Steve Perry -
Traces Nicht nur der Sound, vor allem auch die Stimme des Leadsängers prägt so manchen Charakter einer Band. So auch bei der US-amerikanischen Band Journey, dessen Sänger lange Zeit Steve Perry war. Aber nicht nur mit Journey, sondern auch Solo war er erfolgreich mit seinem ersten Soloalbum „Street Talk“ aus dem Jahr 1984. Mehr als 20 Jahre hat es von ihm kein musikalisches Lebenszeichen gegeben, da er sich komplett aus dem Musikbusiness herausgenommen hatte. Umso überraschender, das am 05.10.2018 unter dem Titel „Traces“ ein Soloalbum des Sängers mit der Ausnahmestimme erscheint. |
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Der
ganze Trubel und die damit verbundenen Exzesse forderten ihren Tribut, wie
das so oft geschieht in der Musikwelt: Also fasste ein ausgebrannter Perry
in den späten Neunzigern den folgenreichen und, wie er sagt, absolut
notwenigen Entschluss, diesem ganzen Business den Rücken zu kehren. Am
auffälligsten daran war, wie rigoros er diesen Schnitt machte, denn er
schaute tatsächlich nie zurück. „Ja, lange Zeit konnte ich Musik noch
nicht mal wirklich hören“, erinnert er sich. „Mein letztes Konzert
mit Journey hab ich im Februar 1987 gespielt. Und dann kam der Tag, an dem
mir klar wurde, dass ich das alles einfach nicht mehr weitermachen konnte.
Ich hatte wirklich das Gefühl, abspringen zu müssen von diesem
Karussell, das sich immer weiterdrehte; ich musste raus aus diesem großen
Mutterschiff, das wir zusammen in so viel harter Arbeit aufgebaut
hatten.“ Ein
wichtiger Punkt im Leben von Steve Perry war die Beziehung zu Kellie Nash,
die er 2011 kennenlernte. Sie kämpfte zu diesem Zeitpunkt schon mit
Brustkrebs und verlor den Kampf leider schon im Jahr 2012, was Perry das
Herz brach. „Als es Kellie richtig
schlecht ging, wollte sie, dass ich ihr verspreche, mich nicht mehr so zu
isolieren“, erinnert er sich. „Sie hat mir vieles beigebracht während
der Zeit, die wir zusammen hatten, und eine Sache davon ist: Es ist viel
besser, zu lieben und diese Liebe wieder zu verlieren, als nie in den
Genuss dieser Liebe zu kommen.“ Nach
und nach holte Perry erste Songskizzen hervor, Ansätze, die er zum Teil
mit Kellie geteilt hatte, wobei Highlights wie „Most Of All“ oder auch
„In The Rain“ schon vor ihrer ersten Begegnung entstanden waren. Dabei
schienen auch diese Stücke ihre Liebesbeziehung zu beschreiben und davon
zu handeln, wie dieses Zusammentreffen schließlich sein ganzes Leben
umkrempeln sollte. „Es
ging also gerade nicht darum, damit abzuschließen und weiterzumachen,
denn ich wollte im Gegenteil alles mitnehmen, alle Gefühle noch einmal
durchleben und sie in den Songs zum Ausdruck bringen – um so hoffentlich
andere zu bewegen und ihnen helfen zu können“, sagt Perry. „Eines
Abends sagte sie: ‘Wenn mir etwas passiert, dann versprich mir, dass du
dich nicht wieder so zurückziehst. Denn dann hätte ich das Gefühl, dass
all das hier vergeblich war.’ Diesen Satz und dieses Gespräch habe ich
in den Jahren nach ihrem Tod nie vergessen... und dann kehrte nach und
nach meine Liebe zur Musik zurück.“ Neben
zwei rockigen Nummern, allen voran der Opener „No Erasin‘“, die auch
gut auf einem Journey-Album Platz hätten finden können, hat Steve acht
langsamere, fast balladeske und sehr gefühlvolle Songs auf „Traces“
platziert. Dazu hat sich Steve einige Musiker an die Seite geholt, die den
zunächst am Computer erstellten Songs Leben einhauchten. „Jeder
Musiker, der auf diesem Album zu hören ist, hat musikalisch und emotional
dazu beigetragen. Ausnahmslos alle, die diese Songs mit mir geschrieben
oder eingespielt haben, haben diese Platte überhaupt erst möglich
gemacht.“ Das
Album beginnt mit dem Rocksong „No Erasin‘“, das von einer
emotionalen Heimkehr handelt. „Da
geht’s um ein Klassentreffen in der alten Hofgemeinschaft, wo ich
aufgewachsen bin. Konkret geht’s also um diese Rückkehr: Man nimmt
wieder Kontakt auf mit einem Menschen, den man lange Zeit nicht gesehen
hat, an einem Ort, an dem man früher abgehangen und rumgemacht hat –
nur ist das Ganze eine Metapher für mein Publikum, das ich jahrelang
nicht gesehen habe, und plötzlich bin ich wieder an ihrer Seite, sitze
quasi hinten bei ihnen wieder im Auto.“ Und mit diesem Song führt
uns Steve musikalisch in die besten Zeiten seiner Karriere (inkl. Journey)
zurück. Der Song ist für mich das musikalische Highlight des Albums. Mit
„Sun Shines Gray“ hat Steve dann noch einen weiteren Rocker im
Programm, der richtig zündet. Der
Rest der Stücke besteht aus sehr einfühlsamen Songs die teilweise unter
die Haut gehen. So zum Beispiel der Song „Most Of All“, den er
gemeinsam mit Randy Goodrum geschrieben hat. „Der
Song ‘Most Of All’ entstand schon zwei oder drei Jahre vor meiner
ersten Begegnung mit Kellie“, erzählt der Sänger. „Und weil er davon
handelt, einen geliebten Menschen zu verlieren, habe ich ihr die
Demoversion davon auch nie vorgespielt. Tief im Herzen haben wir beide
gehofft, dass die Kraft unserer Liebe vielleicht ihrem Immunsystem auf die
Sprünge helfen kann... und deshalb hatte ich Angst, diese Traurigkeit des
Stücks in unsere Welt zu bringen. Na ja, aus diesem Grund hat sie ihn
also nie gehört. Doch irgendwann ging mir auf: Dieser Song handelte von
Kellie – und das schon vor unserer Begegnung. Jetzt handelt er ganz
sicher von ihr.“ Gänsehautfaktor
verbreitet auch „No More Cryin‘“. Ansonsten findet sich in den Stücken
auch eine gute Portion Soul, was vor allem durch den Backgroundgesang
hervorgerufen wird. Ein Beispiel dafür ist „Easy To Love“. Es
ist schön ein musikalisches Lebenszeichen von Steve Perry und seiner
ausdrucksstarken Stimme auf einem neuen Album zu bekommen. „Traces“
ist ein Album, bei dem nicht nur die beiden Rocksongs „No Erasin‘“
und „Sun Shines Gray“ überzeugen, auch die weiteren ruhigen Stücke
haben Tiefgang und sorgen für manche Gänsehaut. Ein klasse Album. Stephan Schelle, Oktober 2018 |
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