[‘ramp] – No Sleep ‘Til Wilmersdorf
 

[‘ramp] – No Sleep ‘Til Wilmersdorf
Doombient Music (2018)
(
8 Stücke, 79:57 Minuten Spielzeit)

Nach dem letztjährigen Album „Synchronized Or Die“ hat sich der deutsche Elektronikmusiker Stephen Parsick, der als [‘ramp] firmiert, nicht wieder fünf Jahre bis zum nächsten Output Zeit gelassen. Am 02.05.2018 erscheint Album Nummer elf unter dem Titel „No Sleep `Til Wilmersdorf“. Dieses Mal feiert er den 35. Jahrestag seiner ersten Musikstunde. Auch diese CD erscheint in einer limitierten, nummerierten Auflage von 222 Stück. Daneben kann die Musik auch über die Bandcamp-Seite von [‘ramp] downgeloaded werden.

 

 


Auch hier einige humorvolle Beschreibungen von Parsick selbst: Musikalisch gibt es wieder ein lupenreines Bielefelder Schule-Album, das fest im Bielefelder Vorort Berlin der Jahre 1978/79 verortet ist, als ich mit meinen Eltern die Mauerstadt besuchte und eine Weile in Wilmersdorf zubrachte. Dass dort in unmittelbarer Umgebung nicht nur das Beat Studio von Thomas Kessler lag, wo sich Klaus Schulze, Manuel Göttsching und Harmut Enke zu Ash Ra Tempel zusammengefunden, Edgar Froese mit Bandschleifen experimentiert und Agitation Free regelmäßig geprobt hatten, sondern auch Peter Baumanns Paragon Studio, Conny Schnitzlers Werkstatt und Michael Hoenigs Aura Studio in fußläufiger Entfernung lag, ahnte ich damals nicht – immerhin, ich war in der Düsseldorfer Straße untergekommen, und auf eine Kapelle aus Düsseldorf stand ich ziemlich.

Als damals sechsjähriger beeindruckte ihn nicht nur die Fahrt durch die damalige Ostzone sondern auch die Großstadt Berlin. Das Berlin jener Zeit – diese runtergeranzte, trostlose zerschossene, geteilte Stadt, die gleichzeitig so spannend mit der S- und U-Bahn zu erkunden war (ich sage nur: Schleichfahrt durch Ostberliner Geisterbahnhöfe) und so viel Aufregendes für ein kleines Landei wie mich zu bieten hatte – hat sicherlich mit zum Fundament beigetragen, was ich heute Doombient nenne. „Wilmersdorf“ ist eine Zeitreise an diesen Ort, der nur noch in meinen Erinnerungen existiert.

Klanglich ist „Wilmersdorf“ mein persönliches „Pet Sounds“ geworden, da alle meine Lieblingsklänge unter einem Dach versammelt sind: ARP, Moog, Oberheim und EMS, Elka Rhapsody, Rhodes Piano, Kunstkopfaufnahmen in freier Natur, und selbstverständlich mehr Mellotroneinsätze, als für den Blutzuckerspiegel gut sein können. Um den authentischen Klang der damaligen Zeit erwecken zu können, habe ich viel Zeit und Mühe in die Beschaffung von herrlich rauschigen, zerrenden und generell grausam klingenden Bandechos, Federhallgeräten und Phasern investiert. Was die Abmischung angeht, so habe ich mich von zeitgenössischen Werken von Dieter Dierks und Conny Plank inspirieren lassen.

Die CD wartet zwar mit acht Stücken auf, allerdings hat Parsick sie so geschickt miteinander verbunden, dass das Werk kompakt angelegt ist und wie ein einziger Longtrack wirkt. Symphonische Klangfarben, die an Musik von Klaus Schulze erinnern, eröffnen den 11:27minütigen Opener „Compact Phasing A“. Dabei rauscht eine Synthiestimme herrlich vorbei, als würde ein Sommerwind durch den Raum wehen. Die Melodielinie zieht ebenfalls sanft durch den Raum nimmt aber an Dynamik im Verlauf des Stückes stetig zu. Rhythmen hat Parsick in diesen ersten Track nicht eingebaut. Dem schließt sich dann nahtlos das 16:51minütige Titelstück an. Hier kommen dann nach wenigen Momenten Sequenzerrhythmen auf, die sich zu den hymnisch wirkenden Sounds gesellen. Das hat zunächst etwas von Soundtrackmusik im Stile der „Berliner Schule“. Parsick verändert in dem Stück die Rhythmusmuster, Klangfarben und Harmonien. Dieser Track reicht damit in die Richtung von Tangerine Dream der Endsiebziger.

Dann wird in das nächste Stück „Clouds Should Say“ (4:39 Minuten) übergeleitet, das mit sphärischen Synthiemustern eine ruhige, schwebende, zum Ende hin gar surreale Stimmung verbreitet (hier hört man dann auch ein vorbeifliegendes Flugzeug). Tropfenartige Klangmuster geleiten dann in das achtminütige „Haunted Hills“ über. Das Stück hat einen langsamen Rhythmus und herrliche Mellotron-Melodielinien. Das mehr als elfminütige „Salomon’s Road“ gehört mit seiner Melodik und den Klangfarben deutlich zu meinen Favoriten des Albums. Danach folgen noch mit dem leicht surreal wirkenden „Oedipus“, dem herrlich dahintrabenden „Orphelia“ und dem zarten, dahinperlenden „The Last One To Leave Is To Turn Off The Lights“ zwei weitere Tracks.

Stephen Parsick hat mit „No Sleep `Til Wilmersdorf“ ein klasse [‘ramp]-Album eingespielt, das sich über weite Strecken der „Berliner Schule“ widmet, sie aber nicht einfach nur kopiert. Vielmehr hat Parsick der Musik seinen eigenen Stempel aufgesetzt.

Stephan Schelle, April 2018

 
   

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