Mythos – Superkraut / Live At Stagge’s Hotel 1976

Mythos – Superkraut / Live At Stagge’s Hotel 1976
Sireena Records / Broken Silence Distribution (2011)
(8 Stücke, 51:49 Minuten Spielzeit)

Stagge’s Hotel in Osterholz-Scharmbeck muss in den 70’ern ein Ort für Krautrockevents gewesen sein, denn nachdem Anfang Juli ein Livemitschnitt von Thirsty Moon aus dieser Location veröffentlicht wurde, geht es Anfang September mit dem nächsten Livemitschnitt vom selben Ort weiter. Dieses Mal wird ein Konzert von der Berliner Band Mythos, das am 05.03.1976 in Osterholz-Scharmbeck stattfand, veröffentlicht.


Seit vielen Jahren macht der Mitbegründer Stephan Kaske unter dem Projektnamen Mythos elektronische Musik. In den 70’ern war dieses Projekt aber eine Krautrockband. Ende 1971 nahm die Band das erste, selbst betitelte Album auf, das im Frühjahr 1972 bei dem berühmten Ohr-Label auf den Markt kam. Es folgten 1975 „Dreamlab“ und 1977 „Strange Guys“. Der Hauptteil des Livesets besteht aus Stücken des Albums „Dreamlab“ (allein vier der acht Stücke sind von diesem Album) sowie mit „Backstage Fumble“ ein Track vom 77’er „Strange Guys“. Daneben sind mit „There’s No God (Battlefield)“, „There’s No God (Final)“ und „Stagges Inferno“ drei Tracks auf der Live-CD enthalten, die bisher unveröffentlicht waren. Im Pressetext heißt es dazu: Stephan Kaske selbst war höchst erstaunt, als er von der Existenz der Aufnahmebänder erfuhr, war aber nach gründlichem Hören mit einer Veröffentlichung einverstanden. Eine wirklich weise Entscheidung! Dem kann ich mich vollkommen anschließen.

In der Besetzung Stephan Kaske (Flöte, Gitarren), Robby Luizaga (Bass, Akustikgitarre) und „Paradidel“ (Schlagzeug) haben sie 1976 live einige Auftritte absolviert. Wer sich hinter dem Pseudonym „Paradidel“ verbirgt, ist aus dem Booklet nicht ersichtlich. 1975 saß Hans-Jürgen Pütz und 1977 Ronnie Schreinzer hinter der Schießbude.

Zwar gibt es auch Gesang, doch liegt der Fokus bei den Mythos-Tracks auf ausgiebigen Instrumentalteilen. Da wird zum Beispiel herrlich gejammt. Einiges klingt nach Improvisation, anderes ist wieder sehr strukturiert. Wer auf ausufernden Instrumentalrock aus der Krautrockrock-Ära steht, der bekommt hier genau die richtige Portion geboten. Eine toller Mitschnitt.

Die Aufnahme muss mit einem Außenmikrophon gemacht worden sein, denn die Zuschauer sind während des Konzertes zu hören. Allerdings sind sie so in den Hintergrund gemischt, dass es nicht weiter stört und man die Musik sehr gut genießen kann. Man hat das Gefühl tatsächlich in dem Konzert zu sein. Stephan Kaske sagt zur Aufnahme selbst: „Ein Mitschnitt eines dieser unzähligen Konzerte ist nun tatsächlich wieder aufgetaucht und wird hiermit allen alten (und neuen?!) Krautrock-Fans wiedergegeben. Trotz aller technischer Unzulänglichkeiten und (bewusst!) fast unbearbeitet … - aber auf diese Weise beinahe unheimlich authentisch.“

Sehr gelungen finde ich die Covergestaltung, die diese psychedelische Figur vom Mythos-Debütalbum (hier saß sie auf einem Felsen) mit den Umrissen des Stagge’s Hotel verbindet.

Mit „Superkraut - Live At Stagge’s Hotel 1976“ ist Sireena ein tolles Zeitdokument in die Hände gefallen, das glücklicherweise zur Veröffentlichung freigegeben wurde. Nach diesen beiden Liveaufnahmen aus Osterholz-Scharmbeck bin ich sehr gespannt, bei welchen Acts die Bandmaschine noch mitgelaufen ist und welche Künstler uns in Naher Zukunft noch mit Livemitschnitten aus den 70’ern beglücken. Ich für meinen Teil hätte gerne noch mehr von derartigem musikhistorischem Tonmaterial. Sehr Empfehlenswert.

Stephan Schelle, August 2011

   

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