Moonbooter – World Of Apes 1
 

Moonbooter – World Of Apes 1
MellowJet Records (2010)
(12 Stücke, 69:40 Minuten Spielzeit)

Bei einem neuen Elektronikalbum lege ich zunächst die CD in den Player und schau mir dann an, um welches Thema sich die Musik dreht. Beim im Frühjahr erschienenen siebten Album „World Of Apes 1“ von Bernd Scholl aka Moonbooter, habe ich aber diese Tradition gebrochen. Das lag vor allem an dem Cover, das ein Haus in einer idyllischen Landschaft mit blauem Himmel zeigt. Diese sommerliche Atmosphäre wird durch das im Hintergrund liegende Atom-Symbol konterkariert. Das macht neugierig auf mehr.

 


Und so kann man schnell entdecken, dass es sich bei „World Of Apes 1“ – der Titel suggeriert eine Fortsetzung – um ein Konzeptalbum handelt, dass sich mit dem Wahnsinn des atomaren Wettrüstens beschäftigt. Wer, wie ich den kalten Krieg mitbekommen hat, könnte meinen, dass das doch Schnee von Gestern ist. Allerdings sorgen die ständigen Nachrichten über Schwellenländer, die unter dem Deckmantel der Forschung zum atomaren Staat aufsteigen wollen, für ein ungutes Gefühl. Bernd hat sich mit der Thematik beschäftigt und nicht nur in der Historie gegraben, sondern sich auch mit der atomaren Entwicklung beschäftigt. Dabei macht er Station bei ersten Atomwaffentests, dem Abwurf der ersten Atombombe bis hin zum heutigen Wahnsinn der Waffen hervorgebracht hat, die ein Vielfaches an Zerstörungskraft aufweisen, als die ersten Atombomben es vermochten.

Wer aber nun glaubt, Bernd’s Musik würde in Tristes, Düsternis oder Verzweiflung verfallen, der täuscht sich. Dass er den Mut am Leben nicht verloren hat, zeigen viele harmonische Melodielinien und die für Moonbooter typischen Sounds und Rhythmen. Und ein Titel wie „A New Hope“ sagt doch wohl alles. Allerdings ist „World Of Apes 1“ etwas ruhiger als die bisherigen Moonbooter-Alben ausgefallen, was auch gut zu dem nachdenklichen Thema passt.

Los geht es mit einem kratzenden Geräusch, das aus einem Sampling eines Geigerzählers entstanden ist. Dieses Geräusch führt in den ersten Track „Living In Apeland“ ein, das ein gutes Beispiel für die Technik, die Bernd bei seiner Produktion angewandt hat, ist um dem Thema zu entsprechen. So finden sich im weiteren Verlauf noch mehr Geräusche und Sprachsamples, die das Konzept unterstreichen und die CD somit kompakt machen, was bei einem Instrumentalalbum, ja nicht gerade leicht ist.

Bernd sagt selbst zu den Sounds: „Ich habe für die Produktion von ‚World Of Apes’ viele interessante, historische Tonaufzeichnungen gesammelt und in einen musikalischen Zusammenhang gebracht. … Zudem habe ich aus eben diesen historischen Aufnahmen auch tonales Material gesampelt und als tonal verfremdete Instrumente gespielt. Dadurch konnte ich eine besondere Authentizität des Sounds erreichen. Zudem wurde die radioaktive Reststrahlung eines echten Trinititen der ersten Atombombenexplosion am 16. Juli 1945 mit einem Geigerzähler gemessen und der Ausschlag des Meters in Midi-Daten umgesetzt. Auf Grundlage zufällig entstandener Timings dieses radiaktiven Verfalls habe ich in stundenlangen Probe-Messungen Quantisierungsmuster erstellt und diese auf Sequenzermuster, Rhythmen usw. übertragen.“

Musikalisch bietet uns Moonbooter trotz einiger melancholischer Passagen seinen rhythmischen Stil, der in „Living In Apeland“ noch recht verhalten aus den Boxen quillt, sich aber schon in „Inside Nukes“ sequenzermäßig steigert. Kraftwerk artiger Vocodergesang eröffnet den Track „M.A.D.“, das ansonsten loungeartig wirkt. Hypnotisch und gleichzeitig verträumt geht es in „Cowboy und Indianer“ zu, obwohl es hier thematisch um die Frage geht, „Wie fair ein Krieg überhaupt sein kann und was die Menschen legitimiert, solch schreckliche Waffen zu herzustellen“. „Losing Innocence“ wirkt auf mich wie ein Ausschnitt aus einer Dokumentation, denn zu Beginn hört man eine Audioaufzeichnung des amerikanischen Piloten Colonel Paul Tibbets, der die Enoly Gay flog, die die erste Atombombe über Hiroshima abwarf. Unterlegt wird das noch unter anderem von einem Flugzeuggeräusch, was diesen Titel recht düster macht.

In „Atomic Train“ setzt Bernd einen Rhythmus ein, der an einen stampfenden, fahrenden Zug erinnert. Das wirkt aber nicht wie Kraftwerk (was ja gar nicht so leicht ist, sich von der Düsseldorfer Legende zu entfernen). Vielmehr versprüht dieser Track den Charme des Elektropop der Marke OMD. In „Gently Terminated“ klingt der typische Moonbooter raus, denn Bernd hat hier Sounds verwendet, die er auch auf seinen bisherigen Alben verwendet hat, dadurch hat dieser Track einen hohen Widererkennungswert. Einige in Deutsch gesprochene Samples hat er diesmal in diesen recht ruhigen Track eingebunden.

Viel Zuversicht und Lebensfreude entspringt dem Track „A New Hope“, der orchestral, eingängig und rhythmisch ist und eine gewisse Fröhligkeit ausdrückt. Sakrale Klänge und historische Tonaufnahmen von Personen, die atomare Energie anzupreisen scheinen, sind in „You Will Be OK“ zu hören. Hier spielt Bernd mit Harmonien und auch bedrohlichen Sounds, die so zu einem Zwiespalt führen, aber doch gut ins Ohr gehen. Bedrohlich – der Rhythms scheint auf ein schlimmes Ereignis hinzusteuern – geht es in „The War Begins“ zu. Zum Ende hin taucht aber eine sehr schöne Melodiefolge – mit Einsatz von Gitarrensounds – auf, die total unter die Haut geht.

Zunächst nur durch Pianosounds, Flächen und einem bedächtigen Rhythmus bestückt, zeigt „The Melancholy Within“ sich von der verträumten Seite, um nach einigen Momenten dann aber in einen unwiderstehlichen Rhythmus überzugehen, der tanzbar ist und einen Flair der 80’er Disco-Bewegung (mir fällt da spontan „Spacer“ von Sheila B. Devotion und auch eine Melodiefolge, die mich an „Silent Running“ von Mike And The Mechanics erinnert ein) versprüht. Nachdenklich, ja fast ein wenig wehmütig beendet Moonbooter das Album mit dem Stück „Brahma Astra“.

Wer Moonbooter’s Musik kennt und sie mag, dem kann ich das neue Werk wieder uneingeschränkt empfehlen. Es tut gut zu sehen bzw. zu hören, dass man sich auch in der Elektronikmusik mit ernsten Themen auseinandersetzen kann, ohne Lehrmeisterhaft zu wirken. Die Musik ist für sich sehr eingängig und kann auch ohne Gedanken an den atomaren Wahnsinn genossen werden. Und wer sich dem Thema etwas mehr öffnen mag, der hat auch die Chance dazu. Ich für meinen Teil hoffe, dass es eine Fortsetzung geben wird.

Stephan Schelle, März 2010

 
   

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