Ron Boots – Ante Oculos
 

Ron Boots – Ante Oculos
Groove Unlimited (2011)
(6 Stücke, 67:38 Minuten Spielzeit)

Nachdem Ron Boots in 2010 eine kleine Pause als Solokünstler eingelegt hat, kam Ende 2011 rechtzeitig zum Konzert „Hello 2012!“, das am 30.12.2011 im Bochumer Planetarium stattfand, das neueste Solowerk unter dem Titel „Ante Oculos“ heraus. Die Musik wurde zu großen Teilen bei diesem Konzert live gespielt und weicht teilweise ein wenig von dem typischen Boots-Stil ab. Auch hat Ron das Album nicht völlig allein eingespielt, bei zwei Titeln hat er sich mit dem Gitarristen Frank Dorittke (aka F.D. Project) und dem aus Irland stammenden Violinisten Jamie O’Callaghan zwei Gäste an die Seite gestellt.

 


Wer zum Jahresende 2011 in Bochum war und Ron live erleben durfte, der weiß schon, dass sich der niederländische Klangspezialist auf seinem neuen Werk in einer für ihn etwas ungewohnten musikalischen Art präsentiert. Die einzelnen Stücke sind dieses Mal nicht von dem typischen Boots’schen Rhythmus durchzogen, der aus seinen Werken diesen unverwechselbaren, unwiderstehlichen, hypnotischen Sound ausmacht. Vielleicht liegt es an dem Thema, mit dem sich das neue Werk beschäftigt, dass Ron spaciger an die einzelnen Stück herangegangen ist. Und im Titelstück, in dem er mit Jamie O’Callaghan an der Violine agiert (Jamie erinnert hier stilistisch auch eine Spur an Thomas Kagermann), klingt Ron so melancholisch wie selten.

Wie schon erwähnt, hat das Album ein Thema zur Grundlage. Es dreht sich auf dem neuen Werk alles um das Jahr 2012, in dem sich so viel ändern soll. Die Mayas und auch der Astronom und Wahrsager Nostradamus sagten für 2012 das Ende der Welt voraus. Aber steht uns wirklich das Ende der menschlichen Rasse bevor? Die Probleme in der Weltwirtschaft und auch bei den von uns Menschen verursachten Umweltbelastungen, die zu zahlreichen und immer schwereren Naturkatastrophen führen, lassen sicherlich den Schluss zu, dass der Mensch sich über kurz oder lang selbst vernichten wird. Aber wird das tatsächlich schon 2012 geschehen? Wer weiß das schon?

Auch wenn Ron sich diesem ernsten Thema zugewandt hat und einige melancholische Anklänge auf dem Album zu finden sind, so zeigt sich das neue Werk doch nicht pessimistisch. Es gibt auch positive und sehr harmonische Momente auf dem Album.

Gestartet wird mit dem Track „Ad Temporum Sidelines“ sehr spacig. Schwebende sowie locker leichte Klänge vermischen sich miteinander zu einem mystischen Track, der sehr gut zu dem Cover-Artwork passt. Dann folgen einige Harmonien, bei denen man Ron absolut nicht heraushört. Irgendwie haben diese Klänge eine traumhafte Wirkung, die die Gedanken fliegen lassen. Das Stück trabt über die gesamte Laufzeit von fast acht Minuten recht gemächlich und entspannt dahin. Auch das folgende „Xenophobes And Other Weirdos!!” ist für Ron Boots recht ungewöhnlich, was Klangfarben und Rhythmik betrifft. Irgendwie schiebe ich diesen Track in Richtung Fernost, auch wenn er nicht wirklich asiatische Instrumentierungen aufweist. Vielleicht sind es die Streichersounds, die diese Assoziation bei mir weckt.

