Novalis - Flossenengel

Novalis - Flossenengel
mig / made in germany music (1979/2012)
(10 Stücke, 45:09 Minuten Spielzeit)

Im Jahr 1979 wechselte Novalis das Label (von Brain ging es zu Achim Reichel’s Ahorn-Label). Die erste Platte auf diesem Label war das Konzeptalbum Flossenengel. Es handelt von Atlanto, einem Wal, der in Gefangenschaft gerät und fast daran zugrunde geht. Doch der Fischer, der ihn seinerzeit gefangen hat, befreit ihn und entlässt ihn wieder in seine natürliche Meeresumgebung. Lange Jahre, bevor Hollywood dieses Thema in Streifen wie Free Willy auf Zelluloid bannte, haben sich bereits die deutschen Romantikrocker dieser bedrohten Tierart angenommen.


Lutz Rahn meint 1980 zur LP: „Mit Flossenengel haben wir eine Platte gemacht, die sich mit dem Verhältnis Natur zu Mensch auseinandersetzt. Der Mensch ist stark an seine natürliche Umwelt gekoppelt. Wenn er sie zerstört, und er ist auf dem besten Wege dazu, entzieht er sich seine Lebensgrundlage. Auf diese Problematik aufmerksam zu machen, das wollen wir mit der Aktion erreichen.“ Soweit ein Auszug aus meiner Novalis-Story, die ich ursprünglich im Jahr 2002 für den German Rock e. V. geschrieben habe. Die komplette Story findet ihr in der Rubrik „Musiker“ auf dieser Seite.

Als Singles wurden aus dem Album neben dem Titelstück auch das Instrumental „Atlanto“ ausgekoppelt. Teile der Single-Erlöse und der Erträge aus der anschließenden Tour zum Album spendeten Novalis der Organisation World Wildlife Fund, kurz WWF. Die Band zeigte sich also nicht nur auf dem Album ökologisch, sie ließen den Worten auch Taten folgen.

Lange Zeit war das Album als CD nicht erhältlich, am 30. März 2012 erscheint es nun endlich in remasterter Form bei dem deutschen Label mig, das weitere Alben der Romantikrocker folgen lässt. Novalis haben es geschafft ein ökologisches Thema nicht verkopft, sondern in ihrer romantischen, rockigen Form darzubieten. Schon der Anfang, mit dem Stück „Atlanto“ verbindet rockige Sounds mit Walgesängen. Nach den ersten Tönen, die auch gut vom Alan Parsons Project hätten stammen können, lassen Lutz Rahn an den Keyboards und der Rest der Truppe dann aber keinen Zweifel zu, das es sich hier eindeutig um Novalis handelt. Die Band hatte zu diesem Zeitpunkt einen markanten Sound, der sich deutlich aus der Masse hervorhob.

Novalis und allen voran Sänger Fred Mühlböck schaffen es, die Geschichte des Wal’s Atlanto sehr spannend und eindringlich zu erzählen. Man kann so dem Kampf des Wal’s in dem Stück „Brennende Freiheit“ förmlich vor dem inneren Auge ablaufen sehen. Gleiches gilt für „Im Netz“, bei dem man die Trostlosigkeit und Hoffnungslosigkeit des nun gefangenen Königs der Meere greifbar spüren kann. In diesem Stück kommen gar Floydartige Melodiebögen auf, die Detlef Job auf seiner Gitarre zaubert und somit an David Gilmour erinnert.

Die CD erscheint im Digipack mit Originalcover und Linernotes in englischer Sprache. Leider wurde auf den Andruck der Texte verzichtet, auch finden sich keine Bonusstücke auf der CD. Beides vorgenannte hätte aus dieser Produktion die perfekte Wiederveröffentlichung gemacht, aber auch so gehört das Album zu den besten der Band und des Deutschrock.

mig haben mit „Flossenengel“ ein wichtiges Album der deutschen Rockgeschichte endlich dem Licht der Laser zugeführt. Klanglich ist man dabei sehr zaghaft vorgegangen und hat die warme Atmosphäre des Albums nicht zerstört, ganz im Gegenteil. Sehr transparent schweben die Melodien und Soli durch den Raum, das es einem auch heute noch das Herz öffnet. „Flossenengel“ ist ein Album, das unverzichtbar für jede gute Rocksammlung ist.

Zwei weitere Novalis-Alben („Augenblicke“ und „Bumerang“) sowie Lutz Rahn’s Soloalbum „Solo Trip“ sollen noch in diesem Jahr folgen.

Stephan Schelle, März 2012

   

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