Stick Men with Gary Husband - Owari
MoonJune Records (2021)

(11 Stücke, 77:09 Minuten Spielzeit)

Der Name Stick Men sollte den Freunden des anspruchsvollen Progressive Rocks bestens bekannt sein, gehören doch mit Bassist Tony Levin und Schlagzeuger Pat Mastelotto zwei Musiker von King Crimson zur Stammbesetzung. Und auch der deutsche Touchgitarrist Markus Reuter, der dieses Trio vervollständigt, ist durch viele Projekte bekannt. Darüber hinaus gehört er - neben den beiden zuvor genannten - zum The Crimson Projekct. Stick Men wurden bereits im Jahr 2007 von Tony Levin und Pat Mastelotto sowie Michael Bernier gegründet. Seit 2010 ist das LineUp mit Tony Levin, Pat Mastelotto und Markus Reuter stabil.


Das neueste Album dieses Trios, das sich - wie es schon auf dem Cover zu lesen ist - um den Keyboarder Gary Husband verstärkt hat, trägt den Namen „Owari“ und ist Ende 2020 herausgekommen.

Mitte 2019 schmiedete Leonardo Pavkovic von MoonJune Music Pläne für eine Asien-Tournee von Stick Men, die im Februar 2020 durchgeführt werden sollte. Die Band war von den Aussichten begeistert, da die Tour vier Nächte in China beinhalten würde, wo sie noch nie zuvor aufgetreten waren. Die geplante Reiseroute beinhaltete auch vier Abende in Japan sowie einen Stopp in Hongkong.

Für zusätzliche Aufregung und Begeisterung sorgte die Tatsache, dass als besonderer Gast die britische Schlagzeug/Piano/Keyboard-Ikone Gary Husband (Allan Holdsworth, John McLaughlin, Jack Bruce, Billy Cobham, Robin Trower, Level 42) für die kurze, aber mit Spannung erwartete Fernost-Tournee zur Band stieß.

Doch die Tourpläne wurden schnell von aktuellen Situationen in Asien überschattet. Zunächst war der Veranstalter in Hongkong im November 2019 gezwungen, die Show aufgrund der wachsenden politischen Unruhen in der Stadt zu verschieben. Dann, Anfang Februar 2020, sagte Blue Note China die geplanten Shows in Peking und Schanghai wegen der sich schnell ausbreitenden Covid-19-Pandemie ab, was sowohl die Finanzen als auch die Reiselogistik weiter erschwerte. Und eine lukrative Asien-Tournee wurde auf eine vier Nächte dauernde Blitz-Tournee durch Japan reduziert: Blue Note Nagoya (1 Show), Billboard Live Osaka (1 Nacht, 2 Shows) und Billboard Live Tokyo (2 Nächte, 2 Shows).

Als sie am Nachmittag des ersten Auftritts am Veranstaltungsort ankamen, um auszuladen, zu proben und den Soundcheck zu machen, erhielt Leonardo einen Anruf von einem Vertreter von Billboard Live Osaka. Die Band wurde informiert, dass die Show an diesem Abend, dem 28.02.2020, ihr einziger Auftritt sein würde, denn Japans Regierung hatte den Ausnahmezustand ausgerufen und alle öffentlichen Veranstaltungsorte ab dem 29.02.2020 auf unbestimmte Zeit untersagt.

Zum Glück schneiden Stick Men jeden Auftritt mit und so war schnell klar, dass das einzige Konzert in Japan im Jahr 2020 auch als Album veröffentlicht werden sollte um die angefallenen Kosten für die aufwendige, nicht erfolgte Tour zu minimieren. Für den Titel des Albums hatten sie dann auch das treffende japanische Wort „Owari“ ausgesucht, das ins Deutsche übersetzt so viel wie „Das Ende“ bedeutet.

Elf Stücke enthält das Album mit Laufzeiten von 4:28 bis 16:06 Minuten Spielzeit. Mir lag zur Besprechung eine Promo-CD vor, die in einem vierseitigen Papersleeve verpackt ist. Das Original erscheint in einem 28 seitigen Foto-Digi-Book.

Gestartet wird mit dem 5:19minütigen „Hajime (Peace)“, das mit elektronischen Klangstrukturen beginnt in die eine Stimme einen Text spricht. Es dauert gut anderthalb Minuten bis sich dann die anderen Musiker in dieses filigrane, atmosphärische Stück einbringen.

Crimsonesque wird es dann im zweiten Stück, dem 6:44minütigen „Hide The Trees“, das sich von einer sehr rhythmischen Seite zeigt. Hier wird deutlich, dass sich Gary Husband‘s Keyboardspiel perfekt ins Gesamtbild integriert. Immer wieder streut Husband Sounds bei, die nach Piano, Orgel oder Keyboard klingen.

Die Aufnahme enthält keine Zuschauerreaktionen, da sie wohl direkt aus dem Mischpult mitgeschnitten wurde. Das ist zwar für einen Livemitschnitt schade, dafür ist die Qualität des Sounds aber außerordentlich gut und transparent gelungen. Da sich die Musik im King Crimson-Umfeld bewegt, ist es nicht verwunderlich, dass Stick Men mit „Lark’s Tongues In Aspic, Part II“ auch eine Coverversion der britischen Prog-Legende im Programm hatten.

Neben druckvollen Stücken wie das mit einem fetten Basslauf ausgestattete „Schattenhaft“ und recht melodischen Tracks wie „Crack In The Sky“, bei dem Tony den Text mehr mit seiner rauen Stimme spricht und haucht, als ihn zu singen, finden sich auch atmosphärische Stücke wie der 16minütige Bonustrack „The End Of The Tour“, der lediglich Stimmungsbilder zeichnet, auf dem Album.

Stick Men zeigen sich auf ihrem neuesten Output in bester Spiellaune und legten in Japan einen perfekten Auftritt hin. Schade, dass es der Einzige ihrer geplanten Asien-Tour wurde. Für Freunde der Musik Marke King Crimson ist das Album ein Fest.

Stephan Schelle, März 2021

   

CD-Kritiken-Menue