Dann kommt das recht melancholische Titelstück, das vor allem von der sehr melancholisch gespielten Violine bestimmt wird, deren Klänge Ron mit weiten Synthieflächen unterlegt. Ron sagte mir bei seinem Konzert in Bochum, dass die Iren „mit einer Träne im Auge geboren werden“. Und das scheint sich bei diesem Stück auch zu bestätigen, denn so traurig hat Ron’s Musik noch nie geklungen. Allerdings hebt Ron diese Stimmung durch den Sequenzer, der nach einigen Momenten ins Geschehen eingreift. Beides sind sehr schöne Kontrapunkte, die sich aber gut ergänzen. Das Stück zeigt einen Ron Boots mal von einer ganz anderen Seite. Zur Mitte hin kommt dann aber ein Rhythmus auf, der so typisch für Ron ist und mich sehr an seinen Titel „Rivers“ erinnert. Ab jetzt wird es hypnotisch in diesem mit mehr als 15 Minuten längsten Track des Albums.

„Can We Predict?“ liegt in zwei Parts, die aufeinander folgen, vor. Beide Stücke bringen es jeweils auf mehr als elf Minuten Spielzeit. Mit Windspielen und Synthieflächen beginnt „Part 1“ recht atmosphärisch. Und auch im weiteren Verlauf ändert sich dieser atmosphärische Stil nicht drastisch. Ron schafft hier vor allem Stimmungen. Im letzten Abschnitt bekommt das Stück durch einige Sounds ein etwas voluminöses Gewand und erinnert mich sehr an Vangelis’ Soundtrack „Blade Runner“. Nahtlos gehr es dann in „Part 2“ über, der von Beginn an rhythmischer ausgelegt ist, diese „Blade Runner“-Atmosphäre aber noch in den ersten Momenten mitnimmt. Dann schält sich ein Rhythmus heraus, der den Track in eine ganz andere Richtung lenkt. Herrliche Harmoniebögen schweben durch den Raum und umwickeln den tanzbaren Rhythmus mit einem sanften Schleier. In diesem Track herrscht dann der Rhythmus eindeutig vor.

Im sechsten Track „The Sorrow Remains Of Things That Past“ vermischen sich Ron’s Synthiesounds mit Frank’s typischen Gitarrenklängen. Beide gehen dabei äußerst verträumt vor, so dass die Melodie sich sofort im Hirn festsaugt. Auch die gemächliche Rhythmusstruktur passt sich dieser entspannten Stimmung sehr gut an. Der Track liegt – obwohl sehr sanft gespielt – doch zwischen den Welten aus Elektronik und atmosphärischer Rockmusik. Nach diesem mehr als siebenminütigen Stück sollte eigentlich Schluss sein, doch die CD hält noch einen mehr als fünfminütigen Hiddentrack vor. Zum Glück wird keine Pause eingefügt, die aus reiner Stille besteht (ich hasse diese Form), sondern es wurde ein weiteres Stück, das nicht auf der CD-Hülle auszumachen ist, angehängt. In diesem Bonusstück zeigt Ron noch mal, welch wunderbare Harmonien er aus seinen elektronischen Gerätschaften zaubern kann. Diese wunderbaren Klänge, die da aus den Boxen schweben sorgen bei mir für eine Gänsehaut. In diesem Stück kommt der Ron, den wir alle kennen dann doch noch hervor. Ein sehr schöner Abschluss einer für Ron Boots ungewöhnlichen CD.

Auch wenn Ron sich auf dem neuen Album mit dem möglichen Ende der Welt im Jahr 2012 beschäftigt, so verbreitet seine Musik doch alles andere als Untergangsstimmung. Zwar hört man hier Ron einmal von einer ganz anderen Seite, als man es von ihm gewohnt ist, doch auch mit dem neuen Werk macht er eine sehr gute Figur. Mir gefällt das Album jedenfalls, auch wenn ich ansonsten Ron’s urtypischen Stil den Vorrang einräume.

Stephan Schelle, Januar 2012

 
   

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