Electric Orange – Volume 10 
Sony Music / Columbia (2014)

(8 Stücke, 79:20 Minuten Spielzeit)

Dirk Jan Müller scheint momentan sehr umtriebig  zu sein. Neben diversen Seiten- bzw. Soloprojekten erschien mit „Volume 10“ endlich wieder eine neue CD von Electric Orange. Die letzten beiden Alben „XX“ und „Live At Roadburn 2012“ sind ja „nur“ als Vinyl bzw. via Bandcamp als Download erhältlich.


Seit dem Weggang von Josef Ahns gab es für meine Ohren eine leichte Verschiebung hin zu mehr elektronisch gefärbter Musik, die stärker die Richtung „frühe deutsche Elektronik“ einbezog und die Gitarrenparts eher im Hintergrund versteckte.  Das treibend-kraftvolle  Wechselspiel zwischen Gitarre und Orgel/Tasten, welches oft auf „Morbus“ oder „Platte“ zu hören war, wurde durch spacig-erhabene Klangwelten ersetzt. Treibend ist oft „nur“ das Schlagzeugspiel, das stellenweise an indianisch-schamanisches Getrommel erinnert.

Mit „Volume 10“ fügen Electric Orange interessanterweise die Klänge diverser akustischer Instrumente hinzu.  Nicht das sie jetzt in „unplugged“ machen, aber Bassvioline, Banjo oder Mandoline geben den Stücken neue Klangfarben, die der Musik gut zu Gesicht stehen und sich neben den ganzen analog-elektronischen Sounds behaupten können. Schon der Opener „Paraboiled“ klingt, als ob ein Kammermusik-Quartett sich mal eben an einem Krautrockstück versucht, oder eben Electric Orange sich an dessen Instrumenten austobt. Im zweiten Titel übernehmen sie davon diesen herrlich tiefen, sägenden, celloartigen Ton, lassen ihn mit schammanisch-treibenden Getrommel und einem Banjo-Riff interagieren und ab geht die Post. Bekannte und doch neue Töne von Electric Orange. So könnte es geklungen haben, wenn die Incredible String Band mal ein Stück von Tangerine Dream interpretiert hätte.  

„Sympton Of The Moony Nurse“ leitet die „Gegenoffensive“ ein. Ein wuchtiger E-Gitarrenriff eröffnet das Stück und dann flirren die diversen elektronischen Klangkörper im Duell mit der Gitarre spacig-wuchtig durch den Raum. Bass und Schlagzeug liefern dazu das passend-treibende Fundament und wenn abschließend der Sequenzer aus dem Hintergrund auftaucht, kulminiert der Titel in einem wuchtigen Finale, das abrupt abbricht um lyrisch sanft in elektronische Klangwelten abzutauchen, immer mit akustischen Ingredienzien angereichert.

Trotz Unterteilung in die acht Titel gehen so die Stücke nahtlos ineinander über: von elektronisch-erhaben über spacig-rockend hin zu freiklingend-sperrig. Insgesamt ein sehr unterhaltender Trip über fast 80 Minuten, den man am besten unter einem Kopfhörer genießen sollte und für mich die bisher stärkste, weil abwechslungsreichste Platte im umfangreichen Werk der Gruppe.

Andreas Pläschke, September 2014

   

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