Klaus Schulze - Picture Music, Dig It, En=Trance, In Blue
 

Klaus Schulze - Wiederveröffentlichungen von „Picture Music“, „Dig It“, „En=Trance“ und „In Blue“
revisited records (2005)

Im April 2005 geht es in die zweite Runde der Klaus Schulze-Wiederveröffentlichungen. Die Alben „Picture Music“, „Dig It“, „En=Trance“ und „In Blue“ stellen die vier Reissues dieser Runde dar. Revisited Records ist auch an diese Alben wieder mit viel Liebe zum Detail herangegangen. Alle Alben erscheinen als sechsseitiges, „In Blue“ sogar als achtseitiges Digibook mit 16- bzw. 20seitigem Booklet. Hierin enthalten sind wieder ausführliche Linernotes und bisher unveröffentlichte Fotos.

„Picture Music“ wurde erstmals im Jahr 1975 veröffentlicht und enthielt die beiden Stücke „Totem“ und „Mental Door“, die es jeweils auf über 23 Minuten Spielzeit brachten und damals eine komplette Albumseite füllten. „Totem“ bietet weite und wabernde Flächen, deren Klangfarben sich langsam entwickeln. Ein zuckender Rhythmus gibt den Takt an. Darüber legt Klaus eine Melodiephrase. Innerhalb des Stückes wird so manche Wendung vollzogen, die unterschiedliche Klangbilder hervorruft. Der Titel behält aber über die volle Länge seine Spannung, man kann förmlich in die Klangkaskaden eintauchen. „Mental Doors“ klingt futuristisch. Da bilden zischende Synthiesounds den Einstieg in den Track und es klingt, als befände man sich auf einem Raumschiff. Die Melodielinien, die Klaus anstimmt sind streckenweise disharmonisch, passen aber ins Gesamtbild. Dann erklingt ein Schlagzeug und Klaus scheint sich in einen wahren Rausch zu spielen. Ein britischer Journalist schrieb anno 1975 über die Platte „… hypnotic quality. Klaus’ first true synth album.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Als Bonus befindet sich auf der CD mit „C’est Pas La Même Chose“ eine 33minütige Alternativversion von „Totem“. Klaus nimmt Klangmuster und -strukturen des ersten Stückes auf, präsentiert sie aber in einer anderen Art. Vor allem nach gut 20 Minuten entwickelt sich das Stück rhythmischer und etwas experimenteller um dann wiederum in eckstatisch anmutende Sequenzen zu driften, bevor der Tack dann ruhig dem Ende entgegen schwebt.

