Moonbooter - Devided
 

Moonbooter - Under Control
MellowJet Records (2007)
(13 Stücke, 79:22 Minuten Spielzeit)

Etwas ungewöhnlich für eine CD-Besprechung ist der Ort, an dem ich die CD dafür höre. Ich liege nämlich gerade am Strand des Roten Meeres in Ägypten. Nun besteht in dieser Situation immer die Gefahr, dass man im Hochgefühl der Urlaubsstimmung zu positiv bewertet, andererseits kann man sich aber voll und ganz der Musik widmen.

„Under Control“ ist Bernd Scholl’s (Moonbooter) mittlerweile vierte CD, die er wieder als CDR beim SynGate-Label veröffentlicht. Neu dabei ist, dass das vierseitige Booklet als Wendecover daherkommt. Die eine Seite zeigt das Cover im typischen SynGate-Stil, die andere Seite bietet mehr Raum für die Bildcollage. Der Käufer kann sich so das für ihn schönste Cover aussuchen.
 

 

 

Die CDR enthält 13 Tracks, deren Musik, wie von Bernd gewohnt, in sehr rhythmischem und modernem Stil, mit Bezügen zu den Ikonen der traditionellen Elektronikmusik, gehalten ist. Gleich der Opener „Not Real“ zeigt, wohin der Weg auf dem Silberling geht. Dabei hat Bernd Sounds in den Track eingebaut, die an Schiller erinnern. Seine Vorliebe für die Musik des Berliners kann Bernd auch auf diesem Album nicht verleugnen, was sich auch noch an anderer Stelle zeigt. Aber auch Parallelen zu der Musik von Wellenfeld, die ebenfalls bei SynGate zu Hause sind, lassen sich erkennen. Eine mit Vocoder verzerrte Stimme, die nicht als Gesang, sondern als Instrument eingesetzt wird sowie Sprachfetzen hat Bernd in diesen sehr schönen Eröffnungstrack integriert.

Track Nummer 2 „Arped Obsession“ beginnt mit Flächen und flirrenden Effekten, die ein kurzes Flair des Franzosen Jean Michel Jarre aufkommen lassen. Doch nach wenigen Momenten ist dieses Zitat vorbei und Bernd startet einen Sequenzerloop sowie seine Drumcomputer und die Stimmung wechselt in einen rhythmischen, melodiösen Teil mit tribelartigen Elementen. Dieser tribelartige Rhythmus verleiht dem Stück an einigen Stellen einen ethnischen Touch. Auch dieser zweite Track kann voll überzeugen.

Das folgende „String Theory“ beginnt mit Kirchenglocken, ähnlich derer bei Pink Floyd’s „Devision Bell“, und verfremdeter Stimme, die einen Text spricht, der futuristisch klingt. Dann startet Bernd diese hinreißende Melodielinie, die mich sofort in ihren Bann zieht. Aber er lässt sie nicht einfach so dahin fließen, ohne sie mit einem entsprechenden, nach vorn treibenden Rhythmus zu unterlegen. Und mit einer kleinen Passage, die an Mike Oldfield’s „Tubular Bells“ erinnert, schickt er einen Gruß auf die britische Insel. Eigentlich vermittelt dieser Track Fernweh, aber ich bin ja bereits in der Ferne. Wenn ich dabei so aufs Meer hinaus sehe und diesen Track genieße, zieht es mich förmlich hinaus aufs Wasser.

„Silence de la nuit“ heißt Track Nummer vier. Er startet mit etwas sterilen und technoartigen Rhythmen, die eine Hommage an Kraftwerk darstellen können. Mit den Düsseldorfer Veteranen hat das Stück sonst aber nicht viel gemein. Vielmehr zelebriert Bernd seinen Moonbooter-Stil mit einem stampfenden Beat. Auch in diesem Stück hat Bernd eine Passage eingebaut, die mich an Jean Michel Jarre denken lässt.

Der Titel des Stücks „Progression“ klingt zwar etwas progressiv, bietet aber eine Midtempo-Nummer, die auch gut einem Schiller-Album entnommen sein könnte. Für diejenigen, die Moonbooter noch nicht kennen sei gesagt: Wer Schiller liebt, wird diesen Track sehr mögen. Zu den Synthiesounds hat Bernd noch basslastige (dumpfe) Gitarrensounds sehr passend in den Track eingebaut. Dieser Track lässt einen förmlich abheben.

„Mellowman“, der hier im Radiomix vorliegt, ist ein sehr schöner rhythmischer Track, wie man ihn von Moonbooter kennt. Ein Funtrack mit einer tollen Melodie, die für Radio oder Club förmlich gemacht ist. Und mit seinen knapp unter vier Minuten Spielzeit hat er auch die entsprechende Länge dafür.

