücke live neu zu entwickeln und völlig neue Songs direkt auf der Bühne entstehen zu lassen. Mit dem Dissidenten-Schlagzeuger Marlon Klein hatte Tom schon länger über ein gemeinsames Projekt nachgedacht und so war es auch kein Wunder, das er ihn für die Idee gewinnen konnte.


Ein weiterer „alter Bekannter“ aus Electric Family-Zeiten konnte mit dem Gitarristen Jochen Schoberth an Land gezogen werden. Mit seinen Projekten Artwork und Belladonna wandert er gekonnt zwischen Artrock- und Gothic-Szene und hat dabei besonders ein Faible für Computer-unterstützte Gitarrensounds, was ideal für das Projekt war, da ein eigener Keyboarder in der Planung nicht vorgesehen war. Diese vier Musiker stellen das Gerüst von Sun Temple Circus dar, das durch den Ex-Dry Halleys-Keyboarder Andre Szigethy und den Ex-Amnesia Vivace-Geiger und Mandolaspieler Uli Bösking bei einigen Stücken ergänzt wurde.

Die Grundidee für die Musik von Sun Temple Circus war: „Wir stellen die Bühne voller Equipment, und jeder nimmt das, was er gerade braucht. Gäste sind herzlich willkommen!“ Nur ein Instrument war für die anderen ein Tabu, die Sitar von Harry Payuta. Der gebürtige Bremer hat das Spiel auf dem empfindlichen Instrument in den letzten Jahren verinnerlicht und höchste internationale Standards erreicht.

Mitte Mai 2014 startete eine Tour durch Deutschland, die am 28. Mai 2014 ihren Abschluss im Lagerhaus in Bremen fand. Dieses Abschlusskonzert wurde mitgeschnitten und kam am 19.06.2015 als LP (180 Gramm-Vinyl in limitierte Auflage von 500 Stück) auf den Markt. Die Band hat sich bewusst für eine LP-Ausgabe entschieden, die einen Ausschnitt mit vier Stücken aus dem Liverepertoire zeigt.

Jeweils zwei Stücke zieren die beiden LP-Seiten. Ethnisch und mit viel Sitar, was an fernöstliche Musik erinnert, geht es im ersten Stück „Out Of India“ auf Seite A los. Das Stück stammt ursprünglich von Harry Payuta’s 2013’er Album „Between A Rock And A Hard Place“. In diesem ersten Track machen sich auch schon psychedelische Elemente breit. Dem folgt dann mit „Lighthouse“ ein Stück aus der Feder von Tom Redecker. Ursprünglich auf dem The Perc-Album „Worldlooker“ im Jahr 1995 veröffentlicht, gehörte das Stück auch schon zum Liverepertoire der Electric Family. In diesem Stück kommt dann auch Tom’s Stimme erstmals zur Geltung, die durch ihren leicht monotonen Ansatz sehr markant wirkt.

Die zweite Seite beginnt mit einer Coverversion des Stückes „Et moi, et moi, et moi“ des französischen Singer/Songwriters Jacques Dutronc. Der Song war die erste Singleveröffentlichung des französischen Musikers und stammt aus dem Jahr 1966. War das Original noch im Rock’n’Roll verhaftet, haben Sun Temple Circus den Song erweitert und ihm neben dem treibenden Rhythmus eine psychedelische Note verpasst. Diesen Song wollte Tom immer schon mal spielen.

Das abschließende Stück „Sun Madness“ ist eine 14minütige Improvisation. Dieser spontan entstandene Jam-Titel ist exemplarisch für die Konzerte von Sun Temple Circus und zeigt die Musiker in Bestform. Bei diesem Stück wurden die vier Musiker von den beiden Gastmusikern Szigethy und Bösking unterstützt. Anfangs wirkt das Stück noch etwas zerfahren und holprig, doch nach wenigen Momenten haben sich die Musiker gefunden und spielen perfekt zusammen. Von diesen Jam-Parts hätte ich mir noch mehr gewünscht (was aufgrund der begrenzten Spieldauer einer LP aber nicht möglich war).

Mit ihrem Debüt ist Sun Temple Circus ein tolles Werk gelungen, das allerdings aufgrund des reduzierten Platzes einer LP nur einen Auszug aus den Konzerten wiedergibt. Dieser macht aber Appetit auf mehr, denn die Musiker vermögen es durch ihre Kombination aus strukturierten und improvisierten Parts den Hörer zu begeistern. Was live sicherlich perfekt rüberkam, konnte glücklicherweise auch auf Vinyl gebannt werden.

Stephan Schelle, August 2015

   

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