Schiller - Sehnsucht
 

Schiller - Sehnsucht
Universal (2008)
(Promo: 16 Stücke, 73:40 Minuten Spielzeit)
(Super Deluxe Edition: 31 Stücke, 135:40 Minuten Spielzeit + DVD)

Mehr als zwei Jahre sind ins Land gegangen, seitdem Christopher von Deylen mit „Tag und Nacht“ sein letztes Studioalbum als Schiller vorgelegt hat. Im Februar 2008 veröffentlicht er mit „Sehnsucht“ sein mittlerweile fünftes Studiowerk. Man kann nicht beschreiben, was die Faszination seines Klangkosmos ausmacht, sicher ist nur, dass sich Musikfreunde aus allen Lagern immer wieder von seinem Virus infizieren lassen. Sein Stil ist dabei immer ähnlich und hat einen hohen Wiedererkennungswert. Das macht die Musik aber auch anfällig für Wiederholungen und Abnutzungserscheinungen. So war ich sehr gespannt darauf, was uns der Meister dieses Mal servieren wird.

 

 


Christopher schafft es immer wieder sowohl bekannte, wie auch bisher noch nicht so sehr ins Rampenlicht getretene Musiker für eine Zusammenarbeit zu begeistern. Neben Kim Sanders, die mittlerweile zum festen Bestandteil aller Studioproduktionen geworden ist und Jette von Roth, die auch schon beim letzten Album begeistern konnte, hat er für „Sehnsucht“ mit Helen Boulding, Stephenie Coker, Anna Maria Mühe, Jaél, Ana Torroja, Despina Vandi, Ben Becker und Xavier Naidoo neue Künstler für sich gewinnen können. Und den Mitbegründer der „Berliner Schule“, Klaus Schulze, konnte er ebenfalls zu einer Kooperation bewegen, die in dem Instrumental „Zenit“ mündet.

Kommen wir nun zur Musik, auf der mir vorliegenden PromoCD. Wie schon bei den bisherigen Alben üblich, so wechseln sich auch hier gesungene mit instrumentalen Stücken ab. Perlende Synthies, die in einer Art Wellenbewegung an- und abschwellen, so beginnt der erste Titel, „Denn wer liebt“ des neuen Schiller-Albums „Sehnsucht“ in der Promoversion. Das reguläre Album startet aber wieder mit dem Opener „Willkommen“, auf der die so lieb gewonnene Stimme von Franziska Pigulla (deutsche Stimmen von Scully aus Akte X) das Album mit den Worten "Willkommen, in der neune Welt von Schiller" spricht. Aber auch die Schauspielerin Anna Maria Mühe, die im Opener der Promo, „Denn wer liebt“ sowie bei In der Weite und Der Kuss Texte von Goethe, Grillparzer Chrétien de Troyes spricht, schiebt sich mit ihrer sanften und sehnsuchtsvollen Stimme (passt gut zu dem Albumtitel) gleich unter die Haut des Hörers. Und wenn dann diese Gänsehaut erzeugenden Cellosounds in „Denn wer liebt“ aus den Boxen tönen, dann bekommt man einen glasigen und sehnsuchtsvollen Blick.

Dieser Starke Beginn geht sofort in den sehr schönen ersten Gesangstrack „Sehnsucht“ über, bei dem Christopher mit Xavier Naidoo ein richtiges Kaliber verpflichten konnte, denn seine Stimme passt perfekt zum Schillersound, der dieses Mal einen neuen Rhythmus mit bekannten Schillermotiven verbindet. Die Gänsehaut bleibt und auch die folgenden Stücke verbreiten diese, von Schiller gewohnte harmonische und fesselnde Stimmung.

Gibt es eigentlich eine schönere Stimme für Schillermusik, als die von Kim Sanders? Wenn man die Konzerte in 2006 verfolgt hat, dann ist sie klar als Siegerin unter den Gesangskünstlern hervorgegangen. Und ihre Version von „I’ve Seen It All“ ist einfach unübertroffen. Sie veredelt neben dem hinreißenden Stück „Let Me Love You“ auch den Song „Forever“. In „Ile Aye“ sorgen die Rhythmen und die Stimme von Stephenie Coker für afrikanisches Flair und die mir bisher unbekannte Jaél bezaubert bei „Tired“ mit ihrer zerbrechlichen Stimme. Man kann Ben Becker, der ein Gedicht von Lord Byron spricht,  mögen oder nicht, aber seine dezent eingesetzte Stimme, passt für mich sehr gut zum Stück „Vor der Zeit“.

„Mitternacht“ bietet einen schönen Basslauf, hypnotisch schwebende Sounds und hebt sich von den bisherigen Schillerklängen etwas ab, ohne sich zu weit davon zu entfernen. Aber nicht nur in diesem Track, sondern auch bei den anderen Instrumentalstücken wie Wehmut, mit seinen ruhigen Flächen und mit einem Besen bearbeiteten Schlagzeug, oder Wunschtraum, das zunächst wie eine Spieluhr klingt, gibt es neue Sounds zu hören. Bei Schiller ist es auch immer eine Wohltat, dass Christopher unterschiedliche weibliche Gesangsstimmen auf den Alben vereint, und so sorgen auch Helen Boulding’s Einsatz beim Song „Everything“ wie auch Stephenie Coker mit Ile Aye und Jaél bei "Tired" für Abwechslung.

