Parzivals Eye - Fragments

Parzivals Eye - Fragments
Red Farm Records / Rough Trade (2009)
(12 Stücke, 78:13 Minuten Spielzeit)

Parzivals Eye ist das musikalische Projekt des RPWL-Bassisten Chris Postl und zugleich sein erstes Soloalbum. Auf dem Album hat Chris eine Menge an Gastmusikern des Genres versammelt. Unter anderem wirken mit: Christina Booth - Gesang - (Magenta), Alan Reed - Gesang - (Pallas), Ian Bairnson - Gitarre (Alan Parsons), Yogi Lang - Keyboards - (RPWL) sowie Schlagzeuger Hannes Weigend und Gitarrist Olli Schaller. Man kann sich vorstellen, dass bei diesen Namen und ihren Referenzen ein sehr ambitioniertes Werk herausgekommen ist.


Und auf dem Album beweist Chris, zu dessen musikalische Grundsteine neben Genesis auch Yes, The Beatles und ELO zählen, dass er nicht nur auf sein Bassspiel reduziert werden kann, denn neben dem Gesang hat er auch Gitarren und Keyboards eingespielt. Und das hat er ausgesprochen gut gemacht. Vor allem seine dezente Gesangsstimme verleiht den Stücken – auch im Zusammenspiel mit den markanten Stimmen von Christina und Alan – ein besonderes Flair.

Auch wenn die CD „Fragments“ betitelt ist, so finden sich doch keine Musikfragmente auf ihr wieder, sondern Chris hat ein Dutzend ausgereifter Songs auf dem Silberling platziert. Musikalisch kann er dabei seine Wurzeln, die bei RPWL liegen und bei denen er auch an den Kompositionen beteiligt ist, nicht verleugnen. Während Kalle Wallner mit seinem Sideprojekt Blind Ego die härtere Gangart einschlägt, bewegt sich Chris mit Parzivals Eye eindeutig im Fahrwasser von RPWL.

Das Album beginnt gleich mit einem Mammutwerk, denn der Opener „Longings End“ bringt es auf mehr als 13 Minuten Spielzeit. Hier finden sich beispielsweise Sprachsamples und Effekte, die man auch schon von RPWL kennt. Auf diesem ersten Track agieren Christina und Chris gesanglich als Duo. Ein toller Song mit stilistischen Wechseln und einigen Breaks.

Das zweite Stück „Signs“ klingt aufgrund Alan Reed’s Stimme natürlich ein wenig nach Pallas, ist aber wesentlich leichter angelegt und hat einen eingängigen und mitreißenden Refrain. Den Song könnte Chris glatt als Single auskoppeln, was auch aufgrund der Laufzeit von 4:32 Minuten möglich ist. Es folgt das Titelstück, in dem es darum geht, „das der Mensch meint, er könne mit seiner Technik alles erreichen“. Der Song hat einen Beginn, der zum einen an die frühen Genesis, aber auch an RPWL erinnert. Nach gut zwei Minuten wird er aber in eine andere Richtung gelenkt und der Härtegrad der Gitarren zieht eindeutig an, ohne aber in den Metalbereich abzudriften. Diese Riffs werden von unglaublichen Gesangsharmonien konterkariert und gehen dann in ein faszinierendes Gitarrensolo von Olli Schaller über. In einem recht psychedelischen Part endet dieser Song dann.

Eine traumhafte Nummer mit toller Melodie und Alan’s unter die Haut gehendem Gesang ist „Face My Fear“. Hier möchte ich am liebsten in die Boxen kriechen.

In „Meanings“ ist dann wieder Christina am Mikro und macht aus dem Stück einen Titel der stark in die Nähe ihrer Hauptband Magenta rückt, der mit orientalischen Harmoniesprengsel versetzt ist. Symphonisch mit Elementen von Pink Floyd, Genesis und Alan Parson Projekt wirkt „Skylights“, der im Mittelteil ein fesselndes Gitarrensolo zu bieten hat und der auch auf jedem RPWL-Album Platz finden würde. „Disguise“ ist ein Ohrwurm, der durch seine tolle Gitarrenlinie (sanftere Form von Pink Floyd’s „Run Like Hell“) und die tolle Melodie besticht. Was für ein Song !!!

Mit „Chacago“ hat Chris dann noch eine Coverversion eines Graham Nash-Klassikers im Repertoire, der von Christina sehr einfühlsam gesungen wird. Chris meint dazu „Dieser Song beinhaltet für mich die kritische Haltung zu Amerika. Er hat aber zugleich auch was Versöhnliches und diese We-can-change-Attitüde, die ja witzigerweise heute wieder aktuell ist.“

Es folgen noch „Where Have Your Flowers Gone“ eine typische RPWL-Nummer mit tollem Duett von Chris und Christina, das balladeske „Through Your Mind“ ebenfalls mit sehr schönem Satzgesang von Chris und Christina und das wieder sehr RPWL-lastige „Wide World“.

Den Schluss bildet das fast zehnminütige „Another Day“. In diesem Stück bietet Chris noch mal alles auf. Eine unwiderstehliche Melodie, einen druckvollen, voluminösen Sound, ein Keyboardsolo, dass an Manfred Mann erinnert, RPWL-typische Strukturen, tolle Harmonielinien, vertrackte Rhythmen und herrliche Soli, also alles, was ein Prog-Longtrack besitzen muss.

„Fragments“ von Parzivals Eye ist ein Werk, das all denen sehr gut munden wird, die RPWL mögen. Für die Fans der Band ist diese Scheibe ein absolutes Muss. Ausgereifte Songs mit ausschweifenden Instrumentalparts und Soli sowie herrlichen Gesangsparts mit unwiderstehlichen Melodien und Harmonielinien bilden den Kern dieses Albums, das mit einigen bekannten Namen des Genres aufwarten kann. Herausgekommen ist ein tolles Progalbum, das ich sehr empfehlen kann.

Stephan Schelle, Juli 2009

   

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