Long Distance Calling –The Flood Inside

Long Distance Calling –The Flood Inside
Superball Music (2013)
(8 Stücke, 55:27 Minuten Spielzeit)

Die aus dem Münsterland stammende Band Long Distance Calling stand auf ihren bisherigen drei Studioalben für trippigen, instrumentalen Prog- bzw. Artrock. Vor der Aufnahme zum neuen Album „The Flood Inside“, das am 01.03.2013 in die Läden kam (das Vorgängeralbum platzierte sich sogar auf Platz 36 der Media Control Verkaufscharts), zeigte sich eine kleine Veränderung im LineUP.


Während David Jordan (Gitarre), Florian Füntmann (Gitarre), Jan Hoffmann (Bass) und Janosch Rathmer (Schlagzeug) weiterhin an Bord sind, kam für Reimut van Bonn mit Martin „Marsen” Fischer ein fester Sänger in die Band. Und als Gäste wirken darüber hinaus noch Vincent Cavanagh (Anathema) und Petter Carlsen mit.

Die CD erscheint in zwei Versionen. Zum einen ist das die „normale“ Ausgabe mit acht Stücken und einer Laufzeit von 55:27 Minuten, zum anderen gibt es noch das limitierte Digipack, das neben der geänderten Verpackung auch noch mit „Black Hole“ einen viereinhalbminütigen Bonustrack präsentiert.

Nach dem Ausstieg von Reimut van Bonn machten sich die anderen auf die Suche nach einem Sänger. Kollaborationen mit verschiedenen Sängern wie z.B. John Bush (Armored Saint, ehemals Anthrax) oder Jonas Renkse (Katatonia) sind bereits von vergangenen Alben bekannt, doch schon früh merkten LONG DISTANCE CALLING, dass ihr Weg sie diesmal in eine andere Richtung führen würde. Und zwar weg vom reinen Instrumental-Rock. „Wir haben während des Schreibens gemerkt, dass eine Stimme diesmal viel Sinn machen würde. Stillstand und Formeln sind nicht unser Ding, deswegen fiel uns dieser Schritt sehr leicht.“ Da die Bandmitglieder von LONG DISTANCE CALLING musikalisch vielseitig sozialisiert sind, ist die Stellenbeschreibung schnell formuliert: gesucht wurden weder Brüllaffe noch weinerlicher Schuhestarrer, sondern eine zeitlose Rockstimme im Stil von Faith No More oder Soundgarden. Eine Rolle, die Martin „Marsen“ Fischer (Pigeon Toe, Ex-Fear My Thoughts) geradezu wie auf den Leib geschneidert ist.

Mit dem siebenminütigen „Nucleus“ startet die CD in gewohntem atmosphärischen Instrumentalrock. Herrliche Gitarrenmotive (von der Lead- wie auch Rhythmusgitarre), dazu akzentuiert eingestreute Sounds und ein treibendes, sehr schön ausgearbeitetes Schlagzeugspiel überzeugen schon in diesen ersten Momenten. Hier bieten Long Distance Calling genau den Stoff, den ihre Fans so von ihnen lieben. Das geht sofort ins Ohr und hypnotisiert den Hörer, der von der ersten Minute an wie das Kaninchen vor der Schlange sitzt. Das hat Suchtpotenzial.

Kraftvoller Rock eröffnet dann das folgende Titelstück, bei dem erstmals Martin ans Mikro tritt. Und er macht eine verdammt gute Figur, denn seine Stimme, die ein wenig in den Hintergrund gemischt ist, passt perfekt zu dem neuen Sound von Long Distance Calling. Die Münsteraner spielen hier eine sehr eingängige Form des Artrock die auch Popappeal aufweist, dabei aber immer sehr druckvolle Riffs zeigt.

Mit „Ductus“ wird es dann noch eine Spur elektronischer. Wow, was haben die Jungs da für einen Sound kreiert. Da perlen die Klänge durch den Raum, unterlegt von den typischen Gitarrensounds der Band. Wieder tauche ich ab und bin wie von Sinnen. Im Stück „Tell The End“ zeichnen sie dann ein ganz anderes Bild. Das ist klassischer Rock mit fetten Gitarrenriffs und einem eingängigen Refrain. Das macht einfach nur Spaß.

Mystisch wirken die elektronischen Sounds zu Beginn von „Welcome Change“. Ganz langsam steigern sie sich in der ersten Minuten um dann in einen Song überzugehen, der eine Mischung aus Long Calling Distance, Anathema, U2 und noch viel mehr zu sein scheint. Die Instrumentalpassagen haben wieder eine hohe Sogwirkung, die den Hörer immer tiefer in den Klangkosmos der Band zieht.

Ungewöhnlich ist „Waves“, das mit einem Sprecher beginnt und gar soulige Wahwah-Gitarren beinhaltet. Aber auch in dieser Form kommen nach wenigen Minuten wieder faszinierende Klanggebilde zum Vorschein, deren magischer Wirkung man sich nicht entziehen kann. Hier sind es vor allem die atmosphärischen Gitarren und der akzentuierte Schlagzeugrhythmus sowie eingeworfene Sounds, die überzeugen. Es folgen der rockige Song „The Man Within“, bei dem die Band fette Riffwände einzieht und das abwechslungsreiche „Breaker“, das mit lauten und leisen Tönen sowie unterschiedlichen Rhythmen spielt

Wow, was haben die Münsteraner Long Distance Calling da für ein Hammeralbum produziert. Sounds, Melodien, Rhythmen, die Gesangsparts, Klangtechnik, hier stimmt einfach alles. Die Songs / Stücke machen süchtig und man wird schnell in einem starken Sog gefangen, der einen nicht mehr loslassen will. Ein klasse Werk, das Freunde von Prog- und Artrock in ihrer Sammlung haben sollten.

Stephan Schelle, März 2013

   

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