Mit dem fast fünfminütigen „Zenit“ hat Christopher einen Ausschnitt der Zusammenarbeit mit der Elektroniklegende Klaus Schulze auf das Album gebracht, das seine modernen Elektronikklänge mit denen von Klaus verbindet. Dabei befindet sich der Track im Umfeld von Schulze’s Box „Contemporary Works Vol. 1“. Aus der Presseinfo ist nicht zu entnehmen, ob neben Klaus und Christopher noch weitere Musiker beteiligt sind, aber durch Einsatz von Cello und der Gesangslinie klingt es wie die Arbeiten, die Klaus zusammen mit Thomas Kagermann aufgenommen hat. Der komplette, mehr als halbstündige Track ist im Übrigen auf der DVD der Deluxe-Editionen zu finden.

Jette von Roth bietet bei „Black“ wieder diesen Touch von Björk und bei „Sommernacht“ kommen neben den Schiller-Elementen auch Sounds, die an das Alan Parsons Project erinnern, zum Einsatz. Allen Stücken ist eine Prise Sehnsucht, Wehmut oder Fernweh beigemischt, die aber für eine sehr angenehme und wohlige Stimmung sorgen.

Wie es Christopher schafft, bleibt mir ein Rätsel, aber er bringt auch das neue Album in seinem bekannten Stil so rüber, das keine Langeweile entsteht oder die Stücke abgenutzt klingen. Sicher, man kennt seine Musik mittlerweile in- und auswendig, doch er bringt immer wieder neue Elemente mit hinein und auf der anderen Seite fühlt man sich, wenn man diese Art von Musik mag, sofort zu Hause. Für mich ist „Sehnsucht“ wieder ein Pflichtkauf.

Das Album wird es in verschiedenen Versionen geben, darunter eine limited Super Deluxe Edition, die zwei CDs, eine DVD und ein 32seitiges Minibuch enthält. Auch in Sachen Ausstattung ist die neue CD von Schiller wieder vorbildlich.

Stephan Schelle, Februar 2008

Nachtrag:

Nun liegt mir das Album in der Super Deluxe Edition vor und meine Empfehlung lautet: Unbedingt dieses opulente Werk kaufen, denn es umfasst insgesamt 31 Stücke auf zwei CDs, deren Spielzeit es auf insgesamt 136 Minuten bringen. Und diese mehr als zwei Stunden Musik haben es wirklich in sich.

Während die Deluxe Edition (ob es eine normale Version gibt und welche Titel die DoppelLP enthält, ist mir nicht bekannt) mit 18 Songs auf einer CD auskommen muss, einer DVD mit 12 Videos ausgestattet und in einem Digipack im CD-Format gestaltet ist, kann die Super Deluxe Edition mit weiteren Highlights glänzen. Zum einen enthalten die beiden CDs 13 Tracks mehr und auch die DVD bietet wesentlich mehr Bildmaterial, darunter weitere Videos zu "Denn wer liebt" und "Mitternacht", ein Interview mit Christopher von Deylen sowie Livemitschnitte aus Kiew von den Songs "Irrlicht" und "Nachtflug".

Wer bei dem mit Klaus Schulze eingespielten Track "Zenit" auf der DVD bewegte Bilder von Christopher und Klaus erwartet, wird leider enttäuscht, denn zu der mehr als 30minütigen Version ist lediglich eine animierte Bandmaschine zu sehen, deren Spulen sich drehen. Das ist aber auch der einzige Wehrmutstropfen des tollen Albums.

Auch die Verpackung kann sich mehr als sehen lassen, denn die drei Silberlinge erscheinen in einer Karton-Box im DVD-Format. In dieser Box befindet sich ein gleichgroßes Digipack im Buchformat. Neben den Medien enthält es ein sehr schönes 36seitiges Booklet mit den Texten, reichlich Bildern und Linernotes von Christopher von Deylen. Sehr gut gefallen hat mir der Kurze Abriss seiner Autoreise von Berlin nach Calcutta und die geschilderten Eindrücke vor einem Konzert. Das gleichzeitig erscheinende Buch wird wahrscheinlich noch mehr davon präsentieren.

Wer gute poporientierte Musik mag, kommt an diesem Album nicht vorbei. Christopher hat sich mit "Sehnsucht" mal wieder selbst übertroffen und schraubt die Erwartungen an die kommende Tour in die Höhe. Schade nur, dass bei der Masse der guten Tracks es einige aus Zeitgründen nicht auf die Bühne schaffen werden. So wäre eine kurze Liveperformance von Christopher und Klaus Schulze doch ein echter Hammer.

Stephan Schelle, Februar 2008

 
   

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