Deep Purple - Infinite
earMUSIC (2017)

(10 Stücke, 45:45 Minuten Spielzeit)

Seit nunmehr 15 Jahren ist die Besetzung der Hardrocklegende Deep Purple konstant. In dieser Zeit hatte es das Quintett aber bisher nur auf drei Studioalben gebracht. Das letzte ist mittlerweile auch schon fast vier Jahre her. Am 07.04.2017 wird nun aber das lang erwartete vierte Studiowerk dieser Formation erscheinen. Es trägt den Titel „Infinite“. Mit diesem Titel, frei übersetzt „unendlich“, könnte allerdings mit Blick auf das Alter der Beteiligten von einem letzten Werk ausgegangen werden.


Nach dem qualitativ hochwertigen Vorgänger „Now What?“ stellt sich natürlich die Frage, ob die in die Jahre gekommenen, aber auf der Bühne immer noch hervorragend auftretenden Heroen so manches Musikfreundes es auch nochmal im Studio hinbekommen. Damit das gelingt, hat sich die Band den erfolgreichen Produzenten Bob Ezrin erneut an die Seite gestellt und das scheint auch gefruchtet zu haben, denn Ian Gillan, Ian Paice, Roger Glover, Steve Morse und Don Airey haben ein richtiges Pfund abgeliefert.

Neun Eigenkompositionen sowie die Coverversion des The Doors-Stückes „Roadhouse Blues“ finden sich auf dem Silberling, der mit einem schön gemachten 24seitigen Booklet verziert wurde. Besonders die Fotos der Band sowie im Innenteil das Foto mit dem Eisberg und den darin stilisierten Konterfeis der Musiker begeistern (hier kommen sofort Erinnerungen an das Album „Deep Purple In Rock“ hoch). Da haben der Fotograf Jim Rakete und das Grafikbüro Dirk Rudolph ganze Arbeit geleistet.

Auf „Infinite“ sind herrliche Rocksongs mit teilweise leichtem Bluesrockeinschlag zu finden, die an die Glanzzeiten der Band zurückreichen. Besonders gut gefällt mir, dass die Songs so komponiert wurden, dass Ian Gillan sich mit seiner wärmer gewordenen Stimme (er kommt aufgrund seines Alters naturgemäß nicht mehr in die Höhen seiner Blütezeit) bestens einbringen kann. Die Stücke sind ihm förmlich auf den Leib geschrieben worden. Auch die Orgelparts von Don Airey sind im Verhältnis zum Vorgänger leicht ausgeweitet worden, ohne dass die Gitarrenarbeit von Steve Morse darunter leiden musste. Die Stücke und somit auch das ganze Album wirken unglaublich homogen und stimmig.

Schon der Opener „Time For Bedlam“, der mit Synthiefläche und mit Vocoder verfremdeter Stimme beginnt, bringt das Albumartwork und die Musik in direkten Bezug. Nach wenigen Momenten kommen dann aber die typischen Sounds und Zutaten ins Spiel, die wir so von Deep Purple lieben und die Magie, die die Band zu verströmen in der Lage ist, bahnt sich ihren Weg. Das Don Airey an den Tasten ein richtig Guter ist, das stellt er seit Jahren unter Beweis. Auf dem neuen Album glaubt man den seligen John Lord zu hören (was eigentlich ungerecht ist, denn Don imitiert nicht, sondern spielt seine ganze Klasse aus, indem er äußerst variantenreich agiert). Ein Top-Einstieg in das Album.

„Hip Boots“ ist ein etwas getragener Song, in dem die Band den Drive eine kleine Spur rausnimmt. Ein Song der an die 70’er erinnert und mit klasse Soli bestückt ist. Ohrwurmmäßig schleicht sich dann „All I Got Is You“ in die Gehörgänge. Ein richtiger Knaller. Mit „The Surprizing“ gibt es noch einen - für die Band untypischen - atmosphärischen Song auf dem Album, der eine ungewöhnliche Faszination verströmt und im Mittelteil fast schon einen symphonischen, soundtrackartigen Part mit Pianolinie bereithält. Eine schöne Version von „Roadhouse Blues“ (mit Ragtime Piano), bei der die Musiker richtig Spaß gehabt haben müssen (man höre nur die Zwischenansagen von Ian) beschließt dann dieses wunderbare Werk.

Mit „Infinite“ ist der Rocklegende Deep Purple ein tolles Alterswerk gelungen, das aus meiner Sicht noch besser als „Now What?“ ist. Mit einem derart guten Werk hätte ich in der Tat nicht mehr gerechnet, denn seit Mitte der 80’er waren sie nicht mehr so gut. Es bleibt zu hoffen, dass es nicht der letzte Studiooutput der Band ist. Und wenn doch, dann haben sie am Ende noch mal richtig Klasse bewiesen. Hut ab!!!!

Stephan Schelle, April 2017

   

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