Track sieben heißt zwar „Said Goodbye“, aber wir befinden uns erst in der Mitte der CD. Der Song zeichnet sich durch eine sehr verträumte Pianomelodie aus, die auf sanft dahinschwebenden Flächen gebettet ist. Bernd beweist bei diesem Stück, dass er nicht nur rhythmische, sondern auch sehr schöne ruhige Tracks komponieren kann. Ich sage nur: „Augen zu und in den eigenen Träumen versinken.“

Etwas melancholisch angehaucht ist der achte Titel „Last Contact (4am)“, dessen Variation aus Piano und Flächen ich sonst von dem Belgier Frank van Bogaert bzw. dem großen Griechen Vangelis her kenne. Im weiteren Verlauf wechseln sich diese epischen Pianoklänge mit minimalistischen Rhythmussequenzen ab.

Beim Stück „End Splice Anthem (e.s.a Mix)“ haben wir es mit einem sehr technoartigen Track zu tun (kommt mir irgendwie bekannt vor, war der schon mal auf ’ner Moonbooter-CD?), dessen knalliger Rhythmus von einer recht einfach gehaltenen Harmonie, die aber später an Kraft gewinnt, getragen wird. Je länger das Stück dauert, desto besser gefällt es mir.

„Em Da Phunk“, diesen ungewöhnlichen Track konnte man schon im Januar 2007 beim Ambient-Experience-Festival in Wuppertal live erleben. Er beginnt mit einer E-Gitarren-Passage, der Bernd, wie der Titel schon verrät, einen sehr funkigen Rhythmus spendiert hat. Das Teil geht sofort ins Blut und man muss ihm sofort Tribut zollen, denn er zwingt einen sich im Gleichtakt zu bewegen. Auch die Hauptmelodielinie ist richtig gut. Und dass ist noch nicht alles, denn ganz im Stile der Elektronischen Maschine bindet er noch Vocoderstimmparts in den Track mit ein. Mit diesem Stück hat Bernd für meinen Geschmack einen richtigen Hammer auf dem Silberling platziert. Das Stück könnte auch auf der Tanzfläche 'ne Menge Spaß bereiten.

„Cold Sun“ hat einiges an subtilen Soundeffekten zu bieten, die sich erst bei genauem Hinhören erschließen. Ein Rhythmus, wie eine schleppende Bahnfahrt und ein weiterer Hinweis auf Schiller (bei ca. Minute 3) prägen diesen Track, der auf mich ansonsten aber nicht so prickelnd wirkt. Bei diesem Stück fehlt mir das gewisse Etwas, dass sonst Bernds Musik auszeichnet. Dieses Stück ist der „Hänger“ dieser CD.

„Gapless Time“ ist da wieder aus ganz anderem Holz (Sound) geschnitzt. Dieses Stück fasziniert mich gleich wieder vom ersten Ton an. Bernd bietet hier wieder einen gut strukturierten Rhythmus-/Sound-/Melodiemix. Nach dem kleinen Ausfall zuvor macht dieses Stück sofort wieder richtig Spaß. In das Stück hat Bernd Passagen eingebaut, bei denen mir der 80’er Jahre Hit „Fade To Grey“ von Visage in den Sinn kommt, aber nur ganz kurz. Ansonsten dominiert hier Bernd’s Gespür für fesselnde Melodiebögen, gewürzt mit sehr passenden, nicht zu heftigen Rhythmen. Ein Track zum relaxen und Freude empfinden, der durch unterschiedliche Sounds – bis hin zur Akustikgitarre – einen weiten Spannungsbogen zieht.

Das letzte Track des Albums, „3 Months And 3 Weeks“, hat es noch mal so richtig in sich. Sehr düstere, pulsierende Sounds hat Bernd an den Anfang gesetzt, um sie nach kurzer Zeit in einen sehr schönen Melodieloop aufzulösen. Leicht abgehackte, reggaeartige Sequenzen und kräftige Synthiepassagen treiben diesen Track weiter voran, den Bernd durch verschiedene Melodielinien sehr abwechslungsreich gestaltet. Man hat das Gefühl ein Medley zu hören.

Fazit:
Auch mit seinem vierten Werk führt Bernd den eigenen Stil und herausragenden Standard, den er bereits 2005 auf seinem Debüt „Teralogica“ gesetzt hat, nahtlos fort. Dabei versteht er es, seine Reminiszenzen an andere „große“ der Elektronik durch eindeutig erkennbare Klangtupfer in seinen Tracks unterzubringen. Klangtechnisch lässt die Produktion keine Wünsche offen und bis auf den Track „Cold Sun“ gibt es keinen Ausfall auf der CD zu verzeichnen. Wer auf rhythmische und melodische Elektronik steht, kann hier bedenkenlos zugreifen. Für mich ist das Album wieder eine klare Empfehlung.

Stephan Schelle, April 2007

 
   

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