Der Titel des 1980 erschienenen Albums „Dig It“ spielt schon auf die Aufnahmetechnik der Stücke hin, denn Klaus wechselt mit dieser Platte ins digitale Zeitalter, hat er doch erstmals alle Tracks komplett am Computer, also digital eingespielt. Hiermit stieß er als einer der ersten die Tür zu einer neuen Technik auf. Bezeichnender Weise lautet dann auch das Eröffnungsstück „Death Of An Analogue“. Klaus hat mit Ausnahme der Drums, die beim ersten Stück zu hören sind und die von Fred Severloh eingespielt wurden, alles in seinem G.D.S. gespielt und gemischt. Per Vocoder hat er dann einige Passagen mit einem verzerrten Gesang versehen. Das klingt dann auch mehr nach einer Band als nach einem Solostück. Mit „Weird Caravan“ bietet Klaus das kürzeste Stück des Albums auf, es ist gerade mal 5:16 Minuten lang. Dieser Track klingt für Schulze-Verhältnisse ungewöhnlich. Vielleicht liegt das daran, dass Klaus sich einen Drumloop der NDW-Band Ideal, die er zum gleichen Zeitpunkt auf seinem IC-Label produzierte, auslieh. Dieser Loop ist die Grundlage, auf der Klaus seine Keyboardmelodie spielt. Das folgende über achtminütige „The Looper Isn’t A Hooker“ weist wieder die Schulze-typischen herrlichen Klangmalereien auf, zu denen ein Schlagzeug ertönt und den Titel stetig nach vorn treibt. Ein tolles Teil. Kernstück der regulären CD war aber das über 28minütige „Synthasy“, das klanglich zu Beginn an einen surrealen Soundtrack erinnert. Dass Klaus Schlagzeuger ist, beweist seine Perkussion, denn die ist wirklich perfekt gesetzt und bietet einen abwechslungsreichen Rhythmus, bei dem man eher ein ganzes Orchester mit Trommeln, Pauken, Gongs und weiterem Schlagwerk vermutet, als einen einzigen Künstler. Der Track ist wieder sehr abwechslungsreich und wird in seinem Verlauf immer rhythmischer, ja er wird sogar rockig. Mit „Dig It“ ist ein Album mit einem unheimlich sauberen Klangbild herausgekommen, das sehr transparent ist und eine klangliche Räumlichkeit vermittelt. Auf dem Höhepunkt der Aufnahmetechnik stellte „Dig It“ eine klangliche Referenzscheibe dar. Das Album war für mich persönlich in 1980 der Einstieg in das Schulze Universum. Zugegebener Weise infizierte ich mich mit dem Schulze-Virus dann aber erst mit seinem 97’er Auftritt im Duisburger Landschaftspark Nord. Das Bonusmaterial dieser CD kann sich mehr als sehen lassen. Nicht nur das die CD um den 28minütigen sehr experimentellen Titel „Esoteric Goody“ erweitert wurde (er erinnert etwas an die düstere Seite von „Mirage“), nein, das Pack enthält außerdem eine DVD mit dem kompletten Mitschnitt der „Linzer Stahlsinfonie“. Klaus hatte am 08.09.1980 im Rahmen der Ars Electronica in Linz dieses einstündige Konzert gegeben, welches vom Österreichischen Fernsehen aufgenommen und ausgestrahlt wurde. Bilder aus dem VOEST-ALPINE Stahlwerk wechseln sich mit Computer generierten Farbspielen in Schulzes Konterfei ab. Dann können wir Klaus bei seiner Klangerzeugung (er sitzt im Schneidersitz in einer wahren Synthieburg) live beobachten. Mit dieser DVD wird erstmals offizielle das Konzert auf Bildträger angeboten, bisher kursierten lediglich private Videomitschnitte. Für jeden Schulze- und Elektronikfan ist diese CD daher ein absolutes Muss.

Im Jahr 1988 veröffentlichte Klaus Schulze dann das Doppelalbum „En=Trance“. Die Platte entstand in nur drei Wochen, während einer Pause in der Aufnahmen des neuen Alphaville-Albums, das Klaus produzierte. Die Platte beginnt ziemlich experimentell mit dem Titelstück. Da kann einem schon mal gleich ein Schreck durch die Glieder fahren, wenn einem dieser dröhnende, technische Sound zu Beginn nichts ahnend ins Ohr jagt. Zwischen den schrillen Sounds, die nach einer Tour durch ein Stahlwerk klingen, schlängeln sich zaghaft harmonische Klangstrukturen. Und nach gut vier Minuten kommt eine Melodie aus dem Off und gewinnt so langsam die Oberhand. Über Strecken hinweg zieht sich eine monotone Rhythmussequenz auf der Klaus seine Akkorde spielt. In diesen versponnenen Track, der durch seine synthetisch erzeugten Gitarrensounds und scharf klingenden Klänge, die an eine Panflöte erinnern, bestimmt ist, kann man sich wieder rücklings fallen lassen. Man kann es nicht beschreiben, aber nach kurzer Zeit ist man von dieser Atmosphäre gefangen. Track zwei bietet eine ganz andere, ruhigere und in sich geschlossene, trotz seiner über 16 Minuten Länge eher Songorientierte Stimmung. Dann kommt „FM Delight“, das populärste Stück der CD, wurde es doch im Rahmen der Schwingungenwahl 1988 zum beliebtesten Titel gewählt. Vor allem durch die wohltuende Leichtigkeit, die dieses Stück im ersten Drittel verbreitet, geht es sofort in Ohr und Herz. Dann wird wieder die Rhythmussequenz gestartet und der Track nimmt Fahrt auf. „Velvet System“ beschließt diese 20ste CD von Klaus Schulze. Die Stücke, die damals je eine Plattenseite des Doppelalbums einnahmen, passen heute auf eine CD und bieten wie in diesem Fall sogar noch Platz für einen achtminütigen Bonustitel. Klaus hat das aus dem Jahr 1975 stammende „Elvish Sequencer“ als Zugabe beigefügt. Dieser Titel zeigt einen anderen Schulze, so wie er auf „Picture Music“ geklungen hat.

