Der Blaue Reiter – Nuclear Sun

Der Blaue Reiter – Nuclear Sun
Ars Musica Diffundere (2009)
(10 Stücke, 56:40 Minuten Spielzeit)

Der Blaue Reiter, was für ein ungewöhnlicher Name für ein Musikduo. Auch das LineUp dieses Projektes liest sich recht merkwürdig denn die Künstlernamen Sathorys Elenroth (Gesang, Gitarre, Synthies, Piano) und Lady Nott (Gesang, Violine, Perkussion) muten außergewöhnlich an und veranlassen mich, das Projekt in die Gothic-Ecke zu stecken. Also mal rein mit dem Silberling in den Player. Doch was ist das? Den Hörer erwartet ein russisches Lied („Main Titels (The Children Of Chernobyl)“). Mit diesem Einstieg und dem Albumtitel „Nuclear Sun“ wird klar, dass es hier thematisch um die größte nukleare Katastrophe unserer Zeit geht, nämlich dem Reaktorunfall in Chernobyl.


Dieser russische Gesang klingt – mit viel Hall versehen – als ob er aus einem Radio kommt und in einem größeren Raum gehört würde. Das klingt wie aus weiter Ferne, hat schon eine gewisse melancholische Stimmung und baut gleichzeitig eine Stimmung auf, die auf kommendes gespannt macht – ähnlich einem Spannungsaufbau bei einem Film. Nach ca. anderthalb Minuten kommt aus dem Off ein pulsierender, technologisch klingender Synthiesound und drängt das russische Lied langsam aber sicher in den Hintergrund. Babyweinen ist zu hören und dann setzt eine sehr verträumt melancholische Pianofigur ein. Nun sind wir im Musikkosmos des Duos Der Blaue Reiter angekommen. Trotz dieser Melancholie, die aufsteigt, kann man sich als Hörer doch in diese wohligen Töne fallen lassen. Aber es bleibt nicht bei dieser Stimmung, denn durch weitere Geräusche wie Stimmen und wieder einsetzender Chorgesang wird eine Geschichte erzählt.

Russische Texte, wie aus einem Megafon gesprochen, dazu wieder technologische, synthetisch erzeugte Rhythmen, führen in den nächsten Track „Fourth Reactor“ ein. Mit dieser sehr dichten Atmosphäre erzählen die beiden Musiker die Geschichte des Reaktorunfalls und gedenken der Menschen die dieser Katastrophe zum Opfer fielen. Manches wirkt so als wandelten die beiden durch eine von Menschen leer gefegte Geisterstadt.

Mal interpretieren sie ihre Stücke in klassischer Manier nur mit Pianomelodie und führen diese dann in melancholisch/symphonischer Weise weiter „Radioactive“ oder unterlegen die Szenerie mit metallischen Syntzhiesounds. Und so wandeln die weiteren Stücke immer zwischen atmosphärischen - manchmal bedrohlichen – Synthietunes und herrlichen Meldoiebögen, die recht klassisch wirken, hin und her. In jedem Fall ist den beiden ein außergewöhnliches Album gelungen, das zwischen Ambient, Neoklassik, Wave und Elektropop eine gelungene Mischung bietet ohne dass eine der Stilrichtungen ein Übergewicht bekommt.

„Nuclear Sun“ ist ein tolles Album, bei dem man mal wieder über den Tellerrand der bekannten Musik schauen kann. Auch Freunde klassischer Elektronikmusik sollten es antesten. Wer sich mit diesem – bereits dritten Album des Projektes – beschäftigt, der bekommt eine außergewöhnliche Produktion voller Harmonie und zugleich Melancholie, in der man sich fallen oder die ernste Geschichte in seinem Geiste noch einmal Revue passieren lassen kann. Mich hat dieses Album sehr positiv überrascht. Hörbeispiele sind unter der Internetseite www.myspace.com/derblauereitermusic erhältlich.

Stephan Schelle, November 2009

   

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