Sampler – Jazzkraut

Sampler – Jazzkraut
Sireena Records / Broken Silence (2011)
(14 Stücke, 71:22 Minuten Spielzeit)

„Ende der Sechziger bis Ende der Siebzieger des letzten Jahrhunderts war nicht nur in der angloamerikanischen Musik eine kreative Blütezeit, auch und gerade in hiesigen Landen wurde viel experimentiert. Man wollte nicht dem Klischee des typisch Deutschen entsprechen, genauso wenig wie man die typischen Rock- und Pop-Klischees bedienen mochte. Somit war klar, dass man typisch deutschen Eigenschaften aus dem Weg zu gehen hat: Disziplin, Gehorsam, Lederhosen, Sauerkraut, Bratwurst & Rock’n’Roll. Schließlich sind es die Deutschen, die sonst bei „Shake Rattle And Roll“ immer auf die Eins mitklatschen müssen …


Zu einer Zeit, als deutsche moderne Musik das Etikett „Kraut-Rock“ erhielt, gab es eine Vielzahl von Bands, die federleicht zwischen den Stühlen Jazz, Rock und Funk umherflippten. Es war die Zeit, bevor Punk und New Wave/NDW herrschten. Und die Zutaten hießen, neben Pop und Rock, vor allem Jazz und Latin. Oder: Miles Davis und Carlos Santana. Hinzu kam eine unbändige Lust am Ausprobieren von bisher Unerhörtem entlang aller musikalischer Grenzen. Das Ausland war begeistert, so eine Leichtigkeit hatte man den Krauts nicht zugetraut! Von dieser Zeit erzählt Jazzkraut.“ Soweit der Pressetext.

In insgesamt 14 Beispielen von ebenso vielen Bands/Interpreten hat Sireena Records die Bandbreite dieser Zeitepoche auf diesem randvollen Sampler dokumentiert. Da kommen Underground-Perlen ebenso zu Gehör, wie Bekannte Namen der so genannten Krautrock-Ära.

Los geht es mit der mir unbekannten Formation Moira und ihrem Stück „Crazy Countdown“. Der Beginn des Stückes ist völlig abgedreht und ich konnte zunächst nicht erkennen, was dieses Stimmgewirr mit Jazz zu tun haben sollte. Doch nach gut anderthalb Minuten wohldosiertem Chaos schält sich dann doch funkiger Jazzrock aus den Boxen und man hat einen wie schon oben beschriebenen Stilmix aus Jazz und Carlos Santana (vor allem durch die Perkussion) vor sich.

Das auch Embryo es jazzig vermochten, zeigt „Secret“, das vom 74’er Album „Surfin’“ stammt. Die Real Ax Band ist sehr funky und hat Keyboards, die stark an Manfred Mann erinnern. Wer bei Aera’s Stück „Pfiffe“ ein Pfeifkonzert erwartet, der liegt falsch. Auch hier gibt es lupenreinen, sehr guten Jazzrock.

Natürlich sind auch bekannte Namen wie Uli Trepte, Kraan, Klaus Doldiger, Missus Beastly, Guru Guru, Volker Kriegel und Wolfgang Dauner vertreten und runden diese rundum gelungene Zusammenstellung ab.

Wie immer ist Sireena Records sehr liebevoll und detailverliebt an die Sache herangegangen. Die CD wird in einem vierseitigen Digipack mit 20seitigem Booklet, das ausgefaltet werden kann und reichhaltige Infos zu allen Bands bereit enthält, ausgeliefert. Eine tolle Zusammenstellung, die für meine Ohren eine Menge neuer Musik parat hat. Wer einen Einblick in die deutsche Jazzrock-Ära der 70’er Jahre bekommen möchte, liegt hier genau richtig.

Stephan Schelle, Dezember 2010

   

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