„In Blue“ ist die vierte CD dieses Re-release und war 1995 das letzte Album, das Klaus auf dem ZYX-Label herausbrachte. Seinerzeit als Doppelalbum erschienen, zeigt es einen sehr spielfreudigen Musiker, der neben seinem Stil der 70’er auch einiges an mitreißenden modern klingenden Rhythmen aufzuweisen hat. CD 1 beinhaltet das in fünf Parts unterteilte Stück „Into The Blue“. Klaus produziert auf dieser Scheibe faszinierende Klanggebilde, die anfangs in ihrer Zartheit eine gewisse Sehnsucht verströmen. Dann hört man gesampelte Chöre und betörende Rhythmussequenzen auf denen es zirpt und blubbert und Klaus seine Melodielinie bettet. Ein faszinierendes über 78 Minuten langes Stück voller Spannung und Spielwitz, bei der keine Sekunde Langeweile aufkommt. Bei dem fast 45minütigen „Return Of The Tempel“, das die zweite CD einleitet, holte er seinen alten Kumpan Manuel Göttsching an die Gitarre. Mit ihm hatte Klaus in den 70’ern bei Ash Ra Tempel zusammengespielt. Der Titel ist also ein gewisser Fingerzeig auf die damalige Zeit. Klaus und Manuel liefern sich ein Duett was sich gewaschen hat bzw. scheinen sich unter Verwendung ihrer Instrumente in einem Zwiegespräch zu befinden. Manuel spielt dabei streckenweise eine sehr krautige Gitarre. Zunächst noch atmosphärisch explodieren die beiden dann in einer wahren Klangorgie. Da geht einem der Rhythmus durch die Ohren ins Hirn und sofort in sämtliche Gliedmaße, die sich kaum beruhigen können. „Serenade In Blue“ bildet den zweiten Longtrack der zweiten CD. Nach dem eher ruhigen Beginn in Part 1 nimmt Part 2 uns mit auf seine pulsierende, dahinwallende Melodie, die von synthetisch erzeugten Akustikgitarren getragen wird. Die CD ist und war eine wahre Soundorgie. Für mich seinerzeit - wie auch heute - eine Scheibe, die immer wieder ihre Runden im Player macht und zu meinen Favoriten von Schulze zählt. Für das Reissue wurde diese DoppelCD um eine weitere CD mit 53 Minuten bisher unveröffentlichtem Livematerial erweitert. Und gleich zu Beginn ertönt Klaus’ Stimme, der zum Publikum spricht, was mit Applaus und Zwischenrufen eine echte Liveatmosphäre erzeugt. Der Titel des ersten Stückes „Musique Abstract“ gibt den Charakter recht gut wieder, besteht er doch aus einer Reihe Samples, die Klaus wild miteinander vermengt. Vom Klang her scheint die Aufnahme durch Außenmikrophone mitgeschnitten worden zu sein. „Return Of The Tempel“ wurde bei einem Konzert mit Jörg Schaaf und Manuel Göttsching aufgenommen, das beim Berliner Sender Radio 1 im Jahr 1997 ausgestrahlt wurde. Diese Aufnahme klingt sehr sauber, da sie direkt aus dem Mischpult mitgeschnitten worden zu sein scheint. Stilistisch passt diese Aufnahme gut zu den Stücken des Albums. Den Ausklang stellt das über halbstündige „Out Of The Blue 2“ dar. Revisited Records haben wieder sehr gutes Material ans Licht gebracht, das den eingefleischten Schulze-Fan wieder um einige Euro erleichtern wird. Vier Alben, die man in dieser Version als Elektronikfan unbedingt haben sollte.

Stephan Schelle, April 2005 

 
   

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