Polis - Weltklang
Progressive Promotion Records (2020)

(8 Stücke, 39:56 Minuten Spielzeit)

Polis ist eine Rockband aus Sachsen, deren Debütalbum „Eins“ im Jahr 2011 erschienen ist. Nach dem zweiten Album „Sein“ (2014) erscheint Anfang 2020 unter dem Titel „Weltklang“ das dritte Album des deutschen Quintetts. Christian Roscher (Gesang), Christoph Kästner (Gitarre, Satzgesang), Marius Leicht (Tasteninstrumente, Satzgesang), Andreas Sittig (Bassgitarre, Satzgesang) und Sascha Bormann (Schlagzeug) besitzen eine starke Affinität zum Sound der Siebziger und zum instrumentalen Größenwahn, wie sie selbst sagen. Das zeigt sich beispielsweise in ihrem analogen Equipment wie Hammond B3, alten Synthesizern und Vintage-Gitarrenverstärkern.


Das sechs Jahre seit dem letzten Album ins Land gegangen sind, lag auch daran, dass sie den großen Probenraum, der sich in einem alten Fabrikgebäude befand, eigenhändig zu einem professionellen Tonstudio umgebaut haben. Während die Stücke sich entwickelten, haben sie alte DDR-Studio- und Rundfunktechnik gesammelt. Ein Sammler aus ihrer Umgebung half ihnen mit legendären Mikrofonschätzen aus, manches Liebhabergerät wurde von denselben Koryphäen restauriert, die es vor Jahrzehenten mitentwickelten. „In so manchem Punkt hilft der analoge Weg und die alte Technik, um auf gute Ideen zu kommen. Und es hat sich sehr gut angefühlt, die Herangehensweise und das Tempo des Aufnahmeprozesses selbst in der Hand zu haben“, meint Sänger Christian Roscher.

Musikalisch agieren Polis irgendwo zwischen Pink Floyd und Selig, psychodelischer Rockmusik, Progressiverock, Neo-Kraut- und Seventies-Rock mit großer Geste und meditativen Jams. Aufmerksam wurde ich zunächst durch das Stück „Tropfen“, das sich 2019 auf einem Sampler befand. Dieser fünfeinhalbminütige Song, der auch das Album eröffnet, hatte sich schon nach mehrmaligem Hören fest im Gedächtnis festgesetzt. In diesem Song zeigen die Sachsen, dass sie einen eigenen Stil entwickelt haben, der zwar an die 70’er erinnert, aber sehr eigenständig ist. Schnell entwickelt sich ein fetter Sound aus Gitarren, Tasteninstrumenten und treibendem Bass. Außergewöhnlich sind der Gesang, der den eigenen Stil ausmacht sowie der sakrale Mittelteil. Ein klasse Einstieg in das Album.

Nahtlos geht es dann in das nächste Stück „Gedanken“ über. Markant hier zu Beginn zunächst Christian’s Gesang. Dann setzen die andern an ihren Instrumenten ein und es entwickelt sich erneut ein treibender Rocksong mit viel Esprit. Vor allem die Orgelsounds üben dabei ein wohliges Retrofeeling aus. Der zweite Teil des 5:19minütigen Stückes ist von einem herrlichen Instrumentalpart sowie Satzgesängen durchzogen.

Mit 7:19 Minuten Spielzeit ist „Leben“ (im Booklet als „Eine Liebe, Tausend Leben“ betitelt) der längste Track des Albums. Dem Song liegt zugleich eine gewisse Schwere und Melancholie wie auch eine Leichtigkeit zugrunde, der man sich nicht entziehen kann. Der Retrosound wird hier förmlich in eine neue Form gegossen. Der ausufernde Instrumentalteil im letzten Drittel hat es wieder richtig in sich.

Verträumt und verspielt zeigt sich dann das vom Piano getragene 2:27minütige „Abendlied“. Dieser ruhigen Nummer folgt dann mit „Sehnsucht“ ein Stück das sehr druckvoll und perkussiv angelegt ist. Das Stück ist der erste Part des dreigeteilten Opus „Sehnsucht“. Spätestens in diesem abwechslungsreichen Stück ist man von dem Sound Polis gefangen. Der zweite Teil ist das fast dreiminütige „Gebet“, das mit mysteriösen, elektronischen Sounds beginnt und diese dann als Grundstein für diesen Track beibehält, auf den Christian dann seine gebethafte Stimme legt. Nahtlos geht es dann in den dritten Teil „Steig herab“, einem sehr melodischen Song in der Schnittmenge aus Melodicrock, 70’er Rock und Progressiverock, weiter. Polis bieten in diesem Stück eindrucksvollen Satzgesang. Den zweiten Teil bestimmt ein leicht angejazzter, vom Piano behaupteter Instrumentalpart, der dann in einen proggigen Endpart mündet, der mich z. B. an Bands wie Spock’s Beard erinnert.

Den Abschluss des Albums bildet dann das fünfeinhalbminütige „Mantra“. Gebetsartig wirkt der Gesang in der ersten Hälfte, der nur von spärlicher Instrumentierung begleitet wird. Ab der Mitte kommt dann ein druckvolles Schlagzeug auf, das jetzt eine Mischung aus Postrock und Psychedelic aufweist. Dann ist das Album leider schon beendet, der einzige Kritikpunkt, denn ich hätte gerne noch mehr von diesem Stoff gehabt.

Klanglich ist das Album sehr gut ausgefallen, wurde es doch in Peter Gabriel’s Real World Studios gemischt und gemastert. Polis bieten auf ihrem dritten Album (zu den ersten beiden kann ich leider nichts sagen) einen eigenen Stil der schnell gefangen nimmt. Hat man sich an ihren eigenwilligen Stil, der sehr melodisch ist, erst einmal gewöhnt, kommt man nicht mehr davon los. Progressive Promotion Records hat mit Polis einen guten Fang gemacht. Das Album macht neugierig auf die älteren Scheiben. Es ist zu hoffen, dass diese auch wieder erhältlich sind.

Stephan Schelle, März 2020

   

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