Stefan Erbe – We Are Generation Electronic
 

Stefan Erbe – We Are Generation Electronic
Eigenvertrieb / Download www.erbemusic.com (2010)
(9 Stücke, 51:45 Minuten Spielzeit)

Es ist mittlerweile schon eine willkommene Tradition, dass der Hagener Elektronikmusiker Stefan Erbe Musik zum freien Download im Internet anbietet. Das hat aber nichts damit zu tun, das seine Musik es nicht wert wäre, offiziell veröffentlicht zu werden, ganz im Gegenteil. Die neueste CD, die er so auf den Markt bringt, kam kurz vor Weihnachten für bestimmte Zeit auf seine Seite ins Netz und nennt sich „We Are Generation Electronic“.

 


Wie Recht Stefan mit seinem Titel doch hat, kommen doch schon seit Jahren Musikproduktionen kaum noch ohne elektronische Musikinstrumente bzw. Klänge aus. Und das ist nicht nur in der so genannten Sparte der Elektronischen Musik so, nein ob Rock-, Popmusik oder sonstige Stilrichtungen, überall hat die elektronische Klangerzeugung schon lange Einzug gehalten. Allerdings wird sie nirgends so deutlich wie in der Elektronikszene.

Genug der Vorrede. Neun Stücke hat Stefan zum Download bereitgestellt und dem ganzen auch noch ein Cover spendiert, das man sich gleich mit runterladen und ausdrucken kann.

Musikalisch bleibt Erbe seinem rhythmischen und druckvollen Stil treu. Los geht es aber erst einmal mit einem – für Erbeverhältnisse – recht sphärischem Stück, dem Vierminüter „Skyscraper“, das nach einem ruhigen Beginn an Rhythmus gewinnt und die typische Melodieführung von Stefan aufzeigt. Irgendwie kommt mir dieses Motiv bekannt vor. Rhythmisch geht es etwas ruhig und doch wie bei Kraftwerk’s „TEE“ zu. Ein sehr schöner Einstieg in die CD.

Es folgt mit dem siebeneinhalbminütigen „Emphasis“ Track Nummer 2. Auch hier geht es recht beschaulich und verträumt los. Eine Synthiefläche und einige Melodiebögen umschmeicheln zunächst das Ohr des Hörers um dann in ein sehr ansprechendes Rhythmusmuster überzugehen. Langsam steigt der Rhythmuspegel an und bietet einen pumpenden, fast tanzbaren Sound, bei dem man vor den Boxen nicht ruhig bleiben kann. Und das ist Stefan’s Stärke, er schafft es immer wieder mitreißende Rhythmen mit eingehenden Melodie- und Harmoniebögen zu verbinden. Eben Musik, die Spaß macht.

Das achtminütige „Silent City“ schließt sich mit einem recht ambienten Anfang, der bei mir die Assoziation weckt, aus einem Fenster (aus dem zehnten Stock oder so) eines Hochhauses auf Menschenleere Straßen zu sehen, die lediglich im halbdunklen Licht der Straßenbeleuchtung und Schaufenster liegen. In der zweiten Hälfte des Tracks kommt eine futuristische Atmosphäre (unterlegt mit einer Pianomelodie) auf, und ich sehe vor meinem geistigen Auge irgendwelches Getier, das sich aus ihren Verstecken in diese Menschenleere Umgebung wagt. In diesem Teil hat das Stück etwas Weiches und Romantisch/Verspieltes.

„Rescue The Robots (Rescue One)“ zeigt Erbe von seiner technokratischen Seite, denn das Stück wirkt recht unterkühlt und in gewisser Weise steril. Hier erinnert der Sound auch wieder etwas an Kraftwerk. „Berlin Days“ klingt nicht nach „Berliner Schule“ á la Tangerine Dream oder Klaus Schulze, sondern verweilt auch im Umfeld von Kraftwerk. Mit „In The Grid“ geht es wieder auf die elektronische Tanzfläche, denn auch in diesem Stück steht der tanzbare Rhythmus im Vordergrund. Stefan paart hier den Düsseldorfer Stil mit Electro- und Wave-Elementen. In „Unicode“ setzt er wieder einige Soundelemente ein, die sehr stark an Kraftwerk erinnern, ohne dass das Stück  zu einem Clon der Düsseldorfer verkommt. Auch stilistische Fragmente, die man von der niederländischen Elektronikfraktion kennt, finden Einzug in dieses Stück. Dieser Track setzt sich schnell im Ohr fest.

So ein bisschen wie das Yellow Magic Orchestra, kurz YMO, so kommt das Titelstück aus den Boxen. Synthieklangfarben und vor allem dieser unterkühlte Rhythmus sind es, die an die japanische Formation erinnern. „Rescue The Robots (Rescue Two)” beschließt dann das Album. Hier wird nicht die Melodie vom ersten Teil aufgenommen, vielmehr zeigt sich Stefan Erbe wieder von seiner rhythmischen, stark an Kraftwerk erinnernden Seite. Das Stück hat auch wieder tanzbare Strukturen und eine hinreißende Harmonielinie. Tolles Stück zum Abschluss.

Wie günstig kann man noch auf legale Weise an Musik kommen, wenn nicht der Künstler selber die Sachen zum kostenfreien Download bereithält? Wer die Musik von Stefan Erbe kennt, der wird sich die neun Stücke, mit denen er so manche Erinnerung aus den 80’er Jahren hervorholt, sicherlich schnellstens auf den Heimrechner ziehen. Und all diejenigen, die seine Musik noch nicht kennen, sollten von diesem kostenlosen Angebot ebenfalls Gebrauch machen, es lohnt sich. Eine tolle Zusammenstellung, die durchaus eine reguläre CD-Veröffentlichung verdient hätte.

Stephan Schelle, Januar 2011

 
   

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