Spyra / Lang - SeQuest
 

Spyra / Lang - SeQuest
Ricochet Dream (2010)
(4 Stücke, 66:08 Minuten Spielzeit)

Der Elektronikvirtuose Wolfram Spyra arbeitet gelegentlich mit dem aus der Nähe von Apolda stammenden Musiker Chris Lang zusammen. Mit ihm zusammen ist zuletzt das Album „Meditationen“ in 2005 herausgekommen. In 2010 folgt nun mit „SeQuest“ eine Fortsetzung dieses erfolgreichen Duo’s. Vier lange Stücke mit Laufzeiten zwischen 10:03 und 29:38 Minuten befinden sich auf dem Silberling, der im vierseitigen Digipack erscheint.

 


Nicht nur im Studio sondern auch in den Thermen in Bad Sulza und Bad Schandau wurden Stücke mitgeschnitten. Wie schon auf „Meditationen“ und „Achtundsechzig 24 Live@Toskana Therme“ sind die Tracks auf dem neuen Album sehr ambientmäßig gehalten. Wann die Stücke entstanden bzw. mitgeschnitten wurden, ist aus den recht spärlichen Informationen, die das vierseitige Digipack enthält, nicht zu entnehmen.

Mit dem fast halbstündigen „Last Train To Holmberg III“ startet die CD. Nach „Last Train To Bayreuth“ von „Elevator To Heaven“ und „Last Train To Philadelphia“ von der „High Phidelity“ ist dies nun der dritte letzte Zug, den Wolfram auf den Weg bringt. Neben Klängen, die wie von einem Bahnhof aus den Boxen dringen, sorgen sakrale weibliche Chorstimmen für eine ungewöhnliche Stimmung. Diesen Beginn könnte ich mir auch gut als Soundtrack eines Hollywoodstreifens vorstellen. Die Dampflok fährt mit Gebimmel und Signalhorn am Hörer vorbei, um dann in einen Rhythmus á la Klaus Schulze überzugehen. Dies ist der Start in einen faszinierenden Track voller Spannung, hypnotischer Ausstrahlung und Abwechslung, so wie es nur Wolfgang Spyra vollziehen kann. So nah Wolfram und Chris hier der „Berliner Schule“ auch sind, so eigenständig gehen sie doch in ihrer Musik vor. Vor allem dieser fette Synthiebass und die synthetisch erzeugten Rhythmen sind einfach göttlich. Ein Markenzeichen, das Spyra’s Musik schon seit Jahren auszeichnet. Man hat das Gefühl, das die beiden in einer ungeheuer homogenen Art improvisieren, ohne dass auch nur einen Augenblick Harmonie oder Dramaturgie verloren gehen. Als roter Faden zieht sich über weite Strecken der monotone Rhythmus durch diesen Longtrack.

Schon mit dem nächsten Stück nimmt die Laufzeit ab, obwohl „Nenikekamen“ es auch noch auf mehr als 15 Minuten bringt. Ein sehr sphärischer Beginn, der dem Stück eine meditative Note verleiht, gefolgt von Fagott ähnlichen Synthieklängen, die den Track in eine asiatische Ecke drängen, zeigen denjenigen, die schon mal in Bad Sulza waren, wie gut diese Musik zum Schweben in einer Soletherme geeignet ist. Bei diesen Klängen, die auch wieder die Handschrift der „Berliner Schule“ á la Klaus Schulze tragen, kann man sich einfach zurücklehnen und abtauchen. Im weiteren Verlauf erhöhen die Sequenzer ihre Taktfrequenz, was dem Stück wesentlich mehr Rhythmik verleiht.

Als nächstes haben wir mit „Santorini“ einen loungeartigen Track, der hier wieder deutlich die Handschrift von Spyra trägt, im Programm. Das Stück klingt nicht nach einer sonnendurchfluteten Insellandschaft, sondern mehr nach einer etwas einsamen Großstadtidylle, die man in der Dunkelheit durchschreitet. Dazu hat Wolfram wieder eine sehr ausgefeilte Perkussion ausgearbeitet, die einem die Sinne vernebelt. Mit dem hinreißenden Titelstück endet die CD. Durch den fetten Basssynthie wird ein hoher Spannungsbogen erzeugt. Fast schon wie eine Tauchfahrt kommt mir dieses Stück mit seinen Strukturwechseln vor. Am besten hört man es richtig laut.

Wie gewohnt hat Wolfram Spyra zusammen mit Chris Lang ein qualitativ hochwertiges Album aufgenommen. Wer die bisherigen Alben von Spyra kennt und schätzt, der sollte hier zugreifen. Auch Freunde der „Berliner Schule“ kommen auf ihre Kosten. Diese CD kann ich wieder wärmstens empfehlen, sie wird noch so einige Umdrehung in meinem Player absolvieren müssen.

Stephan Schelle, Oktober 2010

 
   

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