Die Fantastischen Vier - Die 4. Dimension / Lauschangriff / 4:99 / Viel

Die Fantastischen Vier – Die 4. Dimension
Sony Music (1993 / 2009)
(20 Stücke, 67:11 Minuten Spielzeit)

Die Fantastischen Vier – Lauschgift
Sony Music (1995 / 2009)
(24 Stücke, 72:31 Minuten Spielzeit)

Die Fantastischen Vier – 4:99
Sony Music (1999 / 2009)
(20 Stücke, 73:06 Minuten Spielzeit)

Die Fantastischen Vier – Viel
Sony Music (2004 / 2009)
(16 Stücke, 67:29 Minuten Spielzeit)

Die fantastischen Vier sind Deutschlands bekannteste und ungewöhnlichste Hip Hop Band, die es geschafft hat, Musikbegeisterte der unterschiedlichsten Lager für ihre Musik zu vereinnahmen. Den Ursprung hat der erfolgreiche Vierer bereits im Jahr 1989. Zwei Jahre später, im Jahr 1991, erscheint ihr Debütalbum „Jetzt Geht’s Ab“, das zu diesem Zeitpunkt bereits für große Beachtung sorgt. Am 23.10.2009 erscheinen nun zum 20jährigen Bestehen der Band die ersten sieben Studioalben in remasterter Fassung. Mir liegen vier der Alben zur Besprechung vor.

Die Fanta Vier sind seit 20 Jahren mit Michael Bernd Schmidt (Smudo), Andreas Rieke (And.Ypsilon), Michael Beck (Michi Beck) und Thomas Dürr (Thomas D) in der gleichen Besetzung. Dass man diesen Vierer nicht unterschätzen und nur auf ihre Single-Erfolge reduzieren sollte, zeigt beispielsweise das Album „Die 4. Dimension“ aus dem Jahr 1993, auf der die vier sehr psychedelische Sounds mit ihrem deutschen Hip Hop verbinden. Diese Kombination macht sie für Fans der frühen Floyd & Co. ebenfalls interessant.

Während ein Taktgeber in den Opener „Neues Land“ einführt, kommen schnell recht psychedelische Klänge auf. Ein irrer, wenn auch mit zwei Minuten recht kurzer Trip, der in eine Klangcollage, gefolgt von psychedelischem, beatdurchtränktem Sound der 60’er in das instrumentale Titelstück übergeht. Das hätte man so von einer Hip Hop Band nicht erwartet. Es klingt für mich wie „Dragnet“ auf Psychedelic-Trip. Als nächstes kommt der große Hit „Tag am Meer“, der in dieser remasterten Form unglaublich klingt. Das hat für mich wenig mit Chart, sondern mehr mit einer unglaublich weitläufigen chilligen Soundcollage zu tun. Allein dieser Song rechtfertigt den Kauf des Albums. Der typische Hip Hopper „Zu geil für diese Welt“ ist natürlich auch drauf, ist aber nicht so nach meinem Geschmack. Aber auch bluesig/jazzige Baratmosphäre wie bei „Ganz normal“ oder Soundcollagen wie „Weiter weg“, „Noch weiter weg“ oder „Ganz weit weg“, die zwischen den Stücken Kontrapunkte setzten, findet man auf dem Album. Und das sie es härter können, zeigt „Genug ist genug“ das in dem Dunstkreis von den H-Blockx angesiedelt ist. Insgesamt vier Bonustitel, die aus Remixen bestehen, weist das Album auf.

1995 erschien der Nachfolger „Lauschangriff“. Das Album beginnt mit dem 0:17minütigen Titeltrack, der aus einem Zusammenschnitt von Samples und gesprochenem Text besteht, der wie aus einer alten Fernsehsendung oder einem Film entnommen zu sein scheint. Das klingt sehr lustig und führt gut in das Album ein. Dann folgt der nächste Hit der Band „Populär“. Das ist Hip Hop der klassischen Form. Kurz drauf geht es mit einem weiteren Hit, der mich aufgrund seiner Musikalität in den 90’er lange Zeit verfolgt hat, weiter. Gemeint ist „Sie ist weg“. Was für ein Song. Unterbrochen wir das Album zwischen den Songs immer wieder von diesen kleinen Tracks, die wie ein Lauschangriff anmuten, denn man fühlt sich, als würde man heimlich Gesprächen zuhören.

Neben Hip Hop, der hauptsächlich auf Rhythmus aufgebaut ist wie in „Was geht“ oder „Die Geschichte des O“ finden sich aber auch äußerst melodische Songs wie „Nur in meinem Kopf“ auf der Scheibe. Hip Hop auf Speed gibt es in „Brems 2000“. Eine ethnische Rhythmusorgie ist „Krieger“, das eine unglaubliche hypnotische Wirkung ausströmt. Auch dieses Album hat vier Bonustracks.

Das Album „4:99“ aus dem Jahr 1999 erklomm die Poleposition der Albumcharts, was nicht nur an dem Hit „MfG“ lag, sondern vor allem am kompletten Material, das musikalisch viel zu bieten hat und textlich zwischen Poesie und Humor hin- und herpendelt. Mit diesem Album zeigten die Vier, dass sie die Nummer 1 der deutschen Hip Hop-Szene waren und kein anderer an ihnen vorbeikam. Vor allem die Instrumentierungen der Stücke zeigen eine hohe Detailvielfalt, die vor allem bei dieser remasterten Version besonders zur Geltung kommt. Die neue Version bietet drei Remixe als Bonus.

Das vierte Album, das hier besprochen wird, ist „Viel“ aus dem Jahr 2004. Auf diesem Album präsentieren die Vier eine Mixtur aus Hip Hop, Soul, Dancefloor, Reggae und Pop. Schön ist wieder der humorvolle Beginn „Auf geht’s“, bei dem man sich mit den Musikern im Auto zu einer Location aufmacht und hört wie der Türsteher die Jungs nicht reinlässt, weil er sie nicht kennt. Diesem Opener folgt „Bring It Back“, bei dem sich die Vier durch viele Anspielungen auf ihre Erfolge wieder zurückmelden.

Herausragend ist sicherlich das Stück „Geboren“, das durch den Gitarrenrhythmus, der stark an INXS erinnert, bestimmt wird. Das hat absolutes Popappeal. Vor allem der Satzgesang und die Melodie sorgen für Gänsehaut. Im totalen Kontrast dazu steht das elektronische, spärlich rhythmische „Jede Generation“ und auch die Kombination aus Electropop, abgedrehtem Reggae und völlig verdrehtem Hip Hop in „Pipis und Popos“. Als weiteren großen Hit bietet die Scheibe das Stück „Troy“. Mit zwei Remixen von „Troy“ und „Geboren“, die die Originale total durch den Wolf drehen, gibt es auch hier Bonusmaterial auf der Scheibe.

Die remasterten Versionen sind wirklich sehr schön geworden. Vor allem klanglich können die CDs voll überzeugen (da hat And.Ypsilon ganze Arbeit geleistet), zeigen sie doch, was im Bereich Hip Hop möglich ist und dass diese Musik sich nicht nur auf simplen Sprechgesang reduzierem lässt. Diese neue Versionen machen aus den Alben echte Hörerlebnisse. Tolle Alben, die auch Musikfreunden gefallen werden, die nichts mit amerikanischem Hip Hop oder Rap anfangen können.

Stephan Schelle, Oktober 2009

   

CD-Kritiken-Menue