Mike + The Machanics – Out Of The Blue
BMG (2019)

(17 Stücke, 76:50 Minuten Spielzeit)

Mike Rutherford hat Weltruhm als Bassist und Gitarrist bei der britischen Musiklegende Genesis erlangt. Aber auch mit seinem eigenen Projekt, Mike + The Mechanics, dessen Debütalbum im Jahr 1985 erschienen ist, hat er große Erfolge gefeiert. Zahlreiche Hits hat er seither mit diesem Projekt veröffentlicht, darunter „The Living Years“, „All I Need Is A Miracle“, „Beggar On A Beach Of Gold“, „Another Cup Of Coffee“, „Word Of Mouth“ und „Over My Shoulder“. 


Da Mike kein ausgebildeter Sänger ist, hatte er sich für sein Projekt mit Paul Carrack und Paul Young zwei markante Stimmen an Bord geholt, die über viele Jahre den Sound seiner Band ausmachten. Die Mischung aus R’n’B- sowie Rockstimme der beiden unterschiedlichen Sänger machte dabei den Reiz aus. Seit 2010 ist Mike allerdings mit zwei neuen Sängern unterwegs. Andrew Roachford und Tim Howar teilen sich seither das Mikro bei Mike + The Mechanics (mit ihnen sind die Studioalben „The Road“ (2011) und „Let Me Fly“ (2017) entstanden).

Da diese Beiden die von Carrack und Young im Original eingesungenen Stücke auf ihre eigene Weise seit 2010 interpretieren, es aber bisher kein offizielles Livealbum der Band gibt (die Deluxe Edition von „Living Years“ enthält eine Bonusdisc mit Liveaufnahmen), lag es nahe, für ein „Best Of“-Album die Songs in der aktuellen Besetzung neu einzuspielen. Genau das hat Rutherford gemacht und acht ältere Songs neu aufgenommen. Um das Ganze abzurunden wurden der CD noch die brandneuen Stücke „One Way“, „What Would You Do“ und „Out Of The Blue“ hinzugefügt. Am 05.04.2019 ist das Album unter dem Titel „Out Of The Blue“ erschienen.

Das Album erscheint in verschiedenen Versionen. Mir lag die Deluxe Edition zur Besprechung vor, die in einem sehr schön gemachten Hardcover im Buchformat mit 20seitigem eingeklebten Booklet (mit zahlreichen Foto der aktuellen Formation) und einer zweiten CD daherkommt, auf der sich sechs Stücke in Akustikversionen befinden.

Da die Songs (inkl. der Neuen) in einem Zeitraum von gut 35 Jahren entstanden sind und daher auch etwas unterschiedlich klingen, lag Mike Rutherford daran, sie auf „Out Of The Blue“ homogener wirken zu lassen. Das ist ihm zweifelsfrei gelungen, auch wenn es neben den neuen Stimmen nur Nuancen sind, die sich zu den Originalen ergeben.

Bei der Ankündigung der Veröffentlichung des Albums erklärte Mike Rutherford: „Nachdem ich in den letzten 10 Jahren mit den Mechanics auf Tournee gegangen bin, habe ich gehört, wie sich die alten Songs jedes Jahr ein wenig geändert haben, wobei Andrew und Tim gesungen haben und die gleiche Band gespielt hat. In einigen Fällen wurden sie erweitert und entwickelt - so schien es eine gute Idee, diese Versionen endlich im Studio aufzunehmen: Jeder, der uns live gesehen hat, wird sicherlich gerne die alten Songs in dieser Form hören, weil sie zeigen, wie gut die beiden Sänger harmonieren. Besonders bei einem Song wie „Get Up“, der sich zu einer doppelten Lead-Stimme entwickelt hat.“

Zur aktuellen Tournee (zwischen dem 11.04. und dem 22.04.2019 kommen Mike + The Mechanics auch zu sieben Auftritten nach Deutschland) waren erst drei Songs fertiggestellt. Es sind aber bereits weitere in Arbeit. Diese Drei haben es dann auf das Album geschafft, ohne die Mike es nicht veröffentlicht hätte, da er den Fans mit der neuen Scheibe auch neues Material bieten wollte. Mit ihnen beginnt dann auch das Album.

Gestartet wird mit „One Way“ dessen Rhythmus zwar aus der Drummachine kommt und zunächst etwas steril wirkt, aber durch die sanfte Stimme von Roachford und der eingängigen Melodie besticht. Das folgende Titelstück ist eindeutig das Highlight der drei neuen Songs, versprüht es doch den Spirit von Mike’s Band und zeigt, dass er immer noch wunderbare Popsongs schreiben kann. Der dritte neue Song im Bunde ist dann „What Would You Do“, der sich so ein bisschen an dem momentanen Popstil anlehnt. Für meinen Geschmack der Schwächste der neuen Songs.

Danach folgen dann „The Living Years“, „Beggar On A Beach Of Gold“, „Get Up“, „Another Cup Of Coffee“, „All I Need Is A Miracle“, „Silent Running“, „Over My Shoulder“ und „Word Of Mouth“. Diese Songs decken die erste Dekade vom ersten, selbstbetitelten Album aus dem Jahr 1985 bis zum vierten Album „Beggar On A Beach Of Gold“ aus dem Jahr 1995 ab.

Der Unterschied zu den Originalen zeigt sich schon zu Beginn im ersten neu eingespielten Song „The Living Years“, dem man ein leicht Gospelartiges Flair verpasste. Allerdings zeigt sich auch, dass die Originalsänger markanter zu Werke gingen. „Get Up“ entwickelt dann in der Tat durch den Einsatz beider Sänger, die über weite Strecken gemeinsam singen, eine gewisse Dynamik. „All I Need Is A Mircle“ unterscheidet sich am deutlichsten vom Original. Druckvoll ist es in den ersten gut vier Minuten und enthält am Ende einen Part, der durch sein Gospelflair dem Song ein neues Gewand verleiht.

Die 26 Minuten lange BonusCD der Deluxe Edition enthält dann noch Akustikversionen der Stücke „Don’t Know What Came Over Me“, „The Best Is Yet To Come“, „The Living Years“, „Beggar On A Beach Of Gold“, „Another Cup Of Coffee“ und „Over My Shoulder“.

„Die Aufnahme der unplugged-Version war wie in alten Zeiten - die Treppe hinunter in ein Kellerstudio, nicht fünfzig Meter von den Trident Studios entfernt, wo wir Genesis’ zweites und drittes Album aufgenommen haben: Wir haben diese Songs live aufgenommen und Tim und Andrew haben die Titel mit großartigen Gesangseinlagen geführt. Wir haben sie gemischt, wie wir sie aufgenommen haben - wie früher eben.“

Auch wenn man die älteren Songs, die auf dem Album enthalten sind bereits in- und auswendig kennt und es sich nicht um die erste „Best Of“-Scheibe von Mike + The Mechanics handelt, so macht diese Veröffentlichung doch Sinn. Gerade die Neuinterpretationen, die sich ein wenig von den Originalen unterscheiden, was schon an den Sängern Roachford und Howar liegt, rechtfertigen den Kauf der Scheibe. Aber erst in der Deluxe Edition erstrahlen einige der Stücke in den Akustikversionen in abgespeckter Version mit neuem Esprit.

Stephan Schelle, April 2019

   

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