MorPheuSz – Garden Gnomes & Goblins
 

MorPheuSz – Garden Gnomes & Goblins
Groove Unlimited (2011)
(7 Stücke, 77:52 Minuten Spielzeit)

Am 16.01.2010 traten bei einem Neujahr’s-Konzert Ron Boots, Harold van der Heijden, Frank Dorittke (F.D. Project), Eric van der Heijden, Kees Aerts und Bas Broekhuis im niederländischen Oirschot auf. Das war das erste Konzert, bei dem Frank mit der niederländischen Elektronikelite auf der Bühne stand. Als Ron Boots dann für den 17.07.2010 ins nordrhein-westfälische Hamm zur Schwingungen-Gartenparty eingeladen wurde, wollte er ursprünglich die Musik spielen, die er für sich selbst im Studio spielt, wenn er nicht an einer neuen Musik arbeitet. Doch dann erinnerte er sich an das Konzert aus Januar des gleichen Jahres und so kamen Eric van der Heijden, Harold van der Heijden und Frank Dorittke auch mit nach Hamm.

 


Das Konzert am 17.07.2010 kann somit als Geburtsstunde des Musikprojektes MorPheuSz bezeichnet werden, denn in dieser Formation agierten die vier das erste Mal. Sie wurden bei dem Konzert auch erstmals als MorPheuSz vorgestellt. Und an diesem Tag oder besser Abend – sie waren die letzten des kleinen Festivals – wurde Geschichte geschrieben, denn es entwickelte sich eine magische Verbindung zwischen den Musikern, die perfekt war. Auf vorbereiteten Grundmustern improvisierten die vier Musiker, was das Zeug hielt und harmonierten dabei ganz hervorragend. Und jetzt kann sich jeder von diesem magischen Konzert überzeugen, denn unter dem Titel „Garden Gnomes & Goblins“ erschien Ende 2011 ein Mitschnitt eines Teils des Konzertes.

Die sieben Stücke des Albums tragen alle den Titel „Garden Gnomes And Goblins“ und sind in sieben verschiedene Parts unterteilt, die aber nicht in einer zahlenmäßigen Reihenfolge angeordnet sind. Fünf der Stücke haben Laufzeiten von mehr als zehn Minuten, zwei von ihnen liegen bei etwas über fünf Minuten Spielzeit.

Die CD beginnt mit „Part 4“ und endet mit „Part Pizza!!“. Das zeugt von dem Humor, den Ron & Co. besitzen. Und so entspannt wie die Stücke betitelt sind, so entspannt gehen die Musiker auch ans Werk, was man sehr gut hören kann.

Die CD beginnt mit dem gut 16minütigen, in der ersten Hälfte sehr sphärischen und dahinschwebenden „Part 4“. Im zweiten Teil kommen dann Harolds Perkussion hinzu und man wird von diesen betörenden Klängen förmlich weggetragen. Vielleicht ergeht es mir besonders so, weil ich damals in Hamm bei dem Konzert war und mich sofort wieder in diese Stimmung versetzten kann, die in der Dunkelheit der Sommernacht aufkam.

Sequenzer basiert präsentiert sich „Part 2“. Hier herrscht auch mehr Dynamik als im eröffnenden „Part 4“. Der Track zieht förmlich nach vorn und zeigt stilistisch die Handschrift von Ron Boots. Aber auch Frank kommt mit seiner E-Gitarre sehr gut zur Geltung und bringt sich so ebenfalls stilistisch sehr schön ein. In „Part 9“, das mit wunderbaren, verträumten Synthieflächen aufwarten kann, kommt eine romantische Note ins Spiel, bei der man Eric sehr schön heraus erkennen kann. Und so bringen sich die Musiker mit ihren unterschiedlichen Stilen sehr schön in die Musik ein und drücken einzelnen Stücken ihren Stempel auf, ohne aber zu dominant zu wirken, denn die jeweils anderen drei sind ebenfalls gleichberechtigt dabei.

Als nächstes kommt ein Track mit der lustigen Bezeichnung „Part 1000-1“. Ist es etwa Musik wie aus 1.000 und einer Nacht? Wer weiß das schon. Der 15minütige Track beginnt recht verhalten und ruhig, breitet seine ganze Faszination aber nach spätestens drei Minuten aus. Wunderbare Harmoniebögen und ein für Ron typischer Rhythmus, der noch dezent gehalten ist, folgen nach wenigen Minuten. Es entwickelt sich ein hypnotischer Track, in den man sich fallen lassen kann. Der erste Fünfminüter („Part 7“) klingt wie ein Zwischenspiel, während der zweite Fünf-Minuten-Track („Part Who Cares!!“) von Pianomotiven und ethnischen Perkussion getragen wird.

Den Abschluss bildet dann das fast 14minütige „Part Pizza!!“. Diesen recht verhalten klingenden Track haben sie mit unterschiedlichen, wechselnden Sounds belegt, eben wie bei einer Pizza. Oder ist damit gemeint, dass die Musiker so träge wirken, als ob sie sich gerade an einer Pizza satt gegessen hätten? Das wissen wohl nur die Musiker selbst. Auf mich hat das Stück aber eine beruhigende Wirkung.

Es ist sehr schön, das Ron & Co. das Konzert, das eigentlich nicht veröffentlicht werden sollte, nun doch herausgebracht haben. Diejenigen, die diesen wunderbaren Sommerabend in Winnie’s Garten erleben durften können so in Erinnerungen schwelgen, alle anderen bekommen fast 78 Minuten hervorragende Elektronikmusik geboten.

Stephan Schelle, Januar 2012

 
   

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