Zinkl – Tanzmusik für Roboter Im Jahr 1978 sangen Kraftwerk auf ihrem grandiosen Album „Die Mensch-Maschine“ „Wir sind die Roboter .... Jetzt woll’n wir tanzen: Me’kanik …“. Ende 2020, also 42 Jahre später veröffentlicht Anton Zinkl auf seinem neuesten Album „Tanzmusik für Roboter“. Man könnte meinen, dass er der Düsseldorfer Elektroniklegende damit eine Hommage bereiten will. Und ganz so weit vom Düsseldorfer Stil ist er in der Tat auf dem Album nicht. Ich frage mich nach dem Hören: Könnte so ein aktuelles Album vom Kraftwerk klingen? |
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Wie
oben schon angedeutet klingt die Musik von Anton Zinkl auf „Tanzmusik für
Roboter“ rhythmisch, technologisch progressiv-komplex aber auch tanzbar.
Die Stücke und auch die Storyline klingen wie eine Fortsetzung des
Kraftwerkschen Vermächtnisses. Zwischen die Stücke sind insgesamt drei Robotertänze („Erster Tanz“ bis „Dritter Tanz“) platziert, deren Laufzeiten von 1:38 bis 2:55 zu den kürzesten Stücken des Albums zählen. Den Beginn macht aber zunächst das oben erwähnte „Aufstand“ (7:14 Minuten). Kratzende, elektronische Geräusche starten in diesen Track, der dann nach wenigen Momenten in einen melodischen Part wechselt. Hier kommen erste Strukturen auf, die nach Kraftwerk klingen, allerdings von den Sounds der Düsseldorfer abweichen. Vielmehr ist es der Spirit der Düsseldorfer, gewürzt mit dem außergewöhnlichen Stil Anton Zinkl’s, der hier das Bild bestimmt. Anton Zinkl hat dann auch noch einen Text parat, den er durch Vocoderverzerrung einfügt. Das Ganze wirkt wie eine Geschichte, da sich die Strukturen im Stück verändern und atmosphärische mit melodischen Parts wechseln. Die
Sprecherin, Schauspielerin und Sängerin Katja Schild spricht in diesem Stück
einen fiktiven Nachrichtentext mit folgendem Inhalt, der den erzählerischen
Charakter der Geschichte unterstützt, allerdings auch ein düsteres –
vielleicht von Corona inspiriertes Bild zeichnet: „Rätselhafte
Ereignisse finden derzeit in den Industrieanlagen auf der ganzen Welt statt.
Alle robotergesteuerten Prozessautomatisierungen sind außer Funktion. Die
Maschinen scheinen aus unbekannten Gründen ihre Arbeit zu verweigern und
bewegen sich unkontrolliert. Dies betrifft auch alle automatisierten
Maschinen in Privathaushalten. Vielleicht
freuen sich die Roboter über ihren Sieg, denn es folgt schon „Erster
Tanz“. Dieses knapp anderthalbminütige Stück ist sehr technoid angelegt
und enthält eine simple Melodiefolge. Man kann sich dabei gut vorstellen
wie sich die unterschiedlichen Roboter im Takt bewegen. Auch hier kommen
durch einige Soundabläufe Erinnerungen an Kraftwerk hoch. Rhythmisch
zeigt sich dann „Freie Fahrt“. Ob Zinkl auch damit an das wegweisende
Kraftwerk-Album „Autobahn“ erinnern will? Möglich ist das, denn auch
der Vocodergesang war bei Kraftwerk beliebt. Zinkl hat hier eine rasante
Fahrt inszeniert, die teils auch proggige Sounds enthält. Danach folgt dann
schon der „Zweiter Tanz“ mit knapp drei Minuten Spielzeit. Hier gehen
die Roboter jetzt anscheinen nicht so euphorisch zu Werke, denn das Stück
zeigt sich etwas verhaltener. Trotzdem ist es recht rhythmisch, mit eingängiger
Melodie und von einigen Sounds mit leicht asiatischem Flair durchzogen. „Mutter“
bringt es dann auf 6:24 Minuten Spielzeit. Der Beginn klingt in der Tat wie
bei einer Produktion. Dann kommt eine liebliche, weibliche Stimme auf, die
singt „Ich bin jetzt Maschinenmutter ...“. Melodische Parts wechseln
sich mit rhythmischen ab. Das wirkt zum Teil sehr steril, passt aber gut zum
Konzept. Im letzten Teil wird es dann gar hymnisch. Auch
wenn der Titel „Jazz“ recht schräg klingen mag, verbirgt sich doch
dahinter ein eingängiger, rhythmischer Track. Ein außergewöhnliches Stück
mit viel Esprit. „Dritter Tanz“ mit 2:31 Minuten Länge schließt sich
dem an. Wieder so ein rhythmischer Track. Der
Haupttrack des Albums ist das 18:30minütige „Maschinenwelt“. Zunächst
wird von Zehn an runtergezählt, allerdings nicht in korrekter Reihenfolge.
Wie bei einem guten Longtrack wechselt Zinkl in diesem Stück mehrfach
Struktur, Rhythmus und Harmonien (wie bei einem Progressiverock-Stück). Das
macht den Track lebhaft und spannungsgeladen. Den Abschluss bildet dann das
sechsminütige Stück „Krieg“. Auch hier geht es im recht technologisch
gehaltenen Soundgewand zu. Die Spannung wird auch hier durch Wechsel in der
Rhythmik und der Struktur erzeugt. Anton
Zinkl hat mit „Tanzmusik für Roboter“ ein außergewöhnliches Album
geschaffen. Sehr innovativ zeigt er sich, so wie Kraftwerk heute klingen könnten,
hätten sie sich in den letzten Jahren weiterentwickelt. Dabei erzählt
Zinkl eine Konzeptgeschichte. Leider lag mir nur die Download-Version vor,
daher kann ich nichts zum Umfang der CD sagen, zum Beispiel ob Texte
abgedruckt sind. Musikalisch zeigt Zinkl eine deutliche Weiterentwicklung.
Ein spannendes, fesselndes Werk ist ihm damit gelungen. Stephan Schelle, Januar 2021 |
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