Pete Namlook & Wolfram Spyra – Virtual Vices VI
 

Pete Namlook & Wolfram Spyra – Virtual Vices VI
FAX Records (2008)
(7 Stücke, 54:33 Minuten Spielzeit)

Neben der Kollaboration mit dem großen Elektroniker Klaus Schulze ist Pete Namlook - neben einigen anderen - auch seit mehreren Jahren eine Verbindung zu dem Ausnahmeelektroniker Wolfram Spyra eingegangen. Die beiden veröffentlichen zusammen seit 1998 ihre gemeinsame Musik unter dem Namen „Virtual Vices“. Nach zwei Jahren ist es mal wieder soweit, die „Virtual Vices“-Serie von Pete Namlook und Wolfram Spyra geht in ihre sechste Runde. Schon wie beim Vorgänger Nummer 5 kommt das aktuelle Album, das ab dem 15.10.2008 erhältlich ist, in einer luxuriösen Version als normale CD inkl. CD im DTS 5.1 Surround-System heraus. (Achtung: Die CD mit der DTS-Version lässt sich nicht auf jedem CD-Player/PC abspielen, sondern erzeugt nur ein Rauschen, die zweite beiliegende CD ist aber völlig in Ordnung.)

 


War das letzte Album nur im deutschen Hödeshof aufgenommen, so entstanden dieses Mal auch einige Aufnahmen in Clapham (London). Die letzte Produktion zeigte schon eine musikalisch Bandbreite der beiden Musiker, die weit über die normale Ambient-, Chill Out oder Elektronikmusik hinausging, ohne dass beide ihren markanten Stil vernachlässigten. Und dieses Konzept führen die beiden auf der neuen Produktion konsequent fort.

Schon das Cover zeigt eine für Elektronikmusik ungewöhnliche Kombination von unterschiedlichen, traditionellen Instrumenten. In dieser Collage finden sich unter anderem Geige, Gitarren und Trompete wieder. Sieben Stücke sind auf der CD enthalten, die auf 500 Exemplare limitiert ist und deren Laufzeiten von schlanken 5:33 bis zu ausufernden 10:54 Minuten reichen.

„Clapham Ratrun“ eröffnet die CD zunächst mit einer Art elektronisch erzeugtem Morserhythmus, zu dem sich nach wenigen Momenten eine Art jazzige Passage gesellt, die schnell an Volumen, Lautstärke und Dynamik gewinnt. Dieses etwas mehr als einminütige Vorspiel des Neunminüters geht dann in einen sehr rhythmischen, faszinierenden Part über, der die typischen Merkmale beider Musiker aufzeigt. Das hat einen gewissen funkig/jazzigen Touch, der mit einer unglaublichen Klangfülle ausgestattet ist. Im weiteren Verlauf bekommt der Track durch Pete’s E-Gitarre einen rockigen Anstrich. Man hat das Gefühl als würden sich die beiden bei diesem Stück in Ekstase spielen. Auch das Schlagzeug klingt so als ob es nicht programmiert, sondern wirklich gespielt wurde. Ein toller Beginn.

Als zweites folgt „M-Maybe“, das vor allem durch seinen Reggae-Rhythmus, der den typischen Spyra-Stil begleitet, besticht. Bei diesem Sound kann man nicht ruhig bleiben. Auf diesem Rhythmus legen die beiden eine recht simple Melodie, die aber von ausgefeilten Soundeffekten unterlegt ist. Dieser Track bleibt aber nicht Laid Back gespielt, sondern erhält durch eine Art Bass-Spiel auch noch einen recht jazzigen Anstrich sowie durch einige etwas schräge Synthiesounds etwas Experimentelles. Sehr ungewöhnlich, macht aber Spaß.

Mit einer Pianolinie und einem wieder typischen Spyra-Sound beginnt „Canterbirth“. Dieses Zwiegespräch zwischen den beiden Instrumenten / Sounds wird über die kompletten 7:38 Minuten fortgeführt, dadurch erhält dieses Stück einen klassischen Anstrich. Eine tickende Standuhr ist bei „Greenwich Meantime“ zu hören. Darauf setzt Wolfram sein Keyboardspiel. Wenige Momente später entwickelt sich der Titel durch den Einsatz von Schlagzeug und weiteren, von Pete gespielten Keys zu einem richtig abgehenden Stück, das für meinen Geschmack wieder einen gewissen Rocktouch nicht leugnen kann, auch wenn es durch den Einsatz der elektronischen Gerätschaften eher sanft klingt. Assoziationen von klassischem oder progressivem Rock der 70’er machen sich da bei mir breit. Im zweiten Teil spielt Pete eine Art Bass-Solo.

„Snow White“ ist mit seinen 10:54 Minuten der längste Titel des Albums. Dieser Track ist ein sanfter, ruhig dahin fließender Track, der auf einigen sanften Rhythmuspassagen getragen wird. Dazu spielt Pete eine sehr akzentuierte Gitarre. Ein Stück zum zerfließen, das im zweiten Teil an Dynamik gewinnt und dadurch wieder eine Prise von Rockmusik versprüht, ohne die elektronischen Pfade zu verlassen. „Wandsworth Wine Tasting“ wirkt vor allem durch Schlagzeug und Bass zunächst wieder sehr jazzig und wird durch den Einsatz von Orgelsounds, die an Jon Lords Tastenarbeit erinnern, vervollständigt. Aber diese Atmosphäre bleibt nicht lang erhalten, denn sobald Wolfram mit einsteigt kommt wieder diese ungewöhnliche, faszinierende Stimmung aus Klassikrock, Elektronik, Jazz und was weiß ich nicht noch alles zusammen. Das Ganze klingt wie eine Mischung aus vielen unterschiedlichen musikalischen Stilen, allerdings so zusammengestellt, das wieder ein schmackhaftes Menu draus wird.

„Ain’t No Sunshine On The Tube“ ist zum Abschluss dann wieder ein Titel zum Träumen. Der klingt so locker wie so mancher Robbie Williams Song und lädt förmlich zum Cabrio-Fahren an einer sonnendurchfluteten Strandidylle ein. Irgendwie hat der Track auch was, dass mich an einen James Bond Soundtrack erinnert. Würde mich nicht wundern, wenn ich im nächsten Monat im Kino sitze, mir „Ein Quantum Trost“ anschaue und mir dieser Track über den Weg läuft.

„Virtual Vices“ ist eine sehr gelungene Fortsetzung der Kollaboration von Namlook und Spyra, die wieder sämtliche musikalische Grenzen sprengt und klanglich – wie viele der Namlook-Produktionen - über jeden Zweifel erhaben ist. Durch viele unterschiedliche Stile bietet das Album eine Menge Abwechslung. Wer die bisherigen Alben des Duos oder der Solokünstler mag, der kann hier bedenkenlos zugreifen. Ein tolles Album.

Stephan Schelle, Oktober 2008

 
   

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