Stefan Erbe - Tagwandler
 

Stefan Erbe - tagWandler
Eigenvertrieb / MellowJet (2010)
(13 Stücke, 60:20 Minuten Spielzeit)

Nach seinem letztjährigen Album „Driver“, das er im Download-Format präsentierte, kommt im Frühjahr 2010 das neue Album des Hagener Elektronikers Stefan Erbe wieder als gepresste CD auf den Markt. Es heißt „tagWandler“ und zeigt Stefan teilweise von einer eher ungewohnten, da ruhig/meditativen Seite. Der Titel und das Cover ließen mich zunächst an den Film „Blade“ denken, in dem Wesley Snipes einen Vampir(-jäger) spielt, der am Tag, und somit im Sonnenlicht, leben kann. Doch die Geschichte hinter Stefan’s neuem Werk ist eine ganz andere.

 


Im Booklet schreibt Stefan dazu: „Der Tagwandler: Zyklus eines Tages, eines Jahres oder der, eines ganzen Lebens. Ein Wunderwerk aus Glas, das aus zwei Elementen besteht; des greifbaren und dem, des Begreifens. Es ist die Wesenstheorie die im Sonnenwind anfängt und in der Melancholie des sekundenlangen Glückes seine Endlichkeit findet. Wenn unser Körper erwacht, werden wir alle zu Tagwandlern.“ In diesem Text hat Stefan dann auch gleich einige Titel der Stücke verarbeitet.

Aber kommen wir zur Musik. Wer die rhythmische Variante der elektronischen Musik mag, für die Stefan Erbe steht, der wird zunächst etwas irritiert sein, denn mit den meisten der enthaltenen Stücke verbreitet Stefan eine etwas gemäßigte Atmosphäre.

Ein Geräusch, so als würde eine Tür in einem langen Gang (wie in einem Krankenhaus oder einer Gefängnisanstalt) geöffnet oder geschlossen, führt am Anfang von „Wach auf“ in Stefan’s neue CD. Der Track hat einen ruhigen durch Streicher bestimmten Unterboden, doch schon die Klangtupfer, die Stefan hinzufügt und die darauf folgende Pianomelodie sowie der für Stefan zwar gemäßigte, aber doch eingängige Rhythmus, verströmen eine loungige Atmosphäre. Das ist schon mal ein guter Einstieg in die Welt des „Tagwandlers“. Ohne Übergänge geht es in die nächsten Stücke über. Das folgende „Glas“ ist eine sehr atmosphärische Nummer, die nach Spacemusik - wie es Stefan auch schon auf dem Album „Inside The Images“ vollzog - klingt.

Und auch „Wesenstheorie“ spinnt diesen spacigen oder auch meditativen Stil fort, der erst nach etwa zwei Minuten mit einem sehr schönen Rhythmus unterlegt ist, der den meditativen Fluss allerdings nicht stört, sondern ihn unterstützt. Dann kommen nach einer Spielzeit von etwa drei Minuten Stefan’s typische Klangmuster und Melodiebögen ins Spiel, ohne das jedoch der Rhythmus anzieht. Es folgt „Wunderwerk zwei“, die Fortsetzung dessen erster Teil sich auf Stefan’s Album „Club Genetica“ befand. Hier wird es dann auch erstmals etwas rhythmischer, wenn auch immer noch verhalten. In diesem etwas mehr als fünfminütigen Track geht Stefan allerdings sehr variantenreich vor.

Soundnebel schüttet Stefan dann im Track „Alles fängt an“ über dem Hörer aus. Die Melodie steht hier im Hintergrund. Zu Klang gewordene Stimmungsbilder sind es, die einem hier die Sinne vernebeln. Mit ähnlichen Klangfarben und -strukturen beginnt das Titelstück, das dann aber diesen Stilmix aus Yellow Magic Orchestra und sanfte Kraftwerkschen Rhythmen, den Stefan in seiner Musik oftmals nutzt, beinhaltet. „Im Sonnenwind“ wirkt etwas sphärisch/experimentell und ich hab das Gefühl, als ob ich durch eine fremde Welt wandeln würde.

Bei „Sekundenschläfer“ kommt ein nach echtem Schlagzeug klingender Rhythmus ins Spiel. So langsam wacht der Erbe-Rhythmus aus seinem Dornröschenschlaf auf und die Gedanken, die beim Hören in den ersten Stücken etwas ambient dahinschwebten, werden langsam wieder belebt. Doch das hält nicht lange an, denn auch in den nächsten Tracks spielt Stefan etwas mit angezogener Handbremse. Erst im Bonustrack „Mikron“ kommt ein pulsierender Rhythmus dazu und lässt den typischen Erbe aus den Boxen. Das ist der Wachmacher am Ende des Albums.

Mit „tagWandler“ zeigt Stefan Erbe ein weiteres, nicht so stark rhythmisiertes Gesichte seiner Elektronikmusik. Dabei wandelt er in der Mitte von ambienten Klängen und rhythmischen Tracks. Eine CD, bei der man gut entspannen kann. Damit liefert Stefan Erbe ein gutes, wenn auch nicht sein stärkstes Album ab (mit knackigen Rhythmen hab ich ihn halt am liebsten).

Stephan Schelle, April 2010

 
   

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