Ricochet - Kazakhstan
Timezone Records / www.ricochet-music.de (2023)

(9 Stücke, 58:38 Minuten Spielzeit)

Ricochet ist eine Rockband aus Hamburg, die bereits seit den 90’er Jahren besteht. Am 07.04.2023 erscheint erst ihr drittes Album, das den Titel „Kazakhstan“ trägt. Satte 18 Jahre hat die Band zwischen ihrem letzten Album „Zarah – A Teartown Story” und „Kazakhstan” verstreichen lassen. Das Album wurde in der Besetzung Michael Keuter (Gesang), Heiko Holler (Gitarre), Hans Strenge (Bass), Björn Tiemann (Keyboards) und Jan Keimer (Schlagzeug) eingespielt.


Sänger Michael Keuter spielte jahrelang in der Uriah-Heep-Coverband Easy Livin’, machte aber auch mit Mitgliedern der bekannten Band Helloween Musik. Keyboarder Björn Tiemann war in den späten 90er Jahren u.a. mit Kingdom Come auf Europatournee. Der harte Kern von Ricochet mit Tiemann, Drummer Jan Keimer und Gitarrist Heiko Holler spielt bereits seit den frühen 90ern zusammen. Bassist Hans Strenge ist ebenfalls bereits seit über 20 Jahren dabei, Michael Keuter seit fast 10.

Den Albumtitel erklärt die Band:
Kasachstan ist eine ehemalige Sowjetrepublik, die wenig Aufmerksamkeit erhält. Obwohl geographisch Zentralasien zugehörig, liegt Kasachstan zwischen Europa, China und der arabischen Welt und Einflüsse dieser drei Regionen finden sich in Kasachstan wieder – so wie sich auch in der Musik von Ricochet verschiedene Einflüsse zeigen. Kasachstan ist stark geprägt von dem (scheinbaren?) Widerspruch zwischen Tradition und Moderne; auch dies spiegelt sich in der Musik von Ricochet, die musikalische Elemente der Rockmusik aus mehreren Jahrzehnten zusammenbringt, wider. Nicht zuletzt zeigen sich in Kasachstan auch die umweltzerstörerischen Auswirkungen des menschlichen Eingreifens in die Natur – ein Thema das sicherlich zu den aktuellsten und wichtigsten Belangen der Menschheit gehört. Das Albumcover zeigt einen Surfer, der vor einem ausgetrockneten See steht. An dem Surfer zeigt sich der Widerspruch zwischen Resignation und Hoffnung; ob er ein heilloser Optimist, ein unbedarfter Naivling oder ein unverbesserlicher Rebell ist, kann jeder für sich selbst entscheiden.

Im Vergleich zu ihrem 2005’er Album „Zarah – A Teartown Story” hat der Sound an Härte zugenommen, was den Stücken aber gut zu Gesicht steht. Neun Stücke mit Laufzeiten zwischen 4:37 und 9:35 Minuten Länge finden sich auf dem Silberling, der im Jewelcase mit achtseitigem Booklet daherkommt. Während das Cover und das Inlayblatt sehr aufwändig gestaltet wurden, finden sich im Booklet ein Bandfoto sowie die Songtexte, die auf einem sandigen Untergrund gedruckt sind.

Die Musik von Ricochet dockt an die 70’er Jahre an und weist auch an der ein oder anderen Stelle Ähnlichkeiten zu Uriah Heep auf, hat aber genug Eigenheiten. Das zeigt schon der 6:40minütige Opener „The Custodians”. Auch die Gesangsstimme von Michael Keuter unterstützt dieses Flair. Während die Gitarren sehr hardrockig und teils metalartig zu Werke gehen, erinnern einige Schlagzeugpassagen auch an Bands der Marke Rush. Im Mittelteil bekommt das Ganze noch eine leicht arabische Klangfarbe, die aber in der zukünftigen Singleversion fehlt. Mit dieser Passage unterstreicht die Band ihre musikalische Vielfältigkeit.

Einen leichten Proganstrich mit erneutem Heep-Feeling, schönem Satzgesang und Shuffle-Groove vermittelt dann das 4:37minütige „King Of Tales”. Das Stück würde jedem Uriah Heep-Album gut zu Gesicht stehen. Einige Gitarrenpassagen bieten darüber hinaus eine Mischung aus Prog und irischem Folk. Das 9:35minütige „Farewell” verströmt dagegen mit schweren Gitarrenriffs eine etwas düster-melancholische Atmo, in die sich immer mal wieder eine markante Basslinie schleicht. Der Song weist darüber hinaus recht proggige und atmosphärische Keyboard- und Gitarrenpassagen auf. Im Großteil der Gesangspassagen wirkt Michaels Stimme sehr sanft und eindringlich, während es im Refrain sehr druckvoll zur Sache geht. Ein klasse Song der richtig gut abgeht.

„Interseption” ist eine Midtemponummer, die gut ins Ohr geht und wieder in Richtung 70’er Jahre Uriah Hepp weist, was vor allem erneut am Gesang liegt. Danach zieht die Band die Härte in „Waiting For The Storm” wieder etwas an, in dem kraftvolle Riffs und Schlagzeugrhythmen dominieren. Zum Ende hin schiebt die Band dann noch ein ausuferndes Gitarrensolo ein, das von treibenden Drums und Keyboardakkorden untermauert wird.

„Beyond The Line” ist ein fetter, eingängiger Song, bei dem vor allem durch die Orgel wieder Retrofeeling aufkommt, während die Gitarrenriffs hardrockig aus den Boxen schallen. Eine atmosphärische Gitarrenfolge startet dann in das Stück „Losing Ground”. Es werden aber auch mediterrane Gitarrenklänge mit eingebaut und leicht angejazzte Rhythmen hinzugefügt. So wirkt das Ganze proggig. Wenn es dann in den Refrain geht wird es dann recht hymnisch.

Akustisch geht es dann im 5:12minütigen „On A Distant Shore” zu. Hier zeigt die Band, das sie ein Händchen für melodische Balladen besitzt. Vor allem im mehrstimmigen Refrain kann sich schon mal eine ‚Erpelpelle‘ bilden. Den Abschluss bildet dann das siebenminütige Titelstück. Hier kommen zunächst wieder recht arabisch klingende Sounds auf. Nach einer Minute setzen aber harte Riffs ein und das Stück entwickelt sich zu einem richtigen Rocker. Die Riffs paaren sich dann mit herrlichen Keyboardsounds. Gitarre und Keyboard solieren im weiteren Verlauf. Ein klasse Abschluss des Albums.

Ricochet haben auf dem aktuellen Album den Spirit des 70’er-Jahre Rocks aufgenommen und ihn ins neue Jahrtausend transportiert. Dabei zeigt sich ihr Sound einige Male im Umfeld von Uriah Heep. Ein klasse Album. Es ist zu hoffen, dass sich die Band bis zum nächsten Album nicht wieder 18 Jahre Zeit lässt.

Stephan Schelle, März 2023

   

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