InVertigo - InMotion
Progressive Promotion Records (2019)
(6 Stücke, 45:08 Minuten Spielzeit)

Man kann nun wirklich nicht behaupten, dass die Jungs der deutschen Progressive Rock Band InVertigo die schnellsten sind, was das veröffentlichen von Alben betrifft. Nach einer Demo-CD aus dem Jahr 2007 und den beiden Alben „Next Stop Vertigo“ (2010) und „Veritas“ (2012) ist das neueste Werk „InMotion“, das am 02.11.2019 erschienen ist, erst ihr drittes offizielles Studioalbum.


Personell hat es in dieser langen Zeit aber nur eine Veränderung gegeben. Während Sebastian Brennert (Gesang, Piano), Michael Kuchenbecker (Keyboards, Synthesizer), Matthias Hommel (Bass, Bass-Synthesizer) und Carsten Dannert (Schlagzeug, Percussion) noch zum LineUp gehören, ist für Jaques Moch nun Kolja Maletzki an den Gitarrensaiten zu hören. Darüber verleihen die beiden Backgroundsängerinnen Julia Grozelanczyk (u.a. Fritz Brause Band) und Ina Merz der Produktion noch mehr Volumen.

Den Beginn macht das druckvolle, siebenminütige „Interrompu“, dass schon beweist, dass sich InVertigo treu geblieben und weiterhin im Neo Prog unterwegs sind. Ausufernde Gitarrenparts, herrliche Keyboard- und Synthiesounds und eine treibende Rhythmusgruppe bestimmen diesen Opener. „Der Song funktioniert sehr gut als Wiedereinstieg in den InVertigo-Kosmos nach längerer Pause“, erklärt Keyboarder Michael Kuchenbecker. „Es geht darum, wie frustrierend es sein kann, wenn schöpferische Prozesse unterbrochen werden.“ Aber nicht nur thematisch sondern auch musikalisch ist es ein guter Einstieg, bei dem man sich als Proggie sofort wieder zu Hause fühlt.

Dem folgt dann der mit 10:28 Minuten Spielzeit längste Track des Albums mit dem Titel „Listen To The Smell Of The Pretty Picture“. Herrliche Orgel- und Flötensounds eröffnen diesen Longrack und lassen 70’er Jahre Prog-Feeling aufkommen. Damit wecken sie Erinnerungen an die großen Namen der 70’er ohne aber ihren eigenen Stil zu vernachlässigen. Vor allem die Instrumentalparts überzeugen. In diesem Song stellen Sebastian’s Gesang und die Backgroundstimmen von Julia Grozelanczyk und Ina Merz einen passenden Gegenpol dar.

Alle reden derzeit von der 16jährigen Schwedin Greta Thunberg. Man hat jedoch vergessen dass bereits im Jahr 1992 die damals 12jährige Severn Suzuki auf dem Klimagipfel in Rio de Janeiro im Namen aller Kinder dieser Erde Forderungen an die Erwachsenen gestellt hat. Und mit diesem Thema beschäftigen sich InVertigo in dem Song „Severn Speaking“ und zeigen damit eine sozialkritische Haltung, die sich auch im Umfeld des Neo Prog gut macht. Dazu haben sie die Stimme von Severn in ihren Song eingebaut und zu Beginn einen tickenden Rhythmus darunter gelegt, der deutlich macht, wie dringlich es ist, die Umweltprobleme endlich anzugehen. Matthias Hommel erläutert seine Idee zu dem Song: „Da sitzen all diese hoch dekorierten Delegierten und hören schweigend zu. Aber der letztendlichen Aufforderung ‘Lasst euer Handeln euer Reden widerspiegeln ...’ sind sie nicht nachgekommen. Daher die Idee, das Ganze in einen Song zu packen, in der Hoffnung, dass Severn doch noch einmal gehört und dann auch entsprechend gehandelt wird.“ Das ist leider aktueller denn je und unterstützt die Aufforderungen von Greta Thunberg und der Friday For Future-Bewegung. Musikalisch kommt dieser Song in die Nähe von Bands der Marke Arena & Co. Darüber hinaus ist er mit Progmetalartigen Rhythmen versehen.

Der härteste Song folgt dann mit dem fast neunminütigen „Wasting Time“, das wiederum stilistisch in die Nähe von Bands wie Arena tritt. Der ehemalige Gitarrist Jaques Moch hatte das Grundgerüst geschrieben. Zusammen mit seinem Nachfolger Kolja Maletzki hat die Band diesen intensiv-treibenden Song über diverse Auswüchse so genannter „Verschieberitis“ vollendet.

Den Abschluss bilden dann die beiden Parts von „Life“ („Life Part I“ und „Life Part II“). Der in zwei Parts unterteilte Longtrack „Life“ basiert auf einer a capella-Komposition von Matthias Hommel, die InVertigo in ein lässig groovendes Classic Rock-Gewand gekleidet haben. In beiden Teilen tauchen immer wieder Zitate von Themen aus dem Piano-Konzert in a-moll von Edvard Grieg auf. Michael Kuchenbecker: „Mir fiel auf, dass es dort ein Motiv gibt, das der Strophenmelodie von ‘Life’ zufälligerweise sehr ähnelte. Also experimentierte ich ein wenig damit herum und kombinierte es mit einigen sehr charismatischen Propgressive-Rock-Elementen, die dazu passten.“ Schon in den ersten Klängen erkennt man den Grieg-Ansatz. Dazu werden tolle Rockelemente eingefügt die teils an Yes, Wakeman und viele andere Größen aus dem Rock-, Prog- und Neo Prog-Bereich erinnern. Die Band hat damit eine gelungene Melange erstellt.

Das Warten hat sich wirklich gelohnt, denn die Rockformation InVertigo hat mit „InMotion“ ein klasse Album eingespielt. Damit müssen sich die fünf Jungs aus dem Ruhrpott wahrlich nicht vor großen Namen aus der Neo Prog-Szene verstecken. Es ist nur zu hoffen, dass sie sich bis zum nächsten Output nicht wieder soviel Zeit lassen.

Stephan Schelle, Dezember 2019

   

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