Spliff - Kult

Spliff - Kult
Columbia / Sony Music (2010)
(31 Stücke, 134:40 Minuten Spielzeit)

Die deutsche Band Spliff sollte den meisten Musikfreunden vor allem durch ihre Hits während der Neuen Deutschen Welle (NDW) bekannt geworden sein. Doch die Karriere der Musiker, das waren im Kern Herwig Mitteregger (Schlagzeug, Drumcomputer, Gesang), Reinhold Heil (Klavier, Synthies, Gesang), Manfred „Manne“ Praeker (Bass, Stick, Gesang) und Bernhard „Potsch“ Potschka (Gitarre, Gesang), geht bereits einige Jahre zurück.


Ende der 70’er Jahre gehörten die vier zur Nina Hagen Band, mit der sie die Alben „Nina Hagen Band“ und „Unbehagen“ aufnahmen. Im Jahr 1980 erschien dann das erste Album von Spliff, das unter dem Titel „The Spliff Radio Show“ herauskam und das komplett in englischer Sprache gesungen war. Als Sänger hatten sie sich den Amerikaner Alf Klimek, der 1986 mit der Band The Other Ones den Hit „Holliday“ vorzuweisen hatte, ans Mikro geholt. Spliff komponierten mit ihrem Debüt, einer Persiflage auf das Musikbusiness, ein rockiges Werk, das frisch klang aber jenseits der Charts angesiedelt war.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich am 18.12.1981 in die Dortmunder Westfalenhalle ging, um mir in froher Erwartung das kleine Festival „Rock Pop in Concert“ anzusehen. Neben Saga, Foreigner und Meat Loaf waren auch Spliff angekündigt. Ich kannte und liebte ihr Debütalbum, aber was dann auf mich einwirkte, war für mich damals zunächst frustrierend und unverständlich. Spliff hatten mittlerweile die Stücke ihres zweiten Albums „85555“ (der Titel stellt die Artikelnummer des Albums dar) eingespielt und präsentierten die neuen, in Richtung NDW gehenden Stücke der Marke „Carbonara“ auf dem Festival. Was für mich im ersten Moment ein „No Go“ war, entwickelte sich aber schnell zu einem Megaseller, der weitere Alben folgen ließ und schließlich auch mich infizierte. Ihre neuen Stücke waren sehr perkussiv und auch elektronisch angehaucht. An einigen Stellen hört man neben dem typischen NDW-Stil auch Anleihen an große Elektronikpioniere, wie zum Beispiel Kraftwerk heraus (z. B. in „Telefon Terror“, das große Ähnlichkeiten zu „Boing Boom Tschak“ aufweist).

30 Jahre sind nun seit Gründung von Spliff vergangen. Zeit für eine Retrospektive, die von EMI in Form einer DoppelCD ab dem 12.11.2010 geliefert wird. Der Titel der CD lautet „Kult“ und hat darüber hinaus den Untertitel bzw. Hinweis „30 Jahre Spliff / Die Hits / Remixe / Raritäten“. Auf CD Nummer 1 findet sich dann auch eine Auswahl von Stücken ihrer Alben, angefangen mit „Sweet As Radio“ und „Rock Is A Drug“ vom Debütalbum bis hin zu ihren erfolgreichsten Stücken der NDW-Zeit. Vor allem „Rock Is A Drug“ zeigt, welch Faszination das Debütalbum ausstrahlte.

Hits wie „Déja Vu“, „Radio“, „Carbonara“ oder „Das Blech“ sind ebenfalls enthalten. Man hat die Stücke aber nicht in chronologischer Reihenfolge angeordnet, was dem Hörspaß aber keinen Abbruch tut. Die zweite CD hält dann einige Remixe, die seinerzeit als MaxiSingle erschienen sind, bereit. Aber auch einige, für Spliff ungewöhnliche Stücke, die für die Fernsehserie Tatort komponiert wurden, finden sich auf der CD. Gerade hier zeigen Spliff, das sie nicht nur NDW konnten, sondern auch für atmosphärische Musik ein Faible hatten. „High Noon“ aus dem Tatort „Zweierlei Blut“ klingt beispielsweise wie ein rockiger Bruder von Tangerine Dream’s „Das Mädchen auf der Treppe“.

„Kult“ ist eine wirklich tolle Zusammenstellung von Spliff-Klassikern und Raritäten. Die Band hat darüber hinaus noch im sechsseitigen Booklet sehr humorvoll unter dem Titel „Was soll eine Band machen, der die Frontfrau weggelaufen ist?“ eine Kurzbiografie verfasst. Eine lohnenswerte Anschaffung.

Stephan Schelle, November 2010

   

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