ZINKL – Der Radiolator
 

ZINKL – Der Radiolator
Prudence Records (2022)

(
7 Stücke, 45:41 Minuten Spielzeit)

„Der Radiolator“ ist das mittlerweile 15. Album des Musikers Anton Zinkl und erzählt in musikalischen Bildern eine phantastische Geschichte, so wie es bereits bei seinem letzten Album „Rebirth“ der Fall war. „Rebirth“ ist ein surrealer Psychotrip, gesungen von Robert Gozon. Den neuen Liederzyklus „Der Radiolator“ kann man als eine Kombination aus Science Fiction-Hörspiel und elektronisch erzeugter progressiver Rockmusik betrachten. Diesmal singt/erzählt Anton Zinkl die Geschichte selbst in seiner Muttersprache deutsch und teilweise mit bayerischem Dialekt.

 

 


Es geht in dem Album um einen genialen Physiker, der im Jahre 2095 eine Art Zeitmaschinentelefon konstruiert: den Radiolator. Mit diesem Gerät kann man längst verstorbenen Personen aus der Vergangenheit Nachrichten direkt ins Gehirn sprechen und ihre gedachten Antworten empfangen. Der Erfinder lebt in einer kollabierenden Menschenwelt – Umweltkatastrophen, der Dritte Weltkrieg, weltweites Chaos. Deshalb will er prominente Personen aus vergangener Zeit davon überzeugen, dass sie von ihren Forschungen ablassen — denn dies werde der Menschheit in der Zukunft großen Schaden zufügen. Er nimmt Kontakt auf mit Berthold Schwarz (dem Erfinder des Schwarzpulvers), mit James Watt (dem Konstrukteur der ersten Dampfmaschine), mit Marie Curie (der Entdeckerin der Radioaktivität) und einigen mehr. Er glaubt, er kann eine neue positive Zukunft erschaffen, wenn sich die Vergangenheit ändert. Doch er stößt auf keinerlei Verständnis bei den kontaktierten Personen — bis er sich an die letzte Instanz wendet: Jesus Christus. Dieser befragt dazu den überirdischen Vater. Gott resümiert „Der Planet ist hin.“ und startet das Jüngste Gericht.

Die Verbindung der auf Deutsch erzählten Geschichte einer Zeitreise mit progressiver Rockmusik – angereichert mit einer großen Portion schwarzen Humors – ist eine neue ungewöhnliche Herausforderung für den Münchner Zinkl gewesen. Natürlich hat seine Erzählung einen sehr ernsten Hintergrund, wenn man sich die aktuelle Lage der Welt vor Augen führt, bezüglich der Auswirkungen der Klimaveränderungen und der politischen Entwicklungen ...

Sieben Stücke mit Laufzeiten von fünf bis knapp acht Minuten Länge bietet das Album. Durch die gesungenen bzw. gesprochenen Texte zu teils surrealen Klanggemälden entsteht eine fesselnde Geschichte, die wie eine Mischung aus Drama und Komödie in einem Theaterstück wirkt. Der Text dieser Parabel steht eindeutig im Vordergrund und wird von der Musik bzw. den Klangmalereien unterstützt. Hier geht Zinkl noch weiter, als er es schon auf seinem Album „Tanzmusik für Roboter“ gemacht hat.

Im eröffnenden „Der Genius“ erzählt Zinkl – wie auch in den anderen Stücken - in der Ichform des Erfinders des „Zeitmaschinentelefons“ über seine Erfindung und drückt den Finger in die Wunden, die derzeit in der Umwelt- und Politiksituation (u.a. anhand des Ukraniekrieges) bestehen sowie der damit verbundenen Notwendigkeit etwas dagegen zu tun. Aktueller könnte ein derartiges Projekt nicht sein.

„Die Misere“ beginnt wie der Soundtrack zu einem alten Science Fiction-Film und mutiert zu einem elektronischen Progrock-Track, in den Nachrichtenschnipsel aus aller Welt eingebunden wurden. Dann wird die Geschichte des Radiolators fortgesetzt, indem er das Gerät beschreibt und angibt, dass er ein sehr teures Element für das Gerät benötigt und somit einen Milliardär als Sponsor benötigt.

„Der Krösus“ beginnt mit klimpernden Münzen in einem Glas und auf einer Tischplatte, was so ein bisschen die Assoziation zu Pink Floyds „Money“ aufkommen lässt. Der Track geht aber in eine andere Richtung. Jetzt intoniert Zinkl den Text in bayrischem Dialekt, was den Milliardär darstellen soll. Dazu wechseln sich einige sanfte Melodiemuster, die unter anderem an Kraftwerk oder Soundtracks erinnern, mit druckvollen, rhythmischen Passagen ab.

Eine leicht folkige Akustikgitarre leitet in das Stück „Des Pudels Kern“ ein, um nach wenigen Momenten in einen recht elektronischen Part zu wechseln. Dies zeigt die Vielfalt der von Zinkl komponierten Klänge. Im 5:54minütigen Stück „Das Radium“ kommt Zinkl’s Protagonist zu dem Schluss, das Radium das „pure Gift“ ist, dass alles zerstören kann und fleht Marie Curie an, nicht weiter danach zu forschen. Untermalt werden eingängige Melodien mit Sounds die nach einem Knistern eines Strahlengerätes klingen. Das Album endet dann mit dem Stück „Der Messias“ ohne Happy End, denn Jesus hat von der Menschheit genug, die den Planeten Erde zerstört hat und beschließt das „Jüngste Gericht“.

„Der Radiolator“ von Anton Zinkl ist ein intelligentes Werk, das die Probleme der Menschheit auf den Punkt bringt und mit einer fiktiven Geschichte verbindet. Das Ganze hat Zinkl sehr humorvoll aufgearbeitet und mit progressiven Sounds untermalt. Ein Werk, das fesselt.

Stephan Schelle, September 2022

 
   

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