Klaus Schulze - Mirage, X, Dreams, Le Moulin de Daudet
 

Klaus Schulze - Wiederveröffentlichungen von „Mirage“, „X“, „Dreams“ und „Le Moulin dé Daudet“
revisited records (2005)

Das Label insideout, bei dem bekannte Prog- und Rockgrößen wie Spock’s Beard, Arena, Asia, The Flower Kings, Steve Hackett und Steve Howe, um nur einige zu nennen, ihre aktuellen Alben herausbringen, geht mit einem neuen Sublabel an den Start. Revistedrec heißt es und wird einige Schätze der Rockgeschichte heben, die mit Bonustracks und erweitertem Booklet ausgestattet sein werden. Den Anfang macht kein geringerer als der Elektronikpapst Klaus Schulze, der im Bereich der Elektronikmusik zweifelsohne einer der wichtigsten Künstler ist. Er war und ist ein Wegbereiter für Trance und Chillout sowie viele weitere Spielarten der Elektronik. Viele Musiker aus den verschiedensten Bereichen, die nach ihm kamen, nennen seinen Namen als Inspirationsquelle.

In den späten 60’ern und frühen 70’ern hat er begonnen mit Psy Free, die stark von den psychedelischen Sounds der frühen Pink Floyd beeinflusst waren, Tangerine Dream sowie Ash Ra Tempel seine ersten musikalischen Erfahrungen zu sammeln. Die Musik war sehr avantgardistisch und ihrer Zeit weit voraus. Bediente er anfangs noch die Schießbude, entdeckte er schließlich die elektronischen Instrumente für sich und hat seit seinem ersten Soloalbum „Irrlicht“ aus dem Jahr 1972 zahlreiche Platten veröffentlicht. Und ein Ende ist nicht abzusehen.

Sowohl mit seinen Gruppen (Tangerine Dream, Ash Ra Tempel etc.) wie auch seinen Solo­projekten wollte Klaus Schulze immer neue, bisher noch unbekannte musikalische Wege gehen, was ihm zweifelsfrei gelungen ist. Er entwickelte einen eigenen Stil der auch unter der Bezeichnung „Berliner Schule" bekannt geworden ist. Allerdings sind einige seiner Werke nicht leicht verdaulich, so dass man sich erst in sie hineinhören muss. Doch wer sich erst einmal damit befasst hat und den Zugang bekommen hat, der taucht ein in eine wunderbare Soundwelt.

Anfang 2005 hat das Label Revistedrec begonnen, den Backkatalog seiner Werke in nicht chronologischer Reihenfolge zu veröffentlichen. Als erstes stehen vier Werke aus der Zeit zwischen 1977 und 1992 zur Auswahl. Alle CDs werden in einem sehr schönen sechsseitigen Digipack ausgeliefert. Bis auf den Soundtrack „Le Moulin de Daudet“ sind die Cover alle mit den Originalen Nachempfunden. Daneben gibt es umfangreiche 16seitige Booklets (bei „X“ umfasst es sogar 24 Seiten) mit neuen Fotos aus den Zeiten der Veröffentlichungen, aktuelle Linernotes sowie jeweils Bonustracks, die das Volumen der CDs komplett ausreizen.

Gleich mit seinem achten Werk, „Mirage“ aus dem Jahr 1977, startet der Backkatalog mit einem Klassiker und von vielen als eine seiner Besten Alben bezeichneten CD. Auf dem 77’er Album bot Schulze damals lediglich zwei Stücke, die in jeweils sechs Parts unterteilt sind und die jeweils eine Plattenseite umfassten. Bei diesem kompromisslosen Album, das den Untertitel „Eine elektronische Winterlandschaft“ trägt, vollzog Klaus eine Trendwende, indem er - im Gegensatz zu seinen Vorgängeralben „Moondawn“ und „Body Love“, die sehr rhythmisch waren - eher abstrakte Musik komponierte. Klaus Bruder lag damals im Sterben und daher befand er sich in einer ziemlich düsteren Stimmung. Klaus sagt über die Platte, dass sie „Themen wie Eiszeit, Winter, Stillstand und Tod reflektieren sollte.“ Das wird vor allem beim ersten recht frostigen und avantgardistischen Titel „VelvetVoyage“ sehr deutlich. Hiervon sollte man sich aber nicht abschrecken lassen, denn sonst verpasst man einen der schönsten Tracks von Schulze, nämlich „Crystal Lake“, der im Gegensatz zu dem sehr kal­ten und sterilen Track Nummer 1 sehr warme und harmonische Flächen und Melodielinien aufweist. „Crystal Lake“ ist zweifelsfrei ein Schulze-Klassiker.

Abgerundet wird die CD durch den fast 20minütigen Bonustrack „In Cosa Crede Chi Non Crede?“. Dieser Titel, der auf deutsch soviel bedeutet wie „Ist es das Gleiche, oder ist es nicht das Gleiche?“, ist eigentlich ein anderer Mix des Parts „Destination Void" aus dem Stück „Velvet Voyage“. Das Album fand damals sehr viele Anhänger und war recht erfolgreich.

