VoLt - HjVi
 

VoLt - HjVi
Groove Unlimited (2008)
(4 Stücke, 76:27 Minuten Spielzeit)

Das englische Duo Steve Smith und Michael Shipway, die zusammen als VoLt unterwegs sind, legen nach ihrem letztjährigen Album „Nucleosynthesis“ mit ihrer mittlerweile fünften CD „HjVi“, einen Livemitschnitt vor. Aufgenommen wurde das Material am 20. Oktober 2007 beim Hampshire Jam 6, im britischen Liphook (Hampshire). Diese Aufnahme ist die zweite Veröffentlichung von Livematerial des Festivals, denn fast zeitgleich ist die CD „Live@Liphook 2007“ des deutschen Duos Rainbow Serpent erschienen.

Vier Longtracks mit Laufzeiten zwischen 14:17 und 21:09 Minuten bietet die CD. Auffällig ist gleich beim ersten Track und später vor der Zugabe auch, dass durch ein Außenmikro die Liveatmosphäre eingefangen wurde, was bei Elektronikmitschnitten eher unüblich ist. Ich finde das aber ganz gut, denn das erhöht den Livecharakter.

 

 


Gestartet wird mit „Primaeval“, bei dem zu Beginn die Synthies hochgefahren werden und das im wahrsten Sinn des Wortes, denn die schwellen wirklich so an, als würden sie auf Hochtouren gebracht. Und das ist auch nicht ganz von der Hand zu weisen, denn die beiden lassen die Sequenzer nach einigen Sekunden los und ein phantastischer Rhythmus entwickelt sich, auf dem sich die Flächen so richtig wohl fühlen können. Und nicht nur die, auch der Hörer genießt gleich vom ersten Ton an diese hypnotischen Sounds im typisch englischen Elektronikgewand. Mit einigen Struktur- und Melodiewechseln hält der Track über die volle Länge von über 21 Minuten den Spannungsbogen aufrecht.

In den ersten gut vier Minuten des 20minütigen „Atavistic“ erzeugen die beiden Stimmungen, ohne dass eine Melodie gespielt wird. Dann ertönt eine Pianolinie, die irgendwie nach moderner Klassik oder Impressionismus klingt. Das ist eher untypisch für VoLt. Doch nach etwas mehr als fünf Minuten ändert sich das Bild schlagartig, wenn wieder herrliche Synthiesequenzen die Oberhand gewinnen. Dann ist wieder Gänsehaut angesagt. Im Endteil kommt eine längere Passage hinzu, die klingt, als würde zu den Synthies auch eine E-Gitarre gespielt. Aus dem Booklet geht aber nicht hervor, dass dies auch so ist. Diese Kombination gefällt mir ausgesprochen gut.

Auch im folgenden „Signals“ werden in den ersten Minuten zunächst durch Flächensounds eher Stimmungen erzeugt. Nur langsam kommen Harmonien hinzu. Wenn dann nach gut fünf Minuten Morsezeichen zwischen den weiträumigen Synthieflächen auftauchen, ist das so langsam das Zeichen, das es gleich los geht. Und das tut es dann nach sechseinhalb Minuten auch, denn ab da steigert sich der Sequenzerrhythmus und die beiden senden ihre elektronischen Signale in den Äther aus. Da kommen erneut Gänsehäute bei den herrlich sanften Melodiebögen bei mir auf. Die Besucher des Konzertes haben das wohl auch so gesehen, denn der verdiente Applaus lässt nicht lang auf sich warten.

Im abschließenden „Extinction“ brennen Steve und Michael dann ein elektronisches Feuerwerk ab, so wie ich es liebe. Zunächst noch ganz ruhig aufbauend, entwickelt sich der Track dann durch die Sequenzer und die Melodieführung zu einem ergreifenden Stück, ähnlich so, wie es auch John Dyson in der Vergangenheit vollzog. Nach gut acht Minuten kommt eine Rhythmuspassage, bei der ich einfach nicht mehr ruhig vor den Boxen bleiben kann. Irgendein Körperteil muss sich einfach zu der Musik bewegen. Für mich ist dieser Zugabentrack das Highlight des Albums, obwohl eigentlich alle vier Stücke klasse sind.

„HjVi“ bietet tolle Sequenzer orientierte Elektronikmusik, wie ich sie von den Engländern liebe. In den Tracks finden sich neben herrlichen Melodien auch diese unwiderstehlichen Rhythmussequenzen, die nur ansatzweise an Tangerine Dream erinnern. Vielmehr haben die Künstler der englischen Elektronikszene, darunter auch VoLt, es verstanden, die Grundzüge der „Berliner Schule“ aufzunehmen und weiter zu entwickeln. Ein sehr empfehlenswertes Album mit viel Spielwitz und Herz. Uneingeschränkte Kaufempfehlung für Freunde guter Elektronikmusik.

Stephan Schelle, Mai 2008

 
   

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