Andrea Corr – Lifelines

Andrea Corr – Lifelines
AC Records / Vertrieb: Tonpool (2011)
(11 Stücke, 42:03 Minuten Spielzeit)

Ein Viertel der Corrs-Geschwister geht derzeit Solowege. Andrea Corr hat die Familienpause ihrer Geschwister genutzt, um ihre Lieblingssongs von anderen Künstlern in Coverversionen aufzunehmen. Das Ergebnis ist auf dem neuen Album „Lifelines“ zu hören. Lebenslinien scheinen auch diese Songs bei ihr hinterlassen zu haben, denn sie interpretiert die einzelnen Songs der unterschiedlichsten Musiker in intimen, emotionalen und teils zerbrechlichen Versionen.


Bei der Umsetzung des Albums hat sich Andrea mit Brian Eno ein echtes Musiker-Schwergewicht an die Seite gestellt. Brian (bekannt unter anderem neben seinen Soloalben auch durch die Zusammenarbeit mit Roxy Music) hat das Album nicht nur zusammen mit John Reynolds produziert, er steuerte auch Keyboards und Sounds sowie bei vier Stücken den Backgroundgesang bei. Und auch Sinead O’Connor singt bei einem Stück („Tinseltown In The Rain“) die Background-Linie.

Für manche ist sie eine internationale Popsängerin mit der Fähigkeit Stadien zu füllen, für andere ist sie eine weltweit erfolgreiche, doch unüberhörbar irisch geprägte Künstlerin. Mit ihrem neuen Soloalbum „Lifelines“ zeigt sich Andrea Corr vor allem als leidenschaftliche Musikerin. Ein facettenreiches Album mit verschiedenen Coverversionen, und einer seltenen Mischung aus Intelligenz und tief empfundener Emotion, die sich mühelos und ehrlich zwischen verschiedenen Genres und musikalischen Stilen bewegt.

Andrea Corr: „’Lifelines’ war die angenehmste Arbeitserfahrung, die ich je hatte. Wir haben in aller Ruhe gearbeitet und es war ein sehr authentisches Erlebnis. Alles passierte hinter verschlossenen Türen und ich blieb vollkommen in die Arbeit vertieft. Wenn man Songs anderer Leute singt, hat man die Chance einfach Sänger zu sein und nichts sonst. Ich konnte nur Interpretin sein. Darin liegt eine große Freiheit.“

Elf unter die Haut gehende Songs hat Andrea auf dem Album vereint. Das die Interpretationen so fesselnd geworden sind, liegt vor allem an ihrer sehr eindringlichen Stimme, die – zum Glück – bei den Songs im Vordergrund steht.

Die CD beginnt mit dem Musicalsong „I’ll Be Seeing You” aus dem Jahr 1938, der aus der Feder von Irving Kahal und Sammy Fain stammt. Er wurde bereits von Künstlern wie Frank Sinatra, Linda Ronstadt, Liza Minelli, Rod Stewart und Iggy Pop gecovert. Der Song ist sehr verträumt und stellt bereits Andrea’s warme und zerbrechliche Stimme in den Vordergrund. Hiermit zeigt sie, dass sie auch im Stande ist einen derartigen Klassiker perfekt zu interpretieren. Die Frau hat einfach eine ungeheuere Bandbreite, was sich in den folgenden Songs noch weiter herausstellen soll.

Aus ganz anderem Holz ist der Velvet Underground-Titel „Pale Blue Eyes“ geschnitzt. Die Interpretation wirkt zwar zunächst klassisch und wird im Verlauf durch die E-Gitarre rockiger (mit Folkeinschlag), hat aber eine sehr eindringliche balladeske Ausstrahlung die trotz Andrea’s zarter Stimme eine Bestimmtheit und Eindringlichkeit ausdrückt. Dieser Song geht sofort unter die Haut. Für mich schon jetzt eines der Highlights des Albums.

Wer kennt nicht den Roy Orbison-Klassiker „Blue Bayou“, der auch schon in so manch schmachtender Version über den Äther vergossen wurde. Zwar ist der Spirit des Liedes immer noch erhalten geblieben, aber Frau Corr begeht nicht den Fehler einen weiteren Schmachtfetzen zu erzeugen. Vielmehr klingt der Song bei ihr (trotz des teils antiquiert wirkenden Backgroundchores) wesentlich knackiger, weil er sich mehr im Country-Style zeigt und genügend Rhythmus aufweist.

Es folgen eine Version von Nick Drake’s „From The Morning“, das hier recht verspielt klingt und eine wirklich sehr schöne Version des Jon & Vangelis-Songs „State Of Independence“ (vom „The Friends Of Mr. Cairo“-Album). Der Song wirkt in der Akustikversion ganz anders als in der elektronischen von Jon & Vangelis. Er klingt fast wie ein Titel von Peter Gabriel. Es ist schon sehr mutig, dass sich Andrea an einen von Jon Anderson gesungenen Titel herangewagt hat, denn die Stimme von Anderson ist schon sehr speziell und sucht ihresgleichen. Aber Andrea macht bei diesem Stück eine äußerst gute Figur.

Es folgt eine Nummer von John Lennon „No. 9 Dream“, der man den Spirit des Ex-Beatles auch anhört. Und auch das Stück „Tinseltown In The Rain“, das im Original von The Blue Nile stammt, interpretiert sie mit ihrem gefangen nehmenden Charme. Der Song setzt sich sofort in den Gehörgängen fest. Er klingt, als wenn er nur für ihre Stimme gemacht sei.

Auch die weiteren Stücke von Harry Nilsson, Kirsty McColls, Daniel Johnson und Ron Sexsmith stehen den anderen Stücken in nichts nach. Da ich nicht alle Stücke kenne, wirkt das Album sehr abwechslungsreich, aber doch stimmig und in sich geschlossen.

Mit „Lifelines“ ist Andeas Corr ein tolles Album gelungen. Das liegt sicherlich daran, dass die Irin sich Stücke für eigene Interpretationen ausgesucht hat, die ihr selber am Herzen liegen. Andrea ist mit sehr viel Respekt und Liebe zum Detail an die Stücke herangegangen und hat sie sich förmlich auf den Laib geschrieben. Ein sehr schönes Album, das einfach nur Spaß macht.

Stephan Schelle, Juni 2011

   

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