Mit „X", dem zehnten Album veröffentlichte Klaus 1978 gleich eine Doppel-LP, die jetzt auch als Doppel-CD erscheint. Auch dieses Album war Ende der 70’er sehr erfolgreich. Vor allem das sehr eingängliche „Georg Trakl“ mit seinem pumpenden Rhythmus, das in der 78’er Fassung 5:25 Minuten lang ist, besticht durch seine herrliche Melodie. Durch die kurze Laufzeit war es damals sogar Radio tauglich. In der aktuellen Version ist das Stück jetzt 26:04 Minuten lang und entfaltet so seine ganze hypnotische Kraft. Die sechs zum Teil sehr klassisch gehaltenen Stücke stellen Biografien von berühmten Persönlichkeiten dar, die Klaus seinerzeit faszinierten. Darunter befindet sich der Schriftsteller Frank Herbert, dessen Roman „Dune - Der Wüstenplanet“ wohl jedem bekannt sein dürfte. Aber auch Friedrich Nietzsche, Friedemann Bach, Heinrich von Kleist und Ludwig II von Bayern ist je ein Stück gewidmet. Als weiteren Bonus findet sich eine Live-Version vom Stück „Ludwig II“ unter dem Titel „Objet D’Louis“ auf der CD. Die Besonderheit hierbei ist, dass das Stück live mit komplettem Orchester aufgenommen wurde. Das klingt unwahrscheinlich spannend und irreal und stellt gleichzeitig eine absolute Rarität dar. Das hat etwas von Filmmusik. „X“ ist ein absoluter Klassiker und gehört meines Erachtens in jede Elektronik-Sammlung.

Die dritte Wiederveröffentlichung führt uns ins Jahr 1986. Mittlerweile hatte Klaus die digitalen Synthesizer für sich entdeckt. Auf dem 19. Album „Dreams“ agiert er jedoch nicht allein. Er hat sich wieder einige Musiker ins Studio geholt und spielt dieses Werk wie mit einer Band ein. Neben ihm sind Andreas Grosser (Piano), Nanu Isa (Gitarre), Harald Asmussen (Bass) Ulli Schober (Perkussion) und Ian Wilkinson (Gesang) mit von der Partie. Neben vier für Schulze-Verhältnisse recht kurzen Titeln (zwischen 4:16 und 9:40 Minuten) stellt das psychedelische „Klaustrophony“ mit seinen 24:40 Minuten Spielzeit den Kern der Scheibe dar. Dieser Titel hat gewisse psychedelische Elemente und bietet auch Krautrock ähnliche Momente. Vor allem dieser unwiderstehliche und mystisch-verrückte Gesang von Ian prägt die zweite Hälfte des Songs, während im Hintergrund diese tolle Melodielinien zu hören sind. Während die Gitarre und der Gesang (Ian singt nur in „Klaustrophony“) klar herauszuhören sind, verbinden sich die anderen Instrumente so mit Schulzes Synthiespiel, als würden sie komplett aus der Elektronikkiste von Klaus kommen.

Das Highlight dieser Wiederveröffentlichung ist aber der fast 24minütige Bonustrack „Constellation Andromeda“, den Klaus für Alesis anlässlich der Frankfurter Musikmesse 2003 aufgenommen hat und der dort verschenkt wurde. Da mittlerweile schon bis zu 560 US-Dollar im Internet für das 17minütige Stück geboten wurden, hat Klaus diesen Titel nun als Bonus mit auf diese CD genommen. Das Stück klingt modern und passt nicht so ganz zu den anderen Tracks. Für mich als Schulze-Fan ist es aber schon allein den Kauf der CD wert.

Als letztes haben wir dann noch einen Soundtrack, der hierzulande schwer erhältlich war. Zu dem französischen Film „Le Moulin De Daudet“ steuerte Klaus 1992 die Musik bei. Dieses, sein mittlerweile 37. Album, bietet - für Schulze untypisch - sehr kurze Tracks. Insgesamt finden sich 21 Stücke auf der CD, deren Spielzeit zwischen 1:08 und 6:56 Minuten liegt. Teilweise hört man auch heraus, dass die Tracks nicht ausgespielt werden, enden sie doch, bevor sie sich richtig entfaltet haben. Diese CD ist eher für den Schulze-Fan geeignet, als für diejenigen, die sich erstmalig mit seinen Werken beschäftigen wollen. Da sind die CDs „Mirage“ und „X“ besser geeignet.

Auch der Bonustrack dieser CD ist wieder eine Aufnahme, die zur Frankfurter Musikmesser erschienen ist und dort kostenlos verteilt wurde. Diese Mal stammt sie aus dem Jahr 2004 und wurde auf dem Ion-Synthesizer der Firma Alesis eingespielt. Auch diese in einer Auflage von 300 Stück erschienene PromoCD wurde bereits im Internet für mehr als 160 US-Dollar gehandelt. Jetzt ist sie für jeden Fan zu einem erschwinglichen Preis erhältlich. Dieser Bonustrack mit dem Titel „The Ion Perspective“ bietet absolut moderne technoartige Sequenzen und pulsierende Rhythmen. Der Song hätte auch gut auf die „Contemporary Works“ gepasst. Für diesen Song lohnt sich die Anschaffung des Albums allemal.

Inside Out ist es zu verdanken, dass die Werke von Klaus Schulze in neuem Glanz erscheinen. Die Aufmachung der CDs sowie der beigefügten Bonustitel, macht die Wiedererscheinungen zu einem Muss für jeden Elektronikliebhaber. Auch wird die Musik von Klaus durch diese neuen CDs neue Freunde finden, da bin ich mir absolut sicher.

Stephan Schelle, Februar 2005

 
   

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