Lesoir - Latitude
Gentle Art Of Music / Soulfood (2017)

(13 Stücke, 62:18 Minuten Spielzeit)

Die niederländische Artrockband Lesoir ist nach drei Alben beim deutschen Label Gentle Art Of Music untergekommen. Ihr viertes Werk trägt den Titel „Latitude“ und erscheint am 17.11.2017. Schon im Jahr 2015 hatte das niederländische Quintett Maartje Meessen (Gesang, Flöte, Piano), Ingo Dassen (Gitarre), Eleen Bartholomeus (Gesang, Gitarre, Keyboards, Percussions), Ingo Jetten (Bass) und Bob van Heumen (Schlagzeug) auf dem Night Of The Prog-Festival als Opener des ersten Tages überzeugen können. Die Band hat in der gleichen Besetzung ihr neuestes Werk eingespielt. 


Im Vergleich zu den Vorgängerwerken legen Lesoir diesmal deutlich intensiveren Fokus auf eine progressive Ausrichtung, welche der Melodie den Vorzug vor der bloßen Wucht gibt. Mehr denn je ist man auf eine ebenso ausgewogene wie experimentell-mutige Balance zwischen Lyrics, Melodie, Groove und explosiver Dynamik bedacht. So achtet man z. B. auf „Latitude“ sehr zielgerichtet darauf, der Musik im Mix Raum zum Atmen zu geben. Da trifft es sich natürlich blendend, dass man an den Reglern einen Zauberer wie John Cornfield sitzen hatte, der u. a. bereits für den legendären „Absolution“-Sound von Muse zuständig war.

Ob Klimawandel, die Rolle der Menschheit auf dem Planeten oder gar die markerschütternde Geschichte des Bandfreunds und Bataclan-Terror-Überlebenden Ferry Zandvliet: Lesoir bringen die Schönheit der Melancholie mit der schroffen Boshaftigkeit des zerklüfteten Ödlands zusammen und schaffen daraus so imposante wie berührende Musik.

13 Stücke mit Laufzeiten zwischen 1:55 und 7:25 Minuten finden sich auf dem neuesten Album der Niederländer. Es beginnt sehr atmosphärisch mit Piano im eröffnenden „Modern Goddess“. Dann kommt weiblicher Gesang auf und sorgt für eine intensive Stimmung. Nach anderthalb Minuten ruhiger Stimmung kommen dann schlagartig Gitarren, Bass und Schlagzeug hinzu und sorgen für einen kraftvollen Fortgang. Die Band spielt hier mit der Lautstärke.

Auch wenn Lesoir ein wenig an Härte herausgenommen haben, so sind die Stücke immer noch sehr kraftvoll angelegt, was sich zum Beispiel auch in „In The Game“ zeigt, das mit fast Musicalhaften sowie Hardrockpassagen spielt. Das klappt aber erstaunlich gut. Damit schwimmen Lesoir nicht im üblichen Prog-/Artrockgewässer, sondern kreieren ihren ganz eigenen Stil.

Die beiden Sängerinnen Maartje und Eleen haben markante Stimmen und sorgen für einen hohen Erkennungswert. Ein weiterer Pluspunkt sind die teilweise ungewöhnlichen Songstrukturen, die ihre Stücke so spannend machen. Ein eingängiges sanftes Stück wie etwa in „In Their Eyes“ darf aber auch nicht fehlen. Die Instrumentierung und Soli in den Stücken perfektioniert dann das Ganze. So wirkt „Gone And Forgotten“ beispielsweise durch die Keyboardsounds recht symphonisch. „Zeros And Ones“ ragt durch einen etwas schrägen Ansatz etwas aus den anderen Songs heraus während „Faith Is“ dann aber mit einer Ohrwurmmelodie aufwartet. Kaum ein Stück gleicht dem Anderen, lediglich die Gesangsstimmen zeugen davon, dass hier eine Band am Start ist.

„Latitude“ ist ein sehr schönes, abwechslungsreiches Artrockalbum mit Hardrockeinschlag geworden, bei dem Lesoir immer auf die Melodie achten, die aufgrund ihrer ungewöhnlichen Struktur den Reiz dieser Musik ausmacht. Man kann die Experimentierfreude der Niederländer förmlich in jedem Song spüren. Das sorgt aber auch dafür, dass man sich Zeit für das Album nehmen muss.

Stephan Schelle, Oktober 2017

   

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