Grobschnitt – Solar Music live
 

Grobschnitt – Solar Music live
revisitedrec / spv (1978 / 2009)
(9 Stücke, 65:43 Minuten Spielzeit)

Im Jahr 1978 erschien Grobschnitt’s phänomenales Stück „Solar Music“ zum ersten Mal in einer ausführlichen Liveversion auf Vinyl. Zuvor gab es schon eine gekürzte Fassung auf dem Album „Ballermann“. Dieses Stück, das bereits in der Crew Blues Session-Ära (Vorband von Grobschnitt) Ende der 60’er seinen Ursprung hat, wurde zum Höhepunkt eines jeden Grobschnitt-Konzertes. Nachdem 1998 bereits eine vom ehemaligen Schlagzeuger und Soundmagier Eroc remasterte Version der LP bei Repertoire Records auf CD erschienen ist, sie ist bereits seit längerem vergriffen, erscheint dieses Meisterwerk deutscher Rockgeschichte im Frühjahr 2009 erneut bei revisitedrec / spv.


Wenn es eine Blaupause für mitreißende Livestücke, die mit ausufernden Soli, oder dem im Progbereich so beliebten Spiel mit Tempo-, Melodiewechsel, Improvisationen und den Variationen der Lautstärke gibt, dann ist das zweifelsohne Grobschnitt’s „Solar Music“. Als das Album erschien elektrisierte es die Krautrockfans im ganzen Land, die der Band auch noch über die Jahre nach ihrer Auflösung im Jahr 1989 die Treue hielten.

Dieses bei den Fans so beliebte Livestück wurde in den 70'ern sehnsüchtig als Album erwartet, würzte es die Band doch durch eine unglaubliche Livepräsenz und -show. Grobschnitt spielten dieses Soundmonstrum nicht nur einfach auf der Bühne runter, nein sie zelebrierten jeden Ton zusammen mit den Fans und untermalten den Sound durch eine unglaubliche Bühnenshow. Auf der Bühne wurden bei dem Stück wahre bengalische Feuer abgebrannt und die Hallen Deutschlands wurden in nahezu undurchdringlichen Nebel gehüllt. Nicht umsonst wurden sie 1979 als beste Liveband des Rockpalast von den Zuschauern gewählt. Bei ihrem Auftritt in der Dortmunder Westfalenhalle, der kurz vor Weihnachten 1979 im WDR ausgestrahlt wurde, stand natürlich auch „Solar Music“ auf dem Programm. Wohl kaum ein anderes Stück wird so mit der Hagener Band verbunden, wie „Solar Music“.

Eroc, der die Aufnahme von den Originalbändern neu gemischt hat, hat beim Mastering wieder ganze Arbeit geleistet, denn die Aufnahme hat eine unglaubliche Transparenz und Detailvielfalt, so dass man sich – vor allem über Kopfhörer – mitten zwischen den Musikern wähnt. War die 78’er Aufnahme schon ausgezeichnet und hatte die Liveatmosphäre tatsächlich auf Vinyl übertragen, so legt diese remasterte Version noch einmal ein paar Schüppen drauf.

Das Stück strotzt nur so vor Ideenreichtum und ist nach mehr als 30 Jahren immer noch taufrisch. Die Band agiert während des Auftritts in Mülheim wie beim Fußball und schaltet in dem langen Stück oft zwischen Verteidigung und Angriff um. So hört man in einem Moment noch sphärische, proggige, teils psychedelische Klänge während im nächsten Moment ordentlich losgerockt wird.

Bei dieser Aufnahmen wird auch deutlich, welchen Einfluss zum damaligen Zeitpunkt – für die meisten Fans befanden sich Grobschnitt auf ihrem Höhepunkt (das letzte Studioalbum „Rockpommel’s Land“ entwickelte sich zum Bestseller) – der Keyboarder Volker Kahrs alias „Mist“ auf den Sound der Band hatte. Mal geht er sphärisch, dann klassisch oder rockig verspielt ans Werk und immer passt sein Beitrag perfekt ins Gesamtbild. Aber auch die Rhythmusgruppe, bestehend aus Bassist Hunter (er wechselte Anfang der 80’er zu Extrabreit) und Schlagzeuger Eroc, sorgte nicht nur für den nötigen Druck, sie bereicherte das Spiel auch durch ihr akzentuiertes Spiel. Und nicht zu vergessen die beiden Gitarristen Lupo und Wildschwein, die für die Melodien und tollen Soli sorgten.

Die 1978 mitgeschnittene Version von „Solar Music live“ ist eine der beliebtesten Versionen bei Fans und Freunden guter Rockmusik (seit 1994 sind einige Versionen des Stückes von Eroc remastert und neu herausgebracht worden - siehe zum Beispiel die Reihe The History Of Solar Music). Sie ist ein unglaublich energiegeladenes Stück Musikgeschichte, dass in keiner Rocksammlung fehlen darf. Fans, die die CD bereits besitzen, bekommen neben einigen neuen Bildern im Booklet auch noch neue Linernotes, die Eroc im Jahr 2008 geschrieben hat. Für Rockfans, die das Album noch nicht als CD in ihrem Schrank haben, stellt diese Wiederveröffentlichung einen Pflichtkauf dar.

Stephan Schelle, April 2009

   

CD-Kritiken-Menue