Mythos – Unabsteigbar!
 

Mythos – Unabsteigbar!
MellowJet Records (2010)
(5 Stücke, 44:15 Minuten Spielzeit)

Der aus Berlin stammende Stephan Kaske macht seit vielen Jahren unter dem Pseudonym Mythos elektronische Musik. Unter anderem durch seine Produktionen „Surround Sound Offensive“, „The Modern Electronic Kamasutra“, „The Dramatic And Fantastic Stories Of Edgar A Poe“ und „Gallery Concerts” hat er sich in den letzten Jahren wieder in der Elektronikszene etabliert. Dies führte dazu, dass er vom Schallwende e. V. Einladungen zum alljährlichen Grillfest in Essen, bei dem im Grugapark unter freiem Himmel elektronische Musik geboten wird, und zum vorweihnachtlichen EM-Breakfast in Bochum erhielt. Beim EM-Breakfast wurde sein Auftritt mitgeschnitten, der Anfang 2010 als EP bei MellowJet Records in einer limitierten Auflage unter dem Titel „Unabsteigbar!“ erscheint.

 


EP ist gut, bringt die CDR es doch auf eine Laufzeit von gut einer Dreiviertelstunde. So manche Rockband kommt mit ihren Longplayern nicht mal an diese Laufzeit heran. Die CDR gehört zu den ersten Veröffentlichungen, die MellowJet in einem Amaray-Case ausliefert.

Fünf Stücke bietet uns die CDR, die ein Souvenir für all diejenigen darstellt, die das Konzert erlebt haben oder es verpassen mussten. Dazu kommt noch der mit 9,99 Euro günstige Preis. Hier sollte man schnell zugreifen, denn die CDR wird sich sicherlich zu einem Sammlerstück entwickeln.

Für die Technikfreaks sei hier mal das Equipment aufgelistet, dass Mythos aka Stephan Kaske während seiner Auftritte benutzt:
Laser-Keyboard, Flute, Electronic Bagpipes, Yamaha Tenori-On, Korg Vocoder VC-10, Quasimidi Raven Max, Quasimidi Sirius, Quasimidi Polymorph, Quasimidi 309, Korg M1EX, Mutron Bi-Phase, Korg Kaoss Pad, Yamaha Spx90-II, Yamaha mixer & monitoring system.

Dieses Equipment sorgt für eine umfassende Klangvielfalt, zudem ist es erstaunlich, dass er bei seinen Auftritten allein an dieser Gerätschaft agiert. Los geht es mit „Live in Bochum“. Langgezogene Synthiemotive, die auch aus der Kraftwerk-Zeit stammen könnten, eröffnen das Stück. Dann ergänzen Sequenzer und ein für Mythos typischer Rhythmus diesen ersten Track. Ganz im Stil der letzten Veröffentlichungen zeigt sich Mythos von einer Seite, in der ein sich ständig wiederholender Rhythmus und eine etwas monoton wirkende Tonfolgen im Gleichklang voranschreiten. Und obwohl diese Gleichförmigkeit fast über die volle Länge von acht Minuten gehalten wird, ergänzen wechselnde Sounds und Klangeinwürfe diesen Track, was wiederum faszinierend klingt. Halt Mythos pur.

Der zweite Titel trägt mit „Aloha Hawai“ einen recht merkwürdigen Namen für ein Elektronikstück. Zwar ist eine Art synthetisches Wellenrauschen zu hören, doch einen Strand kann ich mir nicht wirklich vorstellen. Allerdings hat dieses Stück schöne Melodiefolgen und elektronische Effekte, die mich gefangen nehmen. Vor allem die immer wieder eingestreuten Effekte sind es, die die Spannung halten. Wie schon im Eröffnungstrack kommen auch hier Vocoderstimmen zum Einsatz, was wieder eine kleine Prise Kraftwerk in das Stück bringt.

„EM-Breakfast in Bochum“ hat einige Elemente zu bieten, die ebenfalls in die Düsseldorfer Elektronikszene zeigen. Einige Sounds kommen mir bekannt vor, ohne dass ich sie nun direkt zuordnen kann. Ist es wieder Kraftwerk oder eher La Düsseldorf an die meine Gedanken schweifen, ich weiß es nicht, ist aber auch nicht so wichtig, den auch dieser Track perlt in einer angenehmen Gleichförmigkeit wie „Live in Bochum“ dahin.

Technoid zirpt es zu Beginn vom Titelstück aus den Boxen. Dann kommt ein knackiger, unterkühlter, elektronischer Rhythmus und es entwickelt sich ein tanzbarer Track, bei dem Stephan auch wieder zum Vocoder greift. Hier wandelt Mythos zwischen Kraftwerkscher und traditioneller Elektronik sowie Electropop. Dieses Stück ist für mich eindeutig das Highlight des Albums. Streichersounds bestimmen zunächst – neben einem hin und her wabernden Rhythmus – das Bild in „Mythos Analog“, dem Rausschmeißer aus dem Silberling. Dieser Track bietet wieder typischen Mythos-Klang. Sehr gemächlich aber fesselnd ziehen die Klangkaskaden durch den Raum um dann in einen fast epischen Part überzugehen. das hat was von futuristischem Monumentalfilm-Soundtrack (Ben Hur auf Star Wars-Art), wenn es so was geben sollte.

„Unabsteigbar!“ ist ein gelungener Livemitschnitt, bei dem zwar keine Liveatmosphäre aufkommt, das ist aber auch bei Elektronikmusik nicht unbedingt erforderlich, dafür aber die Musik vollends überzeugt. Wer Mythos mag, der wird auch dieses Album lieben. Allein das Titelstück ist für mich den Kauf dieser günstigen EP wert.

Stephan Schelle, Februar 2010

 
   

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