7ieben – Lupus und Lena

7ieben – Lupus und Lena
Timezone (2010)
(9 Stücke, 52:56 Minuten Spielzeit)

Aus deutschen Landen frisch auf den Tisch. So wie dieser Werbetext aus den 70’er oder 80’ern flatterte mir jüngst eine CD mit dem Titel „Lupus und Lea“ des deutschen Rockquartetts 7ieben (jawohl, die Schreibweise ist korrekt) in den Briefkasten. Das Cover mit der untergehenden Sonne und den beiden Tierköpfen sieht recht niedlich aus und machte auf mich zunächst den Eindruck einer Art vertonter Disney-Geschichte. Doch dieser Eindruck täuscht, das stellte ich sehr schnell fest.


Zwar sind Lupus und Lea ein Wolf und eine Löwin, was dann auch den Schluss zulässt, dass wir es hier mit einer Art Fabel zu tun haben, aber es handelt sich keineswegs um eine kitschige Rock-Oper oder ein Musical. 7ieben, das sind Mitsch U. Cannon (Schlagzeug), J:org A. Tekk (Bass), Busty B. Raptor (Gitarre) und Chris Vicious (Gesang), die die Band bereits im Jahr 2000 gegründeten. Die vier scheinen aber um ihre wahre Identität ein großes Geheimnis zu machen, wie anders sollte man die ungewöhnlichen Pseudonyme, die sie sich zugelegt haben, erklären. Sei’s drum.

Nach „Gut zu wissen …“ und „Rock / Show“ ist „Lupus und Lea“ der dritte Longplayer von 7ieben. Auf dem Album wird eine Geschichte von einsamen Seelen in einer vernetzten Welt erzählt. Von alkoholgegerbter Selbstzerstörung hinter perfekt gestylten Myspace-Kulissen. Von Liebe und Angst. „Lupus und Lea“ vereint Gegensätze wie Wolf und Löwin, Sonne und Mond, Yin und Yang. Geschichten, die schon so alt sind wie die Welt, von 7ieben allerdings in ein modernes Kleid gehüllt werden.

Zu den Favoriten der Bandmitglieder zählen unter anderem Bands wie Metallica, Deep Purple, Toto, In Extremo, Rammstein, Nightwish, Black Sabbath, Dream Theater, Porcupine Tree und Pain Of Salvation aber auch Eric Clapton und Herbert Grönemeyer. Diese Vielfalt lässt sich auch aus dem Album heraushören. Die neun Stücke auf dem Album bewegen sich dementsprechend im Bereich Rock / Alternative mit Einschlag zum Prog und Metal. Und auch bluesige Töne werden angeschlagen.

Los geht es mit dem Eröffnungsstück „Schrei“, der aber nichts mit dem Titel von Tokio Hotel zu tun hat. Mit recht atmosphärischen Gitarren und Donnergrollen starten die vier in den Song, um im weiteren Verlauf Metalriffs mit einzubinden. Der sehr eingängige Song wird von Chris hervorragend und klar gesungen. Das die Band aus der Nähe von Dresden kommt (auf dem Bonusvideo sind die Dialekte zu hören), ist dem ansprechenden Gesang in deutlichem Hochdeutsch von Chris und auch in den Chören nicht zu entnehmen, was ich sehr wohltuend empfinde. „Schrei“ ist ein Song, der gekonnt zwischen druckvollen Schlagzeugrhythmen sowie harten Gitarrenlicks und atmosphärisch, sanften Passagen wechselt. Ein gelungener Auftakt in dieses Rockalbum.

Eine sehr ausgeprägte, basslastige E-Gitarre eröffnet „One Woman Show“ um danach auch hier durch metalartige Riffs den Härtegrad etwas zu erhöhen. Und trotz der Gitarren wandelt die band nicht wirklich im Metal, sondern sie setzen dieses Stilelement eher ergänzend ein. In diesem eher in Richtung Hardrock gehenden Stück wirkt Chris’ Gesang manchmal ganz schön dreckig und steht im Kontrast zum eingängigen Refrain, was mir gut gefällt.

Am Anfang von „G.M.X.“ wird wohl jeder sofort schauen, wo sein Handy liegt, denn die ersten Töne klingen, als läge ein Handy in der Nähe eines PC, so klackt es aus den Boxen. da ich mir nicht vorstellen kann, dass es sich um einen Produktionsfehler handelt, wird es ein Gag der Band sein.  Dann kommen wieder härtere Riffs, die den Hörer aber auf eine falsche Fährte bringen, denn bei „G.M.X.“ handelt es sich um einen Blues. Und auch den können sie!! Immer wieder wird dieser Blues dann aber doch durch harte Riffs ergänzt, was den Song unwiderstehlich macht.

„Sonntags“ ist eine Deutschrocknummer mit Hitpotenzial. Die eingängige Melodie kann ich mir gut im Radio vorstellen. Etwas Nostalgie kommt bei den Sample-Geräuschen zu Beginn von „Bleib in Bewegung“ auf, das nach kurzer Zeit ordentlich losgeht. Ein Gassenhauer, bei dem man gut mitgrölen kann. „Von der Sonne lernen“ ist ein Stück, das zwischen harmonischem Sound á la Krautrock der Marke Novalis und modernem Alternativerock pendelt. Auch hier stimmen die Verhältnisse zwischen druckvollen Riffs und sanften Harmonielinien.

Ein Raketenstart, unterstützt von Metalriffs bringt den Hörer bei „Ultima Ratio“ zunächst in luftige Höhen um dann in einen Song, der wie eine Mischung aus H-Bloxx, Die Ärzte und Die phantastischen Vier anmutet, überzugehen. Proggig und voller Harmonielinien (hier kommt eine sehr schöne Akustikgitarre ins Spiel, die später durch die E-Gitarre ersetzt wird) geht es im folgenden „Delirium Tremens“, einem meiner Lieblingsstücke des Albums, zu. Musik und Gesang üben eine gewisse Melancholie bei mir aus. Das sanfte, mit Bluesnoten versehene „Cuba Libre“ beschließt dann das vielseitige Album.

Dem sechsseitigen Digipack ist leider kein Booklet beigefügt, das bekommt man aber über die Internetseite der Band www.7ieben.de/lupusundlea in Form eines innovativen Netbooks. Der Band ist damit ein strategisch guter Zug gelungen, aber ich für meinen Teil, habe doch lieber ein gutes Booklet in der Hand und dafür gebe ich auch gerne etwas mehr Geld aus. Zudem bekam ich einige Fehlerhinweise beim Laden der Seite (mit dem IE 8), was mir das Aufrufen der Extras nicht erleichterte.

Die einzelnen Songs kann man sich auch auf der Internetseite anhören, Song Nummer 9 „Cuba Libre“ ist aber ausschließlich auf der CD enthalten. Außerdem bietet die CD Bonusmaterial mit Artwork-Skizzen zu den Figuren Lupus und Lea und 43 Livefotos sowie einem achteinhalbminütigen Trailer im mpeg-Format (der zunächst die trinkfeste Band zeigt, sowie Livebilder und Outtakes von den Aufnahmen zum Bonusmaterial) zu einer DVD, die noch in 2010 erscheinen soll.

7ieben haben mit „Lupus und Lea“ ein klasse deutsches Alternativerock-Album herausgebracht. Den Namen der Band sollte man sich merken, denn wenn die vier so weitermachen, dann werden sie ihren Weg machen, da bin ich mir sicher.

Stephan Schelle, Februar 2010

   

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