Karmakanic – In A Perfect World

Karmakanic – In A Perfect World
InsideOut Music (2011)
(7 Stücke, 58:13 Minuten Spielzeit)

Das Jonas Reingold, seines Zeichens Bassist bei der schwedischen Progformation The Flower Kings, der Mastermind von Karmakanic ist, das zeigt sich unmissverständlich im Opener „1969“ der neuen CD dieser Band, die den Titel „In A Perfect World“ trägt. Allerdings ist das nur eine kurze Reminiszenz an seine Hauptband, denn die übrigen Bandmitglieder scheinen hier gleichberechtigt zu agieren. Wie sonst wäre die Stielvielfalt, die sich auf der neuen CD findet, anders zu erklären?


Neben Jonas Reingold, der auch hier den Bass spielt und Backgroundgesang beisteuert, wirken noch Marcus Liliequist (Schlagzeug), Göran Edman (Gesang), Lalle Larsson (Keyboards, Backgroundgesang), Nils Erikson (Gesang, Keyboards) und Krister Jonsson (Gitarren) mit. Im Vergleich zum Vorgänger „Who’s The Boss In The Factory“ sitzt nun für Zoltan Csorsz Marcus Liliequist hinter’m Schlagzeug und Nils Erikson ist als Verstärkung zur Gruppe hinzugekommen.

Karmakanic haben sich nicht einem einzigen Musikstil verschrieben, vielmehr probieren sie viel aus und so zeigen sich die Stücke auf dem Album dann auch in unterschiedlichen Facetten. Wenn man das Album blind durchhört, könnte man zur Auffassung kommen, einen Sampler mit unterschiedlichen Interpreten vor sich zu haben. Da könnte man nun Reingold & Co. unterstellen sich nicht für einen Stil entschieden zu haben, doch wenn das so perfekt und abwechslungsreich wie auf „In A Perfect World“ gemacht ist und trotzdem auch noch eine homogene Ausstrahlung aufweist, dann kann dieser Umstand auch als großes Plus gewertet werden. Und genau so sehe ich das auch.

Wie schon erwähnt klingen Karmakanic im Opener, dem 14:12minütigen „1969“ wie The Flower Kings. Aber auch Gitarrenparts und Gesangslinien wie bei Yes oder Keyboardsounds wie von The Tangent gesellen sich dazu und machen aus diesem Longtrack einen wahren Hörgenuss.

Schwamm der Opener noch in Progressive Rock-Gefilden, so stellt das folgende „Turn It Up“ einen richtigen Gassenhauer in Form von Melodic- bzw. Stadionrock dar. Zunächst kommt ein Schlagzeugmotiv aus dem Hintergrund, zu der eine Pianomelodie gespielt wird. Das klingt zunächst sehr stark nach Toto und verbindet diesen Sound mit verschiedenen Anleihen, darunter auch Kansas und Spock’s Beard. Das ist so gut gemacht, dass es meines Erachtens auch im Radio eine ankommen dürfte. Das haben wohl auch Karmakanic erkannt, denn der Song ist auf der Special Edition auch als Radio Edit enthalten. Bei mir hat sich dieses Stück mittlerweile fest in die Hirnrinde gebrannt. Ein Song, den man so schnell nicht wieder aus dem Kopf bekommt.

Im folgenden „When The Wolrd Is Caving In“ wechselt erneut die Stilrichtung. Der Sologesang zu Beginn des Stückes lässt zunächst Erwartungen an einen Marillion-Song (mit h am Mikro) aufkommen. Hier agieren Karmakanic anfangs noch recht melancholisch. Musikalisch geht der Song auch in Richtung sanfter Peter Gabriel Ballade. Doch das ist in diesem fast neunminütigen Stück nur von kurzer Dauer, denn der Song entwickelt sich zu einer Rocknummer mit 70’s Flair. Hier klingen die Keyboards dann auch mal nach John Lord. Eine tolle mitreißende Nummer.

Die wohl abgedrehteste Nummer ist „Can’t Take It With You“. Was als Latinosong der Marke Juanes oder Ricky Martin beginnt, wandelt sich nach der ersten Strophe zu einem Metaltrack, der allerdings immer wieder zwischen diesen beiden Stilen vermischt mit Artrock hin- und herpendelt. Eine irre Mischung, die zunächst sehr merkwürdig klingt, dann aber einfach nur Spaß macht.

„There’s Nothing Wrong With The World“ beginnt mit einem Piano und klingt zunächst nach einer melancholischen Roger Waters Ballade. Aber auch hier ändert sich nach wenigen Momenten die Stilrichtung und ein klasse Song aus Prog-, Art- und Melodicrock entwickelt sich. In diesem Stück klingen Karmakanic auch wieder eine Spur nach The Flower Kings. Ein Artrock-/Popsong ist „Bite The Grit“ mit Gitarrenwänden im Refrain und anschließenden Streichern und Steelguitar als Kontrast, der an Bands wie White Stripes & Co. erinnert.

Das „normale“ Album wird von „When Fear Came To Town“ beendet, einem fast zehnminütigen Longtrack. Er beginnt sehr blueslastig mit Akustikgitarre und Gesang. In dieser sehr langsamen Nummer kommt besonders der Dialog von Akustikgitarre und Bass sehr schön zur Geltung. Und in der zweiten Hälfte wird der Song gar symphonisch. Wenn dann die Pianomelodie einsetzt, schieben sich die Klänge förmlich unter die Haut.

Die CD kommt als Normalversion sowie als Special Edition auf den Markt. Die Special Edition ist um den Radio Edit von „Turn It Up“ sowie dem 22:34minütigen Song „Send A Message From The Heart“ erweitert. Während der Radio Edit noch auf einem normalen CD-Player abgespielt werden kann, handelt es sich bei „Send A Message From The Heart“ (der Opener des letzten Albums „Who’s The Boss In The Factory“) um ein Video-File, das auf jedem handelsüblichen PC abgespielt werden kann. Es ist quasi ein „Making Of“ zum Album, denn neben Musik und Bildern aus dem Studio sind auch Interviews enthalten. Dieser Track dürfte besonders für Flower Kings-Fans interessant sein, ist doch auch Roine Stolt zu sehen.

Was für eine Vielfalt haben Karmakanic da auf ihrem neuen Album untergebracht und das in einer so homogenen Form, dass das Album nicht wie Patchwork, sondern sehr stimmig klingt. Ein wirklich tolles Progwerk, das sowohl moderne wie auch nostalgische Stilelemente miteinander verbindet. Das Album kann ich nur wärmstens empfehlen.

Stephan Schelle, Juli 2011

   

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