Nerissa Schwarz – New Eyes For Laika
Eigenvertrieb / frequencydrift.bandcamp.com (2022)
(9 Stücke, 36:51 Minuten Spielzeit)

Der Name Nerissa Schwarz (Komponistin, Produzentin und experimentelle Harfenistin) sollte den Freunden progressiver Musik bekannt sein, ist sie doch Mitglied der deutschen Progband Frequency Drift, mit der sie bereits in den Jahren 2008 bis 2018 acht Alben eingespielt hat. Im Jahr 2016 veröffentlichte sie dann unter dem Titel „Playgrounds Lost“ ihr erstes Soloalbum. Acht Jahre später ist es nun soweit und sie lässt ihr zweites Soloalbum vom Stapel.


Das neue Album nennt sich „New Eyes For Laika“. Es erscheint am 22.04.2022 per Bandcamp und auf digitalen Plattformen. Als CD (diese lag mir vor) und als digitales Album kann es über die Homepage frequencydrift.bandcamp.com bestellt werden. Die CD erscheint in einem vierseitigen Digipack und enthält neun Stücke mit Laufzeiten von 1:46 bis 5:14 Minuten Spielzeit.

Unterstützt wurde Nerissa Schwarz - wie schon auf ihrem Debütalbum - von Andreas Hack (ebenfalls Mitglied der Band Frequency Drift), der einige Keyboardparts beigesteuert hat. Nerissa selbst spielt elektrische Harfe, Keyboards und Synthesizer.

Auf dem Cover des Albums ist eine Landschaft aus dem Blickwinkel einer elektronischen Linse - wie eine Augenlinse - zu sehen. Das wirkt futuristisch und weist auf das Thema des Albums hin. „New Eyes for Laika“, das von dem ambivalenten Thema der selbstbewussten künstlichen Intelligenz inspiriert wurde, zeigt Schwarz’ charakteristische innovative Harfenklänge neben organischem Klavier und einer Vielzahl von spacigen Keyboards. Mit ihrem kreativen Einsatz von Effektpedalen entlockt sie ihrer Harfe eine unheimliche Atmosphäre, außerirdische perkussive Geräusche und schwere, verzerrte Basstöne, wobei sie suggestive Texturen, schwebende melodische Schönheit und subtile rhythmische Komplexität miteinander verbindet.

Wie schon auf „Playgrounds Lost“ zeigt sich die Musik von Nerissa Schwarz in einer soundtrackartigen Form, denn die Musik zeichnet Bilder im Kopf. Darüber hinaus besticht das Album durch einen voluminösen Sound. Man kann bei den elektronischen Klängen nicht immer genau erkennen, welche Parts mit der Harfe eingespielt wurden, da Nerissa durch die Effektpedale den Sound variiert.

Recht proggig/elektronisch geht es im ersten Stück, dem 3:22minütigen „Making Plans In The Dark“ zu. Hier treffen perlende Harfenklänge auf John Carpenter artige Synthesizersounds. Das ist der perfekte Soundtrack für einen Thriller. Unterbrochen wird diese Szenerie von Piano und Synthmelodien. Mit düsteren Sounds klingt dann dieser Opener aus. Dadurch, dass Nerissa mehrere Ideen in diesen ersten Track eingebaut hat, erzeugt sie einen hohen Spannungsbogen.

Fast schon klassisch wirkt dagegen der Beginn des zweiten Tracks, dem fünfminütigen „On Blackout Avenue“, bei dem in der ersten Minute Piano-, Spinett- und Streicherklänge den Ton angeben. Danach wird es wieder recht mysteriös und elektronisch. In dem Stück sorgt Nerissa neben Melodie- und Strukturwechseln auch durch den Wechsel in der Dynamik für Abwechslung.

Schnell pulsierende Beats bestimmen dann das Bild in dem nur 1:46minütigen „Olimpia’s Rage“. Dieses kurze Stück erinnert mich an 80’er Jahre Soundtracks und klingt als hätte man die Titelmelodien von „Terminator“ und „Miami Vice“ in eine Waschtrommel gepackt und dann die Waschmaschine in den Schleudergang geschaltet.

Repetitive elektronische Klänge, auf die sich dann eine Cellomelodie legt, starten dann in den nächsten Track, das 4:46minütige „Memories Of Being Made“. Sobald dann aber per Keyboard eine weitere Melodie aufkommt wechselt das Bild und wird danach von einer Mellotron-Harmonien abgelöst. Das Stück wandelt zwischen klassischer Musik, Elektronik und Soundtrack. Nerissa baut darüber hinaus immer wieder einige Breaks mit düsteren Klangmotiven ein, die die Aufmerksamkeit oben halten.

Verträumt zeigt sich dann das 5:09minütige „Raised Like A Daughter“. Auch die restlichen Stücke halten den Spannungsbogen aufrecht. Das abschließenden „Making Plans For Departure“ weist gar rockige Züge auf.

Mit ihrem zweiten Soloalbum ist der Bayreutherin Nerissa Schwarz wieder ein außergewöhnliches Werk gelungen, das sich nicht wirklich einer musikalischen Kategorie zuordnen lassen will. Sehr melodisch und harmonisch geht es über weite Strecken des Albums zu, immer wieder von teils düsteren Breaks unterbrochen. Aber genau das macht auch den Reiz der Musik aus, die sehr elektronisch ist, tief wirkt und Soundtrackcharakter besitzt. Ein starkes Statement.

Stephan Schelle, April 2022

   

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