Kraan - Sandglass
Bassball Recordings / 36music / Broken Silence (2020)

(13 Stücke, 50:15 Minuten Spielzeit)

Die deutsche Jazzrockband Kraan gehört mit zu den dienstältesten Bands in der deutschen Rockszene. 1970 gegründet schrieben Hellmut Hattler (Bass, Gesang), Jan Fride (Schlagzeug, Percussion) und Peter Wolbrandt (Gitarre Synthesizer, Gesang) Musikgeschichte. Im 50. Jahr ihres Bestehens erscheint nach nunmehr zehn Jahren ein neues Studioalbum der deutschen Kraaniche. Es trägt den Titel „Sandglass“. Die 13 Stücke haben Spielzeiten zwischen 2:39 und 5:44 Minuten.


Die drei Kraaniche haben sich bei der neuen Produktion ein paar Gastmusiker zur Seite gestellt, die sich mit ihren Instrumenten bei einigen Stücken einbringen. Das sind Martin Kasper (Keyboards), Shirley Fischer (Flöte) und Jürgen Schlachter (Tambourine) sowie ihre alten Weggefährten Joo Kraus (Horn Section und Wurlitzer Piano) und Ingo Bischof (Keyboards). In den mehr als ein Dutzend Stücken zeigen sie erneut ihre ganze musikalische Klasse und die Perfektion an ihren Instrumenten. Darüber hinaus klingen die Stücke frisch und zeitlos.

Hellmut Hattler sagt zu dem neuen Album: „Die Arbeit an diesem Album ist in der Zeit des Lockdowns entstanden; jeder hat den jeweils anderen Kraanichen seine Files geschickt, und da alle ans Haus gefesselt waren und Zeit hatten, ging der Ideenaustausch ziemlich flott vonstatten und alle waren froh, diesem gespenstischen Zuhause-bleiben eine auf- und anregende, ja, leicht magische Arbeit entgegenstellen zu können.“

Während Hellmut Hattler’s Stücke überwiegend in der Zeit des Lockdowns entstanden sind, hatte Peter Wolbrandt seine neuen Stücke zum Großteil bereits in der Schublade liegen. Diese wurden dann noch von den andern beiden Bandmitgliedern ergänzt und fertiggestellt.

Zum ersten Mal bei Kraan übernimmt Hellmut Hattler die Leadstimme bei drei Titeln, die er auch selbst geschrieben hat. Es sind sehr persönliche Texte, also drängt es sich geradezu auf, dass er diese, seine persönlichen Gedanken auch selbst mit seiner Stimme mitteilt. Auch der im Januar 2019 verstorbene langjährige Kraan-Keyboarder Ingo Bischof ist im Album präsent. Hellmut Hattler: „Ich habe in meinem digitalen Schallarchiv noch ein paar Keyboard-files von Ingo gefunden, da er ja früher, bevor er krank wurde, mit seinen Klängen viele meiner Kompositionen angereichert hatte. Hellmut hat daraus Keyboardpassagen benutzt, die er in das Stück „Moonshine On Sunflowers“ eingebaut, und so den alten Freund und Weggefährten noch einmal posthum ins Team eingebunden hat.

Das Titelstück eröffnet dann auch das neue Album. Teils gegensätzliche Gitarren- und Basslinien eröffnen den Song, der sich aber in seiner verwirrenden Rhythmik von einer faszinierenden Seite zeigt. Das klingt frisch. Jazzige Motive werden dann im Instrumentalteil geboten, die vor allem durch die Keyboards erzeugt werden, während das Schlagzeug einen treibenden, pulsierenden Rhythmus bietet. Dem folgt ein kurzes aber stimmungsvollen Gitarrensolo.

„Funky Blue“ wird seinem Namen gerecht, darin vermischt die Band Funk und Rock und garniert das ganze mit perlenden Synthieklängen, die eine Note Psychedelic einbringen. Ein tolles Stück. „Solitude“ ist dann ein typisches Hattler-Stück mit leichtem Popappeal und markantem Bass. Und das Gitarrensolo von Peter Wolbrandt sorgt darüber hinaus für Gänsehaut.

„Pick Peat“ ist ein toller Instrumentaltitel, bei dem die drei Musiker in die Vollen gehen und den ganzen Charme von Kraan und auch der Soloarbeiten von Hattler zum Tragen kommen lassen. „Path“ ist ein eingängiger Song mit Satzgesang und atmosphärischen Instrumentalparts, der auch gut auf ein Solowerk von Hattler Platz gefunden hätte. In „Schöner wird’s nicht“ kann Jan Friede bewiesen welch herausragender Taktgeber er an den Drums ist. Auch eine Percussionsequenz, die an Santana zu ihren besten Zeiten erinnert, findet sich in diesem Stück.

Beatlesfeeling kommt dann im Song „Das Meer“ auf, während „Hallo Kante“ mit herrlich perlenden Klangbildern und tollen Solobeiträgen begeistern kann. Die Leadgitarre klingt manchmal wie bei Michael Rother und die Rhythmusgitarre zeigt sich von einer treibenden Seite. „Moonshine On Sunfloweers“ ist atmosphärisch und schwebt förmlich auf Keyboardsounds, die aus der Feder von Ingo Bischof stammen. Darauf setzten die Drei dann sehr dezent und melancholisch ihre Beiträge. Eine gelungene, schöne Hommage an ihren verstorbenen Keyboarder.

„Sandglass“ könnte das letzte Studioalbum von Kraan sein, lautet doch das Leitmotiv des Albums: „See the time pass – There’s a crack in the sandglass“. Jedenfalls haben die Kraaniche mit „Sandglass“ ein tolles Spätwerk abgeliefert, das frisch und zeitlos daherkommt.

Stephan Schelle, September 2020

   

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