Amon Düül II - Almost Alive
revisitedrec Inside Out (1977)

Im Jahr 1967 bildete sich aus einer Kommune im Münchner Raum die Band Amon Düül, die wohl die Blaupause für die Bezeichnung Krautrock geliefert hat. Man löste sich damals von den Sounds und Songstrukturen der amerikanischen und englischen Bands und kreierte eine Musik, die Weltweit Anerkennung fand. Eine These, wie die Bezeichnung Krautrock entstanden ist, bezieht sich auf den Amon Düül-Song „Mama Düül und ihre Sauerkraut-Band spielt auf“, die sich auf ihrem 68’er Album „Psychedelic Underground“ befand.

 
 

Die Band Amon Düül, deren Name aus einer Kombination aus einem Teil des ägyptischen Sonnengottes sowie einer Ableitung des türkischen Wortes für Mond abgeleitet wurde, spaltet sich bereits 1968 in zwei Teile und es entstanden Amon Düül I und Amon Düül II. Letztere haben sich etabliert und eine Reihe von Alben zwischen 1969 und 1981 herausgebracht, die jetzt bei revisitedrec in remasterter Form neu erscheinen. Ich sollte an dieser Stelle vorwegschicken, dass mir bisher die Alben der deutschen Band unbekannt sind, so dass ich keine Vergleiche zu den alten Alben ziehen kann. Alle drei CDs erscheinen in sechsseitigen Digipacks mit einem zwölfseitigen Booklet, das unveröffentlichte Bilder und neue Linernotes beinhaltet. Darüber hinaus wurden den CDs Bonustracks spendiert.

Den Einstieg bereitet das Label mit den Spätwerken der Gruppe. „Almost Alive …“ wurde erstmals im Jahr 1977 veröffentlicht. Das Cover suggeriert einen Livemitschnitt, den die CD aber nicht bietet. Vielmehr hat die Band um Chris Karrer das Material im Studio eingespielt. Allerdings haben die Songs, allen voran das mehr als 13minütige „Live In Jericho“, das durch seine ausgeprägten Soli besticht, einen gewissen Live- bzw. Jam-Charakter.

Waren die Düüls in ihrer Anfangsphase noch sehr experimentierfreudig, so zeigen sie auf „Almost Alive …“ dass sie auch Song orientierte Lieder, wie zum Beispiel das sehr eingängige „One Blue Morning“ komponieren können. Die markante Gesangsstimme von Klaus Ebert verleiht dabei dem Stück einen gewissen krautigen Anstrich. Auch das anschließende „Good Bye My Love“ geht schnell ins Ohr und beweist Radiotauglichkeit. „Halleluja“ hat gar Popmusikelemente weist aber durch seine musikalischen Wendungen einen größeren Anteil an Progressivem auf. In diesem Stück dominieren vor allem die Synthies, die dann auch mal an Rick Wakeman erinnern. zum Ende hin nimmt sich das Quintett dann auch nicht so ganz ernst, wenn das Wort Halleluja förmlich lachend gesungen wird.

Mit „Feeling Uneasy“ kommen gar Funkeelemente mit ins Spiel. Und dann kommt mit „Live In Jericho“ das Highlight des Albums. Gleich zu Beginn treibt Peter Leopold hinter der Schießbude den Track mächtig voran. Es entwickelt sich eine wahre Soliorgie, die vor Improvisationen nur so strotzt. Klaus Ebert streut mit seinem Bass mal eben einen kurzen Anriss des bekannten Songs „La Cucaracha“ ein, der nicht da hineinpasst aber irgendwie sich dann doch ganz gut ins Gesamtbild fügt. Wenn man den Song hört, meint man den Düüls tatsächlich live beizuwohnen. Dass sie es auch anders drauf haben, zeigen die Bonustitel, denn hier wird es - zumindest beim ersten Track - für so manchen Hörer schwer zu folgen.

Erster Bonustrack ist „Cosmic Insects“, der sehr düster angelegt ist. Zu avantgardistischen Klängen, eigentlich nur aus einer Geräuschkulisse bestehend, ist ein schräg gesungener Text eingebaut. Es folgt das nur kurze „Live in Obergurgl“, das mit knapp anderthalb Minuten nur einen kurzen Anriss liefert, bevor dann „Kitchen Jam“ den Ausklang darstellt. Dieser letzte Track scheint live eingespielt zu sein. Der zu Beginn sehr eingängige Titel wird im Laufe der Spielzeit immer wüster. Der Einsatz der Geige markiert diesen Wechsel und man ist als Hörer der Auffassung, dass die Musiker an ihren Instrumenten so langsam - im positiven Sinne - durchdrehen. Inklusive der Bonustracks bringt es die CD auf 60:21 Minuten Spielzeit.

Stephan Schelle, Mai 2005

 
   

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