RPWL – The RPWL Experience

RPWL – The RPWL Experience - 29.2.2008
insideout / spv (2008)
(10 Stücke, 67:01 Minuten Spielzeit)

Das Münchner Prog-Flagschiff RPWL meldet sich Anfang 2008 (Release: 29.02.2008) - nach dem im letzten Jahr die limitierte CD „9“ nur über die Bandpage erhältlich war - mit einem regulären Studioalbum zurück. Gut drei Jahre hat es gedauert, seit der letzten CD „World Through My Eyes“, bis sie das neue Album fertig gestellt hatten. Zwischendurch hatte Kalle Wallner mit Unterstützung von Yogi Lang seine etwas härtere Seite mit dem Projekt Blind Ego ausgelebt.


Die Münchner wollten sich nicht mehr selbst kopieren, denn das letzte Album war so vielfältig, dass sie Gefahr liefen, auf der Stelle zu treten. Also machten sie sich auf zu neuen Horizonten, allerdings, dass kann ich hier schon mal vorwegnehmen, ohne ihren prägenden Stil zu vernachlässigen. RPWL haben mittlerweile einen Sound, der schon nach wenigen Tönen erkennen lässt, dass es sich um die süddeutschen Progger handelt. Dazu trägt sicherlich auch Yogi’s markanter Gesang bei.

Wie schon bei dem Vorgängeralbum sind einige Elemente von Rockgrößen wie Pink Floyd, den Beatles oder Manfred Mann herauszuhören, aber dieses Mal ist die Produktion etwas rauer und kantiger geworden, was den einzelnen Songs sichtlich gut tut. Schon beim Opener „Silenced“ wird diese Marschrichtung klar, denn das Stück beginnt mit - für RPWL-Verhältnissen - harten Gitarrenriffs, um dann in den gewohnten Stil hinüberzugehen. Diese Riffs durchbrechen die sanfteren Passagen, womit sie einen ansprechenden Kontrapunkt setzen. Aber nicht nur das, auch Kalle’s Gitarrensolo zur Mitte des Songs oder der dreckig angelegte Gesang von Yogi und die technokratischen Synthies sind außergewöhnlich. Hier zeigt sich, dass nicht jeder Song das verspricht, was er zunächst Glauben macht. Sehr abwechslungsreich und spannend präsentieren uns RPWL ihre einzelnen Gänge.

Nach dem Single-tauglichen „Breath In, Breath Out“ und dem sanften und einschmeichelnden „Where Can I Go“ kommt mit „Master Of War“ ein tolles Dylan-Cover, das mir die Gänsehaut über den Körper treibt. Dazu spielt Kalle seine Gitarre wieder sehr Gilmour-typisch. Bei diesem Song will man förmlich in die Boxen kriechen. Mit einem augenzwinkernden Seitenhieb auf schlechte Kritiken der Musikpresse setzt sich „This Is Not A Prog Song“ auseinander. Irgendwie erinnert mich das ein wenig an den Sex Pistols Titel „This Is Not A Love Song“, hat aber musikalisch damit nichts zu tun. Sägende Gitarren zu Beginn und eine eingängige Melodie, die wieder Single-Charakter hat, bestimmen über weite Strecken das Bild. Doch zum Ende hin wechselt dieser Titel in einen recht rauen etwas chaotischen Stil, der schon punkähnliche Züge aufweist und so setzten sie damit wieder einen Gegenpart zur tollen Melodie. Man erwartet zum Ende hin, dass sie als Höhepunkt ihre Instrumente klein hauen. Das wäre doch was für die Liveumsetzung.

Proggiger wird es dann wieder beim folgenden „Watch Myself“, das wieder Balsam für die Seele ist und in der zweiten Hälfte herrliche Mellotronklänge bereithält. „Stranger“ hat ein ernstes Thema, denn die Jungs nehmen hier unverblümt Stellung zum Krieg. Und auf darauf stimmen sie gleich zu Beginn mit Maschinengewehrsalven, Flugzugangriffen und weiteren Geräuschen ein. Musikalisch wieder ein sehr abwechslungsreicher Titel, der zunächst mit harten Gitarrenriffs beginnt und dann schöne Gitarrensoli, Mellotronpassagen sowie Keyboards die an Manfred Mann’s Earthband zu Zeiten von „Solar Fire“ erinnern, bietet.

Im sehr melodischen „River“ flechten sie einige experimentelle und psychedelische Passagen ein und im rockigen „Choose What You Wan’t To Look At“, das wieder recht dreckig klingt und gut abgeht, prangern sie das kritiklose Fernsehschauen und die mediale Beeinflussung an. Mit dem tollen „Turn Back The Clock“, das wieder herrliche Mellotron-Passagen und eine Gitarrenarbeit, wie von Anthony Phillips bietet, endet das Album.

RPWL werden immer souveräner. Das neue Album zeigt mal wieder, welche Stellung sie im deutschen Rock haben, denn sie mischen meiner Meinung nach qualitativ ganz oben mit. „The RPWL Experience“ ist wahrlich ein tolles Album geworden, das durch seine Stimmungswechsel in den Stücken zu begeistern weiß. Hier wird perfekter ProgRock mit einigen Ecken und Kanten versehen sowie mit tollen Soli und schönen Melodien gespickt, so dass ein sehr wohlschmeckendes Gericht entsteht. Ein Spitzenalbum und damit ein Pflichtkauf.

Stephan Schelle, Februar 